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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.06.2008
Aktenzeichen: III R 68/05
Rechtsgebiete: EStG, SGB III
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 | |
SGB III § 38 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt für ihren 1985 geborenen Sohn (S) nach Beendigung der schulischen Ausbildung seit September 2003 Kindergeld. Dieser meldete sich bei der Arbeitsvermittlung am 24. September 2003 als arbeitsuchend. Da er nach Mitteilung der Arbeitsvermittlung einen Termin am 12. März 2004 ohne Angabe von Gründen nicht wahrnahm, meldete diese das Bewerberangebot des S am 15. März 2004 ab. Aufgrund eines entsprechenden Bearbeitungshinweises erhielt die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) Kenntnis von dem Meldeversäumnis sowie der Abmeldung. Da S auch nicht in der Berufsberatung als Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet war, stellte die Familienkasse die Kindergeldzahlung ab Juni 2004 ein. Mit Bescheid vom 23. Juni 2004 hob die Familienkasse sodann die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab April 2004 auf und forderte das für April und Mai 2004 gezahlte Kindergeld in Höhe von 308 € zurück. Nachdem S seine Meldung als arbeitsuchend am 1. Juli 2004 erneuert hatte, nahm die Familienkasse die Kindergeldzahlung ab Juli 2004 wieder auf. Der Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 27. Juli 2005 10 K 5038/04 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 684) als unbegründet ab.
Auf die Beschwerde der Klägerin ließ der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision zu. Der Zulassungsbeschluss wurde der Klägerin am 7. Dezember 2005 zugestellt, mithin endete die Revisionsbegründungsfrist am Montag, den 9. Januar 2006. Die Revisionsbegründung ging --nach Zustellung der Mitteilung nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Vorsitzenden des III. Senats des BFH am 23. Januar 2006-- zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungfrist am 30. Januar 2006 beim BFH ein.
Zur Wiedereinsetzung trägt die Klägerin vor, der verspätete Eingang der Revisionsbegründung sei ausschließlich auf ein Verschulden der Deutschen Post AG zurückzuführen. Die Prozessbevollmächtigte habe die Revisionsbegründung bereits am 8. und 9. Dezember 2005 vorbereitet, da sie ab dem 22. Dezember 2005 einen Familienurlaub antreten wollte. Ihre Mitarbeiterin habe den Begründungsschriftsatz am 9. Dezember 2005 getippt und zur Korrektur vorgelegt. Da die Mitarbeiterin sich am 12. Dezember 2005 krankgemeldet habe, habe die Prozessbevollmächtigte die Korrekturen am Schriftsatz selbst vorgenommen, ihn unterzeichnet, frankiert und persönlich gegen 15.30 Uhr in den der Kanzlei nächstgelegenen Briefkasten vor dem Postamt in B eingeworfen. Zur Glaubhaftmachung fügte die Klägerin eine Aktendurchschrift der Revisionsbegründung vom 12. Dezember 2005, einen Ausdruck des elektronischen Fristenkalenders mit der Fristnotierung 9. Januar 2006 sowie die Kopie des ärztlichen Attestes der Mitarbeiterin bei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 119 Abs. 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III). Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG werde ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet habe, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe und arbeitslos im Sinne des SGB III sei. Arbeitslos sei ein Kind, wie das Urteil der Vorinstanz zutreffend ausgeführt habe, wenn die Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III erfüllt seien. Vorliegend sei das Kind verfügbar gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass S sich nicht nach drei Monaten erneut als arbeitslos bzw. als ausbildungsplatzsuchend gemeldet habe und die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur eingestellt worden seien. Eine Verpflichtung zur Rückmeldung nach Ablauf von drei Monaten habe nicht mehr bestanden, da § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III, der die Erneuerung des Arbeitsgesuchs nach drei Monaten vorgesehen habe, mit Wirkung zum 1. August 1999 aufgehoben worden sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Aufhebungsbescheid vom 23. Juni 2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2004 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
1. Die Revision ist zulässig.
Die Revisionsbegründung ist zwar nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bis zum 9. Januar 2006 (§ 116 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) eingegangen, sondern erst am 30. Januar 2006, d.h. innerhalb der Monatsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO; der Klägerin ist aber gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hat glaubhaft dargelegt, dass ihre Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden daran gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, da sie den Schriftsatz mit der Revisionsbegründung vom 12. Dezember 2005 am gleichen Tag persönlich in den Briefkasten eingeworfen hat. Dafür sprechen nicht nur die ausführliche Schilderung des Geschehensablaufs, sondern auch die Vorlage der Aktendurchschrift der Revisionsbegründung vom 12. Dezember 2005, der Ausdruck des elektronischen Fristenkalenders und die Krankschreibung der Mitarbeiterin vom 12. Dezember 2005.
2. Die Revision ist aber unbegründet. Sie wird nach § 126 Abs. 2 FGO zurückgewiesen.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin für die Monate April und Mai 2004 kein Kindergeldanspruch für S zusteht, weil S in dieser Zeit nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet war.
a) Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
Die Vorschrift wurde durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (s. Art. 8 Nr. 5 des Gesetzes, BGBl I 2002, 4621, 4630, BStBl I 2003, 3, 12) mit Wirkung ab 1. Januar 2003 neu gefasst. Nach der auf den Streitfall anzuwendenden Neufassung braucht das volljährige Kind nicht mehr arbeitslos im Sinne des SGB III zu sein, es genügt vielmehr, dass das noch nicht 21 Jahre alte Kind nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Ziel der Gesetzesänderung war es, dass sich Kinder ohne Beschäftigung nicht ausschließlich wegen des Anspruchs auf Kindergeld beim Arbeitsamt/Agentur für Arbeit arbeitslos melden müssen (s. Bericht des federführenden Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrucks 15/91, S. 19 und Gesetzesbegründung, BTDrucks 15/26, S. 29).
Nach der Neufassung genügt --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- die Meldung als Arbeitsuchender; die übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i.S. des § 119 Abs. 1 SGB III wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit brauchen nicht mehr nachgewiesen zu werden (Schmidt/Loschelder, EStG, 27. Aufl., § 32 Rz 25; Blümich/Heuermann, § 32 EStG Rz 67). Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III vorliegen (FG Münster, Urteil vom 15. Januar 2008 14 K 5119/06 Kg, EFG 2008, 799).
b) Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status des arbeitsuchenden Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) wieder wegfällt, sind für das Kindergeld insoweit die Vorschriften des Sozialrechtes, hier insbesondere § 38 SGB III, heranzuziehen (FG München, Urteil vom 20. September 2007 5 K 1738/07, juris).
Zutreffend hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass das Kind nach § 38 SGB III bei der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit mitwirken muss. Wirkt ein Kind nicht ausreichend mit, kann die Agentur für Arbeit die Vermittlung gemäß § 38 Abs. 2 SGB III einstellen. Wenn --wie im Streitfall-- keine Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgeltes beansprucht werden, ist gemäß § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten einzustellen. Das bedeutet, dass eine einmalige Meldung des Arbeitsuchenden nur drei Monate fortwirkt. Endet die Arbeitsvermittlungspflicht der Agentur für Arbeit, ist ein Kind auch nicht mehr arbeitsuchend gemeldet, mit der Folge, dass ab dem Folgemonat der Kindergeldanspruch entfällt (FG München, Urteil vom 20. September 2007 5 K 1738/07, juris; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17. Januar 2006 3 K 109/04, juris). Auf das Entfallen des Kindergeldanspruchs in diesem Fall wird im Merkblatt Kindergeld ausdrücklich hingewiesen (Ziff. 3.2 Satz 3 des Merkblattes, BStBl I 2004, 324, 326).
§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III stellt klar, dass ein einmal an die Agentur für Arbeit gerichtetes Vermittlungsgesuch nicht ausreicht, den Wunsch nach Vermittlung dauerhaft zu dokumentieren (vgl. BTDrucks 11/800, 14). Damit ist für die Vermittlung eine Zeitgrenze gezogen worden, nach deren Ablauf die Erledigung des Gesuchs vermutet wird (Wissing/Mutschler/Bartz/ Schmidt-De Caluwe, Nomos Kommentar, Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung, § 38 SGB III Rz 28). Die Erneuerung der Arbeitsuchenden-Meldung nach § 38 Abs. 4 SGB III bedarf keiner besonderen Form (FG München, Urteil vom 14. März 2005 10 K 3837/03, EFG 2006, 750).
Der Nachweis, dass ein Kind bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist, ist über eine Bescheinigung der zuständigen inländischen Agentur für Arbeit zu führen. Insoweit ist grundsätzlich keine weitere Prüfung durch die Familienkasse erforderlich (DA-FamEStG 63.3.1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, BStBl I 2004, 743, 761).
Der gegenteiligen Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach § 38 SGB III unschädlich sei (so Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 32 Rz 25) und eine spätere --automatische-- Löschung der Meldung als Arbeitsuchender keinen Einfluss auf den Kindergeldanspruch habe (so Niedersächsisches FG, Urteile vom 17. August 2005 2 K 120/05, EFG 2006, 435, und vom 16. Juni 2006 1 K 303/05, EFG 2006, 1595; wohl auch FG Nürnberg, Urteil vom 11. April 2007 V 130/2006, juris), ist abzulehnen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der durch die Meldung begründete Status als arbeitsuchendes Kind durchgängig bestehen, darf also nicht wieder erloschen sein (FG Köln, Urteil vom 19. Oktober 2005 4 K 2103/04, EFG 2006, 829).
Der Gesetzgeber bezweckte mit der Streichung des Merkmals "arbeitslos im Sinne des SGB III" in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zum 1. Januar 2003 lediglich eine Vereinfachung. Dieser Absicht steht § 38 SGB III nicht entgegen. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn zum Zweck der Kindergeldberechtigung ab der Arbeitsuchenden-Meldung überhaupt keine weitere Mitwirkung des Kindes bis zum 21. Lebensjahr mehr erforderlich sein sollte (FG München, Urteil vom 20. September 2007 5 K 1738/07, juris; FG Köln, Urteil in EFG 2006, 829). Der Verzicht auf jegliche weitere Mitwirkungspflicht des arbeitsuchend gemeldeten Kindes kann daher nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein (Siegers, EFG 2006, 1596).
Die Vorinstanz hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dieser Auslegung nicht die im Jahr 1999 gestrichene Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III wiedereingeführt wird; denn in dieser Vorschrift waren die Bedingungen für die Zahlung von Entgeltersatzleistungen (Arbeitslosengeld) geregelt, während § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III die hier einschlägigen Regelungen für die Arbeitsvermittlung betrifft (a.A. Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2006, 435).
Bei dieser Auslegung kann offenbleiben, ob es sich bei dem Einstellungsbeschluss für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes um einen bekannt zu gebenden Verwaltungsakt handelt (so Mutschler in Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, a.a.O., § 38 SGB III Rz 20).
c) Da sich S (erstmalig) am 24. September 2003 als arbeitsuchend bei der Agentur für Arbeit gemeldet hat und diese Meldung in der Zwischenzeit nicht erneuert hat, durfte die Agentur das Bewerberangebot von S jedenfalls am 15. März 2004 löschen, so dass für die Monate April bis Juni 2004 kein Kindergeldanspruch bestand.
Ende der Entscheidung
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