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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: III R 9/07
Rechtsgebiete: InvZulG 1996


Vorschriften:

InvZulG 1996 § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
Personen, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz in einem Betrieb tätig werden, sind Arbeitnehmer im Sinne des Investitionszulagenrechts und deshalb miteinzubeziehen, soweit es für die erhöhte Investitionszulage auf die Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ankommt.
Gründe:

I.

Der Revisionskläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der vormaligen Klägerin und Revisionsklägerin, einer GmbH & Co. KG (KG), in deren Betrieb im Streitjahr 1995 neben 240 "regulären" Arbeitnehmern auch 12 im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) beschäftigte Personen arbeiteten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte im geänderten Investitionszulagenbescheid für 1995 die Festsetzung erhöhter Investitionszulage ab, weil die KG mehr als 250 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigt habe. Der Einspruch der KG blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, bei den 12 ABM-Kräften handele es sich nach der auch für das Investitionszulagenrecht maßgeblichen Norm des § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) ebenfalls um Arbeitnehmer.

Zur Begründung der Revision wird vorgetragen, die Steuerverwaltung beziehe Auszubildende nicht in den Schwellenwert ein und halte sich insoweit selbst nicht an § 1 LStDV. ABM hätten vorrangig arbeitsmarkt- und sozialpolitische Ausrichtung. Sie dienten vornehmlich der Erhaltung oder Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit arbeitsloser Arbeitnehmer. Auf die nach Abstimmung mit der EU für die Bestimmung des zulagenrechtlichen Schwellenwertes maßgebenden Kriterien wie Umsatz, Marktposition, Managementstrukturen und Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen hätten ABM-Kräfte keinen Einfluss. ABM würden nach den §§ 260 bis 271 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) nur gefördert, wenn die zu verrichtenden Arbeiten zusätzlich anfielen und im öffentlichen Interesse lägen. ABM-Kräfte würden nicht vom Unternehmen eingestellt und entlassen, sondern vom Arbeitsamt zugewiesen und abberufen; das Unternehmen habe nach den Vorschriften des SGB III die Funktion des Trägers der ABM. Eine Einbeziehung der ABM-Kräfte in den Schwellenwert stände dem Förderzweck der ABM-Maßnahme entgegen.

Der Revisionskläger beantragt, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des geänderten Investitionszulagenbescheids für 1995 eine weitere Investitionszulage in Höhe von ... € festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

Nach zutreffender Entscheidung des FG steht dem Revisionskläger die erhöhte Investitionszulage nicht zu, weil auch die ABM-Kräfte Arbeitnehmer im Sinne des Investitionszulagenrechts sind und durch sie die für erhöhte Investitionszulage maßgebende Arbeitnehmerzahl überschritten wurde.

Die hier beanspruchte erhöhte Investitionszulage setzt nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996, das auf das Streitjahr 1995 anzuwenden ist (§ 11 Abs. 1 InvZulG 1996), voraus, dass der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigte, die Arbeitslohn, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld oder Winterausfallgeld bezogen.

a) Das InvZulG 1996 definiert den Begriff des Arbeitnehmers nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die im Investitionszulagenrecht verwendeten Begriffe nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen lässt (Senatsurteil vom 26. Januar 2006 III R 5/04, BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771, m.w.N.).

Auch nach der Gesetzesbegründung soll der Begriff des Arbeitnehmers nach steuerlichen Grundsätzen auszulegen sein (BTDrucks 12/7427, S. 34). Maßgeblich ist die in § 1 LStDV enthaltene Begriffsbestimmung (Rosarius, Investitionsförderung Handbuch, § 2 InvZulG 1999 Rz 189). Arbeitnehmer sind danach u.a. Personen, die in privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind und dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft schulden; dies ist der Fall, wenn die Personen in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers stehen oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sind.

b) Die ABM-Kräfte sind Arbeitnehmer in diesem Sinne. Das FG hat festgestellt, dass sie ihre Arbeitskraft der insolvent gewordenen KG aufgrund eines mit dieser geschlossenen Vertrages schuldeten, dass sie unter deren Leitung standen und von ihr den Arbeitslohn bezogen. Daraus hat das FG zutreffend gefolgert, dass die Voraussetzungen des § 1 LStDV erfüllt seien.

c) Die tatsächlichen und arbeitsrechtlichen Besonderheiten der ABM, bei denen der Arbeitgeber als Träger im Sinne des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Förderungsleistungen der Arbeitsverwaltung erhält, um Arbeitsgelegenheiten für arbeitslose Arbeitnehmer zu schaffen, führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Weder die Tatsache, dass die Arbeitnehmer von der Agentur für Arbeit zugewiesen werden müssen (§ 267a SGB III), noch die besonderen Kündigungsrechte und Befristungsmöglichkeiten (vgl. ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rz 64) widersprechen den maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen des § 1 LStDV. Dies gilt auch für die Bezuschussung der Lohnkosten (§ 260, § 264 SGB III) und die Einschränkungen hinsichtlich der förderbaren Maßnahmen (§ 261 SGB III) und der förderungsbedürftigen Arbeitnehmer (§ 263 SGB III).

Gegenüber den "regulären" Arbeitnehmern deutlich herabgesetzte Einsatzmöglichkeiten und eine niedrigere Wertschöpfung rechtfertigen es nicht, ABM-Kräfte trotz Vorliegens der Merkmale des § 1 LStDV bei der Prüfung des Schwellenwertes des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996 nicht mitzuzählen. Eine Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit und Einsatzbreite der Arbeitnehmer lässt sich mit dem nur auf die Zahl abstellenden Gesetzeswortlaut nicht vereinbaren. d) Der Revisionskläger kann sich nicht auf die Behandlung der Auszubildenden durch die Steuerverwaltung berufen. Darüber, ob Auszubildende als Arbeitnehmer i.S. des § 1 LStDV zu beurteilen sind, ist im Streitfall nicht zu entscheiden. Dass die Steuerverwaltung Auszubildende bei der Ermittlung des Schwellenwerts anscheinend nicht als Arbeitnehmer einbezieht (vgl. Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 2. Juli 1998 IV 300-InvZ 1260-30/98, juris; dagegen Rosarius, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1998, 555), bindet den Senat nicht bei der Auslegung, ob ABM-Kräfte die Tatbestandsmerkmale des § 1 LStDV erfüllen.

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