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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.09.2000
Aktenzeichen: III R 61/98
Rechtsgebiete: InvZulG 1986, FGO, EStG, BFHEntlG


Vorschriften:

InvZulG 1986 § 4
InvZulG 1986 § 4 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 96
EStG § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4
BFHEntlG Art. 1 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte für die im Kalenderjahr 1988 (Streitjahr) vorgenommene Anschaffung einer Großcomputeranlage Typ EXT 25 zum Preis von ... DM --entsprechend ihrem Antrag-- eine Investitionszulage nach § 4 des Investitionszulagengesetzes 1986 (InvZulG 1986) erhalten.

Anlässlich einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Computer EXT 25 im Zusammenhang mit der Anschaffung einer neuen, leistungsstärkeren Computeranlage Typ CLX 840 im Jahr 1991 in Zahlung gegeben worden war. Vorausgegangen war ein Angebot der Lieferfirma T-GmbH vom 12. März 1991, wonach zum einen das neue Gerät im Austausch gegen das Altgerät geliefert, zum anderen das installierte Altgerät bis zum 15. August 1991 bei der Klägerin belassen werden sollte, um dieser den Systemwechsel zu ermöglichen. Die Klägerin hat die neue Computeranlage CLX 840 am 25. März 1991 bestellt; ausweislich der Rechnung der T-GmbH vom 28. März 1991 wurde die neue Computeranlage am gleichen Tag, d.h. am 28. März 1991, versandt. Der von der T-GmbH in Rechnung gestellte Betrag berücksichtigte bereits die Inzahlungnahme des Altgeräts EXT 25. Aufgrund dieser Feststellungen gelangte der Prüfer zu der Auffassung, das Eigentum an dem am 29. Juni 1988 angeschafften Computer EXT 25 sei bereits am 28. März 1991 auf die T-GmbH übergegangen mit der Folge, dass insoweit die dreijährige Verbleibensfrist nicht eingehalten worden sei.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich dieser Auffassung an und forderte mit Bescheid vom 2. April 1993 die für das Altgerät EXT 25 gewährte Investitionszulage nebst Zinsen zurück.

In dem nach erfolglosem Einspruchsverfahren angestrengten Klageverfahren stellte das Finanzgericht (FG) die Frage nach der tatsächlichen Nutzung des Computers EXT 25 in den Mittelpunkt seiner Sachverhaltsermittlungen.

Auf eine entsprechende erste Anfrage des FG teilte die Klägerin mit, dass der Computer EXT 25 ausschließlich für die Entwicklung von Softwarelösungen im Kundenauftrag eingesetzt worden sei. Nach einem Hinweis des FG auf die in einem solchen Fall einschlägige, die Zulagengewährung ausschließende Rechtsprechung der FG berichtigte die Klägerin ihre Aussage dahin, dass sie erst seit einiger Zeit ausschließlich Software im Kundenauftrag entwickle. Soweit sie dies auch schon in der Vergangenheit gelegentlich getan habe, sei dies nicht mit Hilfe des Computers EXT 25 geschehen. Das FG hat die für die berichtigte Aussage als Zeugen angebotenen Mitarbeiter der Klägerin G und W über die tatsächliche Nutzung des Computers in der Zeit vom 29. Juli 1988 bis zum 29. Juli 1991 in der mündlichen Verhandlung als Zeugen gehört.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zwar vermochte sich das FG einerseits nicht der Auffassung des FA anzuschließen, dass der Computer EXT 25 bereits vor Ablauf der dreijährigen Verbleibensfrist aus dem Anlagevermögen der Klägerin ausgeschieden sei. Zivilrechtlich sei zwischen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft zu unterscheiden. Im Streitfall sei für das Altgerät --im Rahmen eines Tauschgeschäftes-- ein späterer Übereignungszeitpunkt vereinbart worden. Letztlich ließ das FG die Beantwortung der Frage nach der Erfüllung der Verbleibensvoraussetzungen jedoch dahinstehen, da nicht habe festgestellt werden können, dass der Computer EXT 25 im Betrieb der Klägerin ausschließlich der Forschung und Entwicklung gedient habe. Für den Nachweis dieser Voraussetzungen trage die Klägerin die Darlegungs- und Feststellungslast. Zwar hätten die Zeugen G und W die Angaben der Klägerin bestätigt, wonach diese eigenständig neue Softwareprodukte entwickelt und auf dem Markt angeboten habe; darin könnte auch eine Nutzung des Computers für Forschung und Entwicklung gesehen werden. Jedoch habe das FG aufgrund der Aussagen der Zeugen nicht die Überzeugung gewinnen können, dass das Investitionsgut ausschließlich diesen Zwecken gedient habe. Die Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum auch für bestimmte Bereiche ihrer Kunden Anwendersoftware entwickelt und diese sodann an ihre Kunden verkauft habe. Soweit der Computer auch für solche Zwecke eingesetzt worden sei, habe er nicht ausschließlich Forschungs- und Entwicklungszwecken, sondern auch Produktionszwecken gedient. Damit liege eine gemischte Verwendung des Investitionsgutes vor, die als zulagenschädlich zu beurteilen sei. Die Aussagen der Zeugen G und W seien nicht geeignet gewesen, die Zweifel, die der widersprüchliche Vortrag der Klägerin im Klageverfahren hervorgerufen habe, zu beseitigen. Nach den Zeugenaussagen sei der Einsatz des Computers im Kunden-(Produktions-)bereich vielmehr so wahrscheinlich gewesen, dass vernünftige Zweifel daran nicht bestehen könnten. Der Zeuge W habe ferner mitgeteilt, dass von den 20 Personalcomputern, die mit der EXT 25-Anlage vernetzt waren, 15 im Bereich der Entwicklung von Software im Kundenauftrag (Produktion) und nur fünf im Bereich der Entwicklung eigener Erzeugnisse der Klägerin (Forschung und Entwicklung) eingesetzt gewesen seien. Beide Zeugen hätten in diesem Zusammenhang glaubhaft ausgesagt, dass der Zugriff auf die Daten der EXT 25-Anlage für die Mitarbeiter der Klägerin, die am PC Kundenaufträge erledigten, auch sinnvoll gewesen sei. Schließlich ergebe sich aus den Aussagen der Zeugen, dass die Geschäftsleitung der Klägerin keinerlei Maßnahmen getroffen habe, um den jederzeit möglichen und sinnvollen Einsatz des Computers EXT 25 für die Erledigung von Kundenaufträgen zu verhindern. Dem Zeugen G sei nicht einmal bekannt gewesen, dass die EXT 25-Anlage ausschließlich für Forschungs- und Entwicklungszwecke hätte eingesetzt werden sollen. Der Umstand, dass die Klägerin keine Maßnahmen ergriffen habe, die den Einsatz des Computers EXT 25 auch im Kundenbereich hätte verhindern können, spreche für ihren Willen, eine Nutzung auch im Kundenbereich zu ermöglichen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel sowie die Verletzung materiellen Rechts. Hinsichtlich der Verfahrensrügen trägt die Klägerin vor, das FG habe es versäumt, ein zur Klärung des Sachverhalts notwendiges Sachverständigengutachten einzuholen, obwohl dies durch das FA beantragt worden sei. Weiter verstoße das Urteil des FG gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Beweiswürdigung widersprüchlich und nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt sei, sowie gegen Denkgesetze. Zuletzt beruhe das Urteil auf einer unzutreffenden Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1986. Die Frage, ob im Falle der Forschung und Entwicklung im Auftrag eines Dritten eine Investitionszulage in Betracht komme, werde vom FG verneint. Eine Differenzierung zwischen Entwicklung auf Eigeninitiative und im Kundenauftrag, wie sie das FG vornehme, sei jedoch im Gesetz nicht angelegt. Eine solche Differenzierung sei jedoch allenfalls dahingehend vorzunehmen, ob eine Neu- oder Weiterentwicklung von Produkten oder eine reine (zulagenschädliche) Reproduktion vorliege. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 17. November 1998 III R 2/97 (BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62) darauf hingewiesen, dass es für eine Zulagengewährung genüge, dass das betroffene Wirtschaftsgut im Betrieb des Steuerpflichtigen ganz allgemein der Forschung und Entwicklung diene.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den geänderten Investitionszulagenbescheid für das Streitjahr vom 2. April 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung des FG schließt der Umstand, dass die Klägerin im Kundenauftrag Anwenderprogramme hergestellt hat, nicht aus, dass die von ihr angeschaffte und zur Programmerstellung verwendete Computeranlage EXT 25 i.S. von § 4 InvZulG 1986 der Forschung und Entwicklung diente.

1. Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen nicht durch. Der Senat verzichtet insoweit gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs auf eine nähere Begründung. 2. Die Gewährung einer Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen nach § 4 InvZulG 1986 setzt im Streitfall voraus, dass die angeschaffte Computeranlage EXT 25 während der Verbleibensfrist von drei Jahren im Betrieb der Klägerin ausschließlich der Forschung oder Entwicklung gedient hat. Der Forschung oder Entwicklung i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dienen Wirtschaftsgüter, wenn sie verwendet werden:

- zur Gewinnung von neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen allgemeiner Art (Grundlagenforschung)

oder

- zur Neuentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren oder

- zur Weiterentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren, soweit wesentliche Änderungen dieser Erzeugnisse oder Verfahren entwickelt werden.

In seiner Entscheidung in BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62 hat der Senat zur Auslegung der Begriffe "Forschung und Entwicklung" ausgeführt, dass es insoweit genüge, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter im Betrieb des Steuerpflichtigen tatsächlich in dem geforderten Umfang allgemein der Forschung oder Entwicklung dienen. Begünstigt sein können daher vom Wortsinn der einschlägigen Vorschriften auch Forschungen oder Entwicklungen, die im Auftrag eines Dritten ausgeführt werden, sofern im Übrigen die Voraussetzungen des § 4 InvZulG 1986 bei dem Auftragnehmer gegeben sind. Vor diesem Hintergrund ist eine Investitionszulagenbegünstigung nicht nur dann möglich, wenn ein Steuerpflichtiger mit seinem Endprodukt, in das die Ergebnisse seiner eigenen Forschungs- oder Entwicklungsarbeit eingegangen sind, am Markt auftritt, sondern ggf. auch dann, wenn er lediglich im Auftrag eines Dritten entgeltlich Forschungs- oder Entwicklungsarbeit leistet und sich diese nicht nur auf eine lediglich untergeordnete Hilfstätigkeit für den Auftraggeber beschränkt.

Im Streitfall kommt eine Investitionszulagenbegünstigung für die von der Klägerin angeschaffte Computeranlage EXT 25 daher nicht nur dann in Betracht, wenn die Klägerin diese dazu genutzt hat, eigenständig --ohne konkreten Auftrag-- Softwareprogramme zu entwickeln und als fertige Produkte am Markt anzubieten, sondern auch dann, wenn sie auf die Wünsche und Erfordernisse des Auftraggebers ausgerichtete Softwareprogramme im Kundenauftrag entwickelt und diese sodann nach Fertigstellung an den Auftraggeber veräußert hätte. Denn auch insoweit erbrächte die Klägerin eigenständige Forschungs- bzw. Entwicklungsleistungen.

Investitionszulagenschädlich wäre in beiden Fällen indes der --ggf. gleichzeitige-- Einsatz der Computeranlage EXT 25 im Rahmen der Produktion, d.h. der Vervielfältigung von eigenständig oder im Kundenauftrag entwickelten Softwareprodukten (vgl. Senatsurteil vom 27. April 1978 III R 43/76, BFHE 125, 481, BStBl II 1978, 657). Denn im Falle eines gleichzeitigen Einsatzes des geförderten Wirtschaftsguts für die Entwicklung und die Produktion kann nicht mehr von einem ausschließlichen Dienen für Forschung oder Entwicklung i.S. der §§ 4 InvZulG 1986, 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u Satz 4 EStG ausgegangen werden. Als investitionszulagenschädlich wäre es ferner anzusehen, wenn die im Auftrag eines Dritten erbrachte "Entwicklungs"-Leistung der Klägerin lediglich von untergeordneter Bedeutung wäre, wie dies etwa bei der bloßen anwenderbezogenen Anpassung vorhandener Standardsoftware angenommen werden könnte; insoweit würde sich die im Auftrag eines Dritten entgeltlich vorgenommene Forschungs- oder Entwicklungsarbeit nämlich in einer Hilfstätigkeit für den Auftraggeber beschränken.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat, ausgehend von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt, keine Feststellungen darüber getroffen, ob und inwieweit die Computeranlage EXT 25 nur für die Entwicklung eigenständiger bzw. im Kundenauftrag hergestellter Softwareprodukte oder darüber hinaus auch für die eigentliche Produktion (Vervielfältigung) dieser Produkte eingesetzt worden ist. Ferner hat es im Ergebnis offen gelassen, ob die Computeranlage --wie dies § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1986 zusätzlich erfordert-- drei Jahre lang im Betrieb der Klägerin verblieben ist. Die Sache ist zur Nachholung dieser Feststellungen an das FG zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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