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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: III R 82/06
Rechtsgebiete: InvZulG 1999, EStG


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 2
EStG § 5 Abs. 2
EStG § 6 Abs. 2
Auf Datenträgern (hier: CDs) in Form von Zahlenkolonnen gespeicherte Koordinaten des Gebäudebestandes der Bundesrepublik (sog. Geopunkte) sind immaterielle Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung keine Investitionszulage gewährt wird.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erstellt unter Verwendung primärer Geodaten (sog. Geopunkte) für Computer verarbeitbare "geocodierte Objekte". Diese werden z.B. in digitalen Karten für Navigationssysteme, bei der Immobilienbewertung oder der Raumplanung eingesetzt. Die benötigten Rohdaten ließ die Klägerin für ... Mio. DM von einer Fremdfirma auf der Grundlage eines im Jahr 2000 abgeschlossenen Werkvertrages erheben. Das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an den Geopunkten steht der Klägerin zu; sie durfte die Daten auch vervielfältigen, entgeltlich Dritten überlassen, bearbeiten und ändern.

Zur Erhebung der Rohdaten fertigte der Werkunternehmer zunächst sich überlappende Luftbilder der gesamten Erdoberfläche der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) an. Die Aufnahmen wurden zur Beseitigung von Verzerrungen bearbeitet und daraus mit Hilfe der geografischen Längen- und Breitengrade die nach dem Werkvertrag bestellten Koordinaten (Geopunkte) des Gebäudebestandes der Bundesrepublik --ca. 16 Millionen Gebäudemittelpunkte-- ermittelt. Jede einzelne Gebäudekoordinate ist mittels der geografischen Längen- und Breitengrade mathematisch bestimmbar und lässt sich so unabhängig von den zur Erhebung benötigten Landkarten darstellen.

Die Koordinaten erhielt die Klägerin in Form von auf mehreren CD-ROMs gelisteten Zahlenkolonnen. Die Datenträger enthalten keine Systemprogramme oder Befehlsstrukturen. Ihr Inhalt ist auf die Speicherung der die Koordinaten bestimmenden mathematischen Werte in Form von Zahlenfolgen beschränkt. Die so bezogenen Koordinaten gaben Mitarbeiter der Klägerin selektiv in ein von ihr entwickeltes Softwareprogramm ein. Hierzu wurden die Koordinaten entweder als Listen ausgedruckt oder am Monitor dargestellt. In beiden Fällen wurde dann jede einzelne Koordinate manuell zur Weiterverarbeitung in das Programm der Klägerin eingegeben. Hierbei wurde nochmals die Übereinstimmung der tatsächlichen Gebäudemittelpunkte mit den Koordinaten überprüft und, soweit erforderlich, vor Ort die Lage der Geopunkte abgeglichen. Weiter wurde die Verknüpfung der Geodaten zu den geocodierten Objekten durch Hinzufügen spezifischer Sachangaben hergestellt, z.B. Straßennamen, Hausnummern, Städtenamen oder Postleitzahlen.

Im Jahr 2000 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--), um die Förderbarkeit des Erwerbs der Geopunkte nach dem Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) zu klären. Unter Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Auskunft antwortete das FA, es sehe die CD-ROMs mit den Geopunkten als bewegliche Wirtschaftsgüter an.

Die Klägerin beantragte im April 2001 eine Investitionszulage in Höhe von 25 v.H. für die ersten, im Kalenderjahr 2000 angeschafften Geopunkte. Das FA reduzierte den Zulagensatz auf 20 v.H., weil die Investition schon 1999 begonnen worden sei. Die Zulage für die Anschaffungskosten der Geopunkte setzte es unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 1. August 2001 fest.

Im April 2002 beantragte die Klägerin auch für die im Jahr 2001 angeschafften Geopunkte eine Investitionszulage in Höhe von 25 v.H. der Anschaffungskosten von ... DM. Im Gegensatz zum Vorjahr gelangte das FA zu der Überzeugung, dass es sich bei den Geopunkten um nicht förderbare immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Es lehnte die Gewährung insoweit ab und forderte die Investitionszulage für die im Jahr 2000 angeschafften Geopunkte zurück. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es entschied mit Urteil vom 18. Juli 2006 II 849/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1855), dass es sich bei den auf CD-ROM gespeicherten Geopunkten um ein materielles Wirtschaftsgut handele.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 InvZulG 1999). Die Anschaffung immaterieller Wirtschaftsgüter werde nach dieser Vorschrift nicht gefördert. Bei den Geodaten handele es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter, denn es sei der Klägerin bei der Anschaffung allein auf die nichtkörperlichen Daten und nicht auf die stoffliche Verkörperung, d.h. die CD-ROMs, angekommen. Der gezahlte Preis stehe zu dem Materialwert der Datenträger außer Verhältnis. Das vertraglich ausbedungene Alleinverwertungsrecht der Klägerin regele, dass der Veräußerer bzw. Werkunternehmer die Daten nicht ein weiteres Mal kopieren und an Dritte veräußern dürfe. Es habe sich nicht auf die Materialisierung bezogen, da eine so verstandene Klausel wegen des Eigentumserwerbs der Klägerin überflüssig gewesen wäre. Die Datensammlung habe für die Klägerin die Basis weiterer Geschäfte begründet und ihr ein "Alleinstellungsmerkmal" im Wettbewerb verschafft.

Das FA beantragt,

das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Geopunkte beruhten nicht auf geistig-schöpferischen Leistungen. Sie würden vielmehr aufwendig in manueller Form erstellt; dies sei eine Tätigkeit auf niedrigem geistigem Niveau. Da es auf die Körperlichkeit nicht ankomme, die Daten nicht nach bestimmten Kriterien selektiert werden könnten und ihr Wert die Herstellungskosten widerspiegele, handele es sich nicht um immaterielle Wirtschaftsgüter. Dies werde dadurch bestätigt, dass digitale Druckvorlagen nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. April 2007 (BStBl I 2007, 458) als materielle Wirtschaftsgüter zu behandeln seien.

II.

Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei den auf CD-ROM gespeicherten Geopunkten um immaterielle Wirtschaftsgüter.

1.

Für die Anschaffung und Herstellung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter wird nach Maßgabe des § 2 InvZulG 1999 eine Investitionszulage gewährt. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind keine beweglichen Wirtschaftsgüter und investitionszulagenrechtlich nicht begünstigt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 3. Juli 1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728, Standardsoftware; vom 28. Juli 1994 III R 47/92, BFHE 175, 184, BStBl II 1994, 873, m.w.N., Systemsoftware).

Materielle Wirtschaftsgüter sind körperliche Gegenstände, wie z.B. Sachanlagen, Grundstücke, Gebäude, Maschinen, maschinelle Anlagen, Kraftfahrzeuge, Betriebsvorrichtungen, Geschäftsausstattungen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Ohne Bedeutung ist, ob es sich dabei um Sachen i.S. des § 90 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), Bestandteile von Sachen gemäß § 93 BGB oder Zubehör nach § 97 BGB handelt. Immaterielle Wirtschaftsgüter unterscheiden sich von den materiellen Wirtschaftsgütern durch ihre "Unkörperlichkeit"; es handelt sich zumeist um "geistige Werte" (z.B. Ideen) und Rechte (Berechtigungen). Immaterielle Wirtschaftsgüter sind z.B. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte, Lizenzrechte, aber auch ungeschützte Erfindungen, Software, Rechte aus vertraglichen Wettbewerbsverboten, Belieferungsrechte, Kauf- und Verkaufsoptionen sowie der Geschäftswert (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Dezember 2006 GrS 1/05, BFHE 216, 168, BStBl II 2007, 508, m.w.N.).

Zur Einordnung von Wirtschaftsgütern mit materiellen und immateriellen Komponenten, die nicht nur für die Investitionszulage, sondern z.B. auch für das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), für geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 EStG sowie die Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen im Umsatzsteuerrecht von Bedeutung ist, wird vorrangig auf das wirtschaftliche Interesse abgestellt, d.h. wofür der Kaufpreis gezahlt wird (Wertrelation) und ob es dem Erwerber überwiegend auf den materiellen oder den immateriellen Gehalt ankommt (BFH-Urteile vom 20. November 1970 VI R 44/69, BFHE 100, 555, BStBl II 1971, 186, Filme; vom 22. Mai 1979 III R 129/74, BFHE 128, 289, BStBl II 1979, 634, Prototypen; vom 14. Juni 1985 V R 11/78, BFH/NV 1985, 58, Werbefilme; vom 2. September 1988 III R 38/84, BFHE 154, 573, BStBl II 1989, 160, Datenträger mit Adressen; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 5 Rz 171).

Daneben wird auch danach unterschieden, ob der Verkörperung eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob sie lediglich als "Träger" den immateriellen Gehalt festhalten soll (Wolffgang, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz C 69 ff., C 76, m.w.N.). Bei Büchern und Tonträgern wird angenommen, dass durch Festhalten geistiger Inhalte auf einem materiellen Gegenstand und dessen Vervielfältigung eine Umwandlung stattfinde und die immaterielle Eigenschaft infolge der Häufigkeit der Materialisierung untergehe (Wolffgang, a.a.O., § 5 Rz C 79). Standardsoftware wird ähnlich einem Buch oder einer Schallplatte ebenfalls als materielles Wirtschaftsgut oder als Ware angesehen (Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 29. Januar 2008 5 K 2543/04 B, EFG 2008, 1020, bestätigt durch BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 22/08, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; R 5.5 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 2007).

Im Streitfall hat die Klägerin danach ein immaterielles Wirtschaftsgut erworben. Ihr wirtschaftliches Interesse richtete sich auf die speziell für sie zu erhebenden Daten (Geopunkte), deren Lagegenauigkeit und Ermittlungszeitraum vertraglich geregelt waren, und die nur sie verwerten durfte. Der an den Werkunternehmer gezahlte Preis spiegelt nicht den Wert der 12 CDs wider, die lediglich als Träger der nicht körperlichen Daten dienten, sondern überstieg diesen um ein Vielfaches. Eine höhere oder geringere Anzahl von CDs hatte nach der ausdrücklichen Regelung in § 3 des Werkvertrages auch keinen Einfluss auf den Preis, der sich durch den für die Erfassung der Geopunkte --nicht den für die Herstellung der CDs-- benötigten hohen Aufwand und das dafür erforderliche Know-how rechtfertigte. Das Fehlen von Befehlsstrukturen auf den CDs, z.B. zur Selektierung einzelner Daten, verleiht den Datensätzen keine Körperlichkeit und den CDs damit nicht den Charakter materieller Wirtschaftsgüter.

Der Sachverhalt ist danach mit der Beauftragung eines Dritten mit besonders beschriebenen Forschungs-, Entwicklungs- oder Messarbeiten vergleichbar (vgl. z.B. Sächsisches FG, Urteil vom 6. Oktober 2004 4 K 172/02, EFG 2005, 1217, rkr., Prototyp eines Flugzeugmotors); trotz Verkörperung der Arbeitsergebnisse auf Papier oder einem elektronischen Datenträger wird in derartigen Fällen ein immaterielles Wirtschaftsgut erworben.

Ob "Computer to Plate"-Druckvorlagen im BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 458 zutreffend als materielle Wirtschaftsgüter beurteilt werden, ist für die Entscheidung des Streitfalles nicht erheblich.

Ende der Entscheidung

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