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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.06.1998
Aktenzeichen: III R 94/96
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 33c Abs. 1 Satz 1
EStG § 33c Abs. 3 Satz 1
EStG § 53b Abs. 2
EStG § 33c
EStG § 33c Abs. 1
EStG § 33 Abs. 2
BGB § 675
BGB § 611
BGB § 613
BGB § 241 Satz 1
BGB § 662
BGB § 670
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der alleinstehende Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte mit am 30. Dezember 1985 bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) eingegangenem Antrag für die Streitjahre (1980 und 1981) Aufwendungen für die Betreuung seines 1971 geborenen Sohnes in Höhe von 7 200 DM (1980) bzw. 6 600 DM (1981) als außergewöhnliche Belastung geltend und beantragte die Änderung der entsprechenden Einkommensteuerbescheide. Da der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen keinen Nachweis über die Aufwendungen erbrachte, lehnte das FA sein Begehren ab. Das Einspruchsverfahren war insoweit erfolgreich, als das FA für jedes Streitjahr Kinderbetreuungskosten in Höhe des Pauschbetrages von 480 DM berücksichtigte. Zur Begründung seines Einspruchs hatte der Kläger vorgetragen, bei den Aufwendungen handele es sich um die Erstattung von Taxikosten, die seiner im November 1981 im Alter von 82 Jahren verstorbenen Großmutter im Zusammenhang mit der Betreuung seines Sohnes entstanden seien. Im Klageverfahren ergänzte der Kläger seinen Vortrag dahingehend, daß er auf die Hilfe der Großmutter angewiesen gewesen sei, weil er für seinen Sohn weder einen Kindergartenplatz noch eine Pflegestelle habe finden können. Auch seine mit der Großmutter zusammenlebende Mutter habe den Sohn nicht betreuen können, da sie ebenfalls berufstätig gewesen sei. Schriftliche Vereinbarungen hätten nicht bestanden. Die Kosten für die Taxen seien der Großmutter für die Fahrten zu seiner Wohnung entstanden und von ihm jeweils erstattet worden. Er habe die Großmutter nicht in seine Wohnung aufnehmen können, da diese nur aus zwei Zimmern bestanden habe.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage unter Bezugnahme auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 10. April 1992 III R 184/90 (BFHE 167, 436, BStBl II 1992, 814) statt und berücksichtigte die im Klageverfahren mit jeweils 4 000 DM geltend gemachten Aufwendungen in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung nach § 33c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659) --EStG--. Zur Begründung seines (in Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 527 veröffentlichten) Urteils führte das FG u.a. aus: Es bejahe auch die vom FA in den Vordergrund gerückte Frage, ob die streitigen Aufwendungen solche für Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes seien. Denn hierzu gehörten die der Betreuungsperson erstatteten Auslagen auch dann, wenn diese die Betreuungsleistung unentgeltlich erbringe und es sich bei ihr um eine nahe Angehörige des Steuerpflichtigen handele.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, zu deren Begründung im wesentlichen ausgeführt wird: Es werde dem FG dahingehend gefolgt, daß die Beweisnot des Klägers diesem im Hinblick auf die rückwirkend getroffene Regelung des § 33c EStG selbst im Falle der Kinderbetreuung durch Angehörige nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Das Fehlen des Nachweises eindeutiger Vereinbarungen und der Kostenbelege werde deshalb im Streitfall nicht als schädlich erachtet. Hingegen müsse die Auffassung des FG, es handele sich bei den streitigen Aufwendungen um solche für Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes i.S. des § 33c EStG, abgelehnt werden. Es treffe zwar zu, daß der Gesetzestext das Wort "entgeltlich" nicht enthalte. Das Erfordernis der Entgeltlichkeit ergebe sich jedoch aus dem Begriff der Dienstleistung selbst; denn Dienstleistungen könnten nur im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags oder Dienstverhältnisses erbracht werden, deren wesentliche Grundlage die Vereinbarungen sowohl über die Dienstleistung als auch das Entgelt darstellten. Nicht nur die Verwaltung --wie die Regelungen in dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 10. Mai 1985 IV B 5 -S 2288a- 4/85 (BStBl I 1985, 189) und in Abschn. 195 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien zeigten-- sondern auch der Bundesfinanzhof --BFH-- (in seiner Entscheidung in BFHE 167, 436, BStBl II 1992, 814) grenze bei der Auslegung des Begriffs der Dienstleistung in § 33c Abs. 1 EStG Tätigkeiten, die aufgrund einer Verpflichtung oder freiwillig erbracht werden, von den auf familienrechtlicher Grundlage verrichteten Tätigkeiten ab. Stimmen in der Literatur hielten ebenfalls das Vorliegen eines Dienstverhältnisses für erforderlich, wenn auch keine Einigkeit über die Art dieses Dienstverhältnisses bestehe (Hinweis auf Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 33c EStG Anm. 40 f.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 33c Anm. 3 a; Schmidt/Glanegger, a.a.O., 12. Aufl., § 33c Anm. 3 a).

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die der Großmutter des Klägers erstatteten Fahrtkosten als Kinderbetreuungskosten berücksichtigt.

Nach § 33c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG sind --neben anderen, im Streitfall nicht streitigen Voraussetzungen-- Aufwendungen eines Alleinstehenden für erwerbsbedingte Dienstleistungen zur Betreuung seines zu seinem Haushalt gehörenden Kindes bis zu einem Höchstbetrag von 4 000 DM abziehbar. Der erkennende Senat hat durch sein Urteil in BFHE 167, 436, BStBl II 1992, 814 entschieden, daß der Begriff der Dienstleistung in § 33c Abs. 1 EStG jede Tätigkeit umfaßt, die aufgrund einer von vornherein bestehenden oder freiwillig eingegangen Verpflichtung, nicht jedoch auf familienrechtlicher Grundlage erbracht wird, wobei die Vereinbarung über eine Geschäftsbesorgung i.S. von § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) genügen kann. Er hat bei Dienstleistungen von Angehörigen des Steuerpflichtigen außerdem verlangt, daß die zwischen den Beteiligten getroffene Abrede dem zwischen fremden Dritten Üblichen entspricht.

Entgegen der Ansicht des FG hält der Senat eine erweiternde Auslegung der aus mehreren Einzelbegriffen zusammengesetzten Tatbestandsvoraussetzung "Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung" in dem Sinne, daß auch Aufwendungen im Rahmen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses abziehbar sind, nicht für geboten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar entschieden, daß es das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit grundsätzlich erfordere, Aufwendungen, die Alleinstehende für die Betreuung ihrer Kinder erbringen müssen, soweit sie zwangsläufig sind (§ 33 Abs. 2 EStG), in der tatsächlichen Höhe steuerlich als Minderung des Einkommens zu berücksichtigen (Urteil vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u.a., BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717 unter C. II. 2.). Das bedeutet indes nicht, daß sämtliche im Zusammenhang mit der Betreuung des Kindes stehenden Aufwendungen (im Rahmen der Höchstbeträge) zu einer steuerlichen Entlastung führen müssen. Mit der Vorschrift des § 33c EStG ist der Gesetzgeber dem Auftrag des BVerfG in der vorgenannten Entscheidung gefolgt. Er hat jedoch ausdrücklich nur solche Aufwendungen zum Abzug zugelassen, die Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung darstellen. Bei der Regelung, wie die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu ermitteln und wie ihr Rechnung zu tragen ist, läßt das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes und das ihm zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit dem Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Zur reinen Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist der Gesetzgeber bei der Einkommensteuer von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, wie das BVerfG für Aufwendungen zur Einkommenserzielung ausgesprochen hat (BVerfG-Beschluß vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140 --Kilometer-Pauschale--). Die gesetzliche Beschränkung der Abziehbarkeit von Aufwendungen zur Kinderbetreuung auf solche für eine Dienstleistung oder im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ist danach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Eine Dienstleistung i.S. von § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG umfaßt jede Tätigkeit, die aufgrund einer öffentlich- oder bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung erbracht wird. Wie der gleichlautende bürgerlich-rechtliche Begriff (z.B. in §§ 611, 613 BGB) setzt auch der Dienstleistungsbegriff in § 33c Abs. 1 EStG ein Schuldverhältnis voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt ist, die Betreuung des Kindes zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB), und der oder die "Betreuende" die vereinbarte Vergütung oder aber auch nur einen Aufwendungsersatzanspruch (z.B. nach §§ 662, 670 BGB) geltend machen kann. Gerade im Bereich der hier zu beurteilenden Aufwendungen sind Betreuungsleistungen auf familiärer Basis oder aus Gefälligkeit durchaus üblich, so daß das Vorliegen eines ernstgemeinten, gegenseitig berechtigenden und verpflichtenden Schuldverhältnisses schon deshalb erforderlich ist, um der Gefahr einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Vorschrift für den Abzug von ihrer Art und Höhe nach nicht zwangsläufigen Kosten zu begegnen.

Unter den im Streitfall gegebenen besonderen Umständen ist davon auszugehen, daß es sich bei der von der Großmutter des Klägers übernommenen Beaufsichtigung des Kindes nicht um eine außerhalb der Rechtssphäre liegende Gefälligkeit gehandelt hat, sondern um eine darüber hinausgehende unentgeltliche Geschäftsbesorgung (i.S. von § 662 BGB). Nachdem seine Bemühungen um einen Kindergartenplatz oder eine Pflegestelle offensichtlich ohne Erfolg geblieben waren, befand sich der Kläger in einer gewissen Zwangslage, für den Sohn eine andere geeignete Aufsichtsperson zu finden, was auch für die Großmutter bei der Übernahme der Betreuung erkennbar war. Der Kläger mußte und durfte daher darauf vertrauen, daß seine Großmutter sich während seiner täglichen Abwesenheit zuverlässig und regelmäßig um das Kind kümmerte, und die Großmutter durfte dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Anderenfalls hätte sie die Übernahme der Betreuung ablehnen müssen. Es ist somit der Wille der Großmutter anzunehmen, sich rechtlich zu binden und sich zu der Erbringung der erwünschten Leistung zu verpflichten. Auch die dadurch dem Kläger entstandenen erheblichen Kosten (Aufwendungsersatz nach § 662 i.V.m. § 670 BGB) zeigen, daß das Verhältnis zwischen den Beteiligten über eine im Alltag übliche Gefälligkeit hinausgeht. Der Senat geht dabei davon aus, daß hohe Aufwendungen für Taxikosten wie im Streitfall in der Regel auch von einem nahen Angehörigen wie der Großmutter des Steuerpflichtigen nicht ohne Verpflichtung des anderen Beteiligten, hier des Klägers, zur Kostenerstattung erbracht werden.

Ende der Entscheidung

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