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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: III R 8/07
Rechtsgebiete: BGB, UStG, EStG, FGO


Vorschriften:

BGB § 95 Abs. 1
UStG § 15a
EStG § 4 Abs. 1 Satz 2
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin und Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes (E).

E betrieb ein Großhandelsunternehmen für keramische Erzeugnisse und Glaswaren. Mit Vertrag vom 29. Juni 1970 mietete er ein Grundstück von A und errichtete darauf "Bauten und andere Anlagen". Der geänderte Mietvertrag vom 24. September 1993 war auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Der monatliche Nettomietzins betrug 435 DM zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Die durch den Mieter auf dem Grundstück errichteten Bauten und Anlagen sollten auch dann in dessen Eigentum verbleiben, wenn sie mit dem Grund und Boden fest verbunden waren (§§ 94, 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Der Mieter war verpflichtet, bei Rückgabe der Mietsache die errichteten Bauten und Anlagen ohne eine Entschädigung auf seine Kosten zu entfernen und das Grundstück wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Nachdem A das Grundstück der Klägerin und E zum Kauf angeboten hatte, erwarb es die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober 1997 zum Preis von 220.000 DM. Die darauf von E errichteten Bauten und Anlagen waren nicht Gegenstand des Kaufs.

Am 1. November 1997 schlossen die Klägerin und E einen Mietvertrag. Mietobjekt waren nunmehr neben dem erworbenen Grund und Boden auch die auf dem Grundstück errichteten Bauten und Anlagen. Als monatlicher Nettomietzins wurde ein Betrag in Höhe von 4.840 DM zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer vereinbart. Das Mietverhältnis wurde zunächst für die Dauer von zehn Jahren fest abgeschlossen; danach verlängerte es sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht vom Mieter mit einer Frist von sechs Monaten vor Ablauf schriftlich gekündigt wurde. Der Mieter verpflichtete sich, bei Beendigung des Mietverhältnisses das Mietobjekt besenrein und in einem einer normalen Abnutzung entsprechenden sowie geräumten Zustand zurückzugeben.

E buchte die Restbuchwerte der Bauten und Anlagen gewinnmindernd aus seiner Bilanz aus.

Nach einer Außenprüfung im Jahr 2002 wertete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Übergang der Bauten und Anlagen von E auf die Klägerin als private Schenkung und damit als Entnahme aus dem Betriebsvermögen. Als Teilwert der entnommenen Bauten und Anlagen setzte das FA die vom Prüfer ermittelten Werte an (insgesamt 948.000 DM). Der Prüfer hatte die tatsächlichen Herstellungskosten anhand von Baupreisindizes auf den Stichtag 1. November 1997 hochgerechnet und hiervon lineare Absetzungen für Abnutzung (AfA) abgezogen, denen eine Nutzungsdauer von 60 bzw. 80 Jahren zugrunde lag. Das FA änderte dementsprechend den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1997, den Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1997 und die Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 1999. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 27. September 2005 2 K 2816/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1183) ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, E habe das bürgerlich-rechtliche Eigentum an den Bauten und Anlagen --als Scheinbestandteile des Grundstücks i.S. von § 95 Abs. 1 BGB-- unentgeltlich und aus privaten Gründen auf die Klägerin übertragen und habe diese damit entnommen. Ein betrieblicher Anlass für die Eigentumsübertragung habe nicht bestanden. Dem Antrag, die Entnahme durch einen unabhängigen Sachverständigen feststellen zu lassen, habe nicht entsprochen werden müssen, weil die Beurteilung, ob es sich um eine Entnahme handele, eine durch das FG vorzunehmende rechtliche Würdigung des Sachverhalts darstelle.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Es liege keine Entnahme vor. Das bürgerlich-rechtliche Eigentum am Grundstück erstrecke sich im Allgemeinen auch auf die darauf stehenden Gebäude. Da E nach dem Mietvertrag kein Ausgleichsanspruch gegen A zugestanden habe, seien die Gebäude ohne eine Entschädigung an E auf sie, die Klägerin, übergegangen. E habe das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum durch Beendigung des Mietverhältnisses mit A verloren und deshalb die Restbuchwerte der Gebäude gewinnmindernd ausgebucht. Das FG habe zudem seine Sachaufklärungspflicht verletzt und kein rechtliches Gehör gewährt. Es habe dem Antrag auf Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Bewertung eines eventuellen Entnahmegewinns nicht entsprochen, sondern die Wertermittlung des Prüfers zugrunde gelegt, der nicht über die notwendigen Kenntnisse zur Bewertung von Bauten verfügt habe. Die Höhe der eventuellen Entnahme habe mangels geeigneter Berechnungsgrundlagen nicht nachvollzogen und damit auch nicht angegriffen werden können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2003 aufzuheben und unter Änderung des Bescheides über die Gewinnfeststellung 1997 vom 9. Dezember 2002, des Gewerbesteuermessbescheides 1997 vom 2. Januar 2003 sowie des Bescheides über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1997 vom 2. Januar 2003 einen Gewinn von 878.657,65 DM zugrunde zu legen und unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1997, 1998 und 1999 vom 2. Januar 2003 den Vorsteuerabzug nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes nicht zu berichtigen,

hilfsweise, die Höhe des Entnahmewertes durch einen unabhängigen Sachverständigen feststellen zu lassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Das finanzgerichtliche Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass E sein Eigentum an den Bauten und Anlagen unentgeltlich auf die Klägerin übertragen und damit seinem Betriebsvermögen entnommen hat. Das Eigentum ist nicht durch den Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin untergegangen.

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.

b) E war zivilrechtlicher Eigentümer der auf dem gemieteten Grundstück errichteten Bauten und Anlagen. Errichtet jemand im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einem fremden Grundstück ein Gebäude, ist zwar grundsätzlich der Grundstückseigentümer zivilrechtlicher Eigentümer des Gebäudes, da die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nicht zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören Gebäude jedoch dann, wenn sie der Bauende nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden hat --sog. Scheinbestandteile-- (§ 95 Abs. 1 BGB). Errichtet ein Mieter --wie im Streitfall-- Bauten und andere Anlagen auf dem gemieteten Grundstück, ist nach der Rechtsprechung widerlegbar zu vermuten, dass dies nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck geschieht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Januar 2004 IX R 54/99, BFH/NV 2004, 1088, m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

Im Streitfall wird diese Vermutung durch die Vereinbarungen in dem Mietvertrag mit A bestätigt. Danach waren Bauten und Anlagen des E nur für die Dauer des Mietvertrages zulässig; sie wurden sein Eigentum, auch wenn sie mit dem Grund und Boden fest verbunden sind. Außerdem war E verpflichtet, nach Beendigung des Mietverhältnisses die von ihm errichteten Bauten und Anlagen auf seine Kosten ohne eine Entschädigung zu entfernen.

c) E hat sein Eigentum an den Bauten und Anlagen auch nicht dadurch verloren, dass A das Grundstück an die Klägerin verkauft hat. Die Klägerin erwarb aufgrund dieses Vertrags lediglich das Eigentum an Grund und Boden und trat als Rechtsnachfolgerin in den zwischen A und E bestehenden Mietvertrag ein (vgl. § 581 Abs. 2, § 566 Abs. 1 BGB).

d) E hatte vor Abschluss des Mietvertrags mit der Klägerin die Bauten und Anlagen durch stillschweigende Einigungserklärungen nach § 929 BGB auf die Klägerin übereignet (Palandt/ Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 95 Rz 1). Denn ohne vorherige Übereignung ist nicht erklärbar, dass sich der neue Mietvertrag auch auf die Bauten und Anlagen erstreckte und hierfür eine monatliche Nettomiete von 4.880 DM vorsah. Dies ist deutlich mehr als die nach dem Mietvertrag mit A zu zahlende monatliche Miete von netto 435 DM für die Vermietung des Grund und Bodens. Auch die Formulierung im Mietvertrag mit der Klägerin, E habe bei Beendigung das Mietobjekt besenrein und einer normalen Abnutzung entsprechend sowie in geräumtem Zustand zurückzugeben und die Bauten und Anlagen nicht zu entfernen, spricht dafür, dass das Eigentum daran auf die Klägerin übergegangen war. Dies führte zu einer Entnahme der Bauten und Anlagen durch E (BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 22/98, BFHE 188, 304, BStBl II 1999, 523, unter II. a).

2. Entnahmen sind mit dem Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen für eine revisionsrechtliche Prüfung des vom FA angesetzten Teilwerts jedoch nicht aus. Dies ist ein materieller Fehler, der zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG führt (Senatsurteile vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, unter II.3.; vom 17. Juli 2008 III R 98/06, BFH/NV 2009, 131, unter II.2.).

Das FG hat im Tatbestand des Urteils wegen der Ermittlung der Teilwerte auf die Berechnung des Prüfers Bezug genommen, sich im Übrigen aber mit der Höhe des Teilwerts nicht auseinandergesetzt. Die Berechnung des Prüfers, die sich das FG zu Eigen gemacht hat, ist aber ohne weitere Angaben nicht nachzuvollziehen. Zwar handelt es sich bei der Ermittlung des Teilwerts um eine Schätzung, die zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. von § 118 Abs. 2 FGO gehört und die der BFH deshalb nur daraufhin überprüfen kann, ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat. Die Überprüfung einer Schätzung auf Schlüssigkeit und Plausibilität ist aber nur möglich, wenn aus der Schätzung erkennbar ist, von welcher Schätzungsmethode das FG ausgegangen ist. Werden wie hier Bauindizes verwendet, müssen diese erläutert werden. Ein allgemeiner Hinweis auf das Statistische Jahrbuch reicht nicht aus. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum den linearen AfA eine Nutzungsdauer von 60 bzw. 80 Jahren zugrunde gelegt wurde. Zudem wurde bei der Schätzung des Teilwerts offensichtlich nicht berücksichtigt, dass der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses die errichteten Bauten und Anlagen ohne eine Entschädigung auf seine Kosten zu entfernen und das Grundstück wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen hatte. Ein gedachter Erwerber, der den Betrieb fortgeführt hätte, wäre deshalb möglicherweise nicht bereit gewesen, für die Bauten und Anlagen einen Preis in Höhe der Herstellungskosten zum Zeitpunkt des Erwerbs abzüglich linearer AfA zu zahlen.

3. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das FG für die Schätzung des Teilwerts zu ermitteln haben, ob es bisher nicht festgestellte Zusatzvereinbarungen zwischen A und dem Kläger (§ 566 BGB) oder sonstige Umstände gab, die das Risiko ausschlossen oder wesentlich verminderten, dass bei Beendigung des Mietverhältnisses die errichteten Bauten und Anlagen entschädigungslos zu entfernen waren. Lagen derartige Umstände nicht vor, hätte ein gedachter Erwerber, der den Betrieb fortgeführt hätte, für die Bauten und Anlagen wegen des möglichen entschädigungslosen Eigentumsverlustes wesentlich weniger gezahlt. Dieser an dem Risiko des Eigentumsverlustes infolge Kündigung des Mietvertrages orientierte Abschlag müsste vom FG geschätzt werden. Sollte es nicht mehr möglich sein, die Tatsachen festzustellen, die eine Bewertung dieses Risikos erlauben, so kommen die Buchwerte als mögliche Untergrenze in Betracht, da E keine Teilwertabschreibung begehrt hatte und er die Buchwerte daher offensichtlich als kaufmännisch richtig angesehen hatte.

4. Da das Urteil des FG bereits aus materiellen Gründen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Verfahrensrügen der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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