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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.12.1998
Aktenzeichen: III S 11/98
Rechtsgebiete: InvZulG 1975, AO 1977, FGO, VwVfG


Vorschriften:

InvZulG 1975 § 2
InvZulG 1975 § 1
InvZulG 1975 § 5 Abs. 6
InvZulG 1975 § 2 Abs. 1
AO 1977 § 175
AO 1977 § 171 Abs. 10
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AO 1977 § 170 Abs. 3
AO 1977 § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2
VwVfG § 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Antragsteller (Kläger) ist seit dem Jahre 1985 Rechtsnachfolger einer Kommanditgesellschaft (KG). Dieser wurden für die Streitjahre 1978 bis 1980 auf Antrag, dem eine Bescheinigung des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft (Bundesamt) vom 4. Juli 1979 nach § 2 des Investitionszulagengesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (InvZulG 1975) beigefügt war, für die Erweiterung ihrer Betriebsstätte vom Beklagten, Revisionskläger und Antragsgegner (Finanzamt --FA--) nach § 1 InvZulG 1975 Investitionszulagen in Höhe von ... DM für 1978, von ... DM für 1979 und von ... DM für 1980 gewährt (Bescheide vom 5., 13. November 1980 und vom 14. Dezember 1983).

Nachdem das Bundesamt mit Schreiben vom 20. Juli 1988 seine 1979 erteilte Bescheinigung zurückgenommen hatte, weil die KG die im Rahmen der Betriebserweiterung zugesagte Schaffung von zehn weiteren Dauerarbeitsplätzen nicht verwirklicht hatte, hob das FA die Investitionszulagenbescheide für die Streitjahre unter gleichzeitiger Rückforderung der gewährten Zulagen und Zinsfestsetzung mit Bescheiden vom 10. Juli 1989, die nach den Aktenverfügungen am selben Tag zur Post gegeben wurden, unter Hinweis auf § 175 der Abgabenordnung (AO 1977) auf. Nach der Mitteilung des Klägers, die Bescheide vom 10. Juli 1989 nicht erhalten zu haben, wurden die Rückforderungsbescheide dem Kläger am 4. Oktober 1989 mit gleichem Inhalt zugestellt.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Es führte aus: Die Bescheinigung des Bundesamts stelle einen Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO 1977 dar. Nach Rücknahme dieses Bescheides durch das Bundesamt hätten die ergangenen Investitionszulagenbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 innerhalb der Festsetzungsfrist aufgehoben werden können. Die vierjährige Festsetzungsfrist für eine derartige Bescheidaufhebung (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) habe gemäß § 170 Abs. 3 AO 1977 mit Ablauf des Kalenderjahres begonnen, in dem die Zulage beantragt worden sei. Sie habe deshalb für die Streitjahre mit Ablauf der Jahre 1979, 1980, 1981 begonnen und mit Ablauf der Jahre und 1983, 1984 und 1985 geendet. Die Rückforderung der Investitionszulagen im Jahre 1989 sei mithin wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung unzulässig gewesen.

Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht gemäß § 171 Abs. 10 AO 1977 gehemmt gewesen. Denn auch die Frist von einem Jahr nach Bekanntgabe des Bescheides über die Rücknahme der Bescheinigung durch das Bundesamt vom 20. Juli 1988 sei bei Qualifizierung der Bescheinigung als Grundlagenbescheid überschritten gewesen. Die Rückforderungsbescheide vom 10. Juli 1989 seien zwar an diesem Tag und damit vor Ablauf der Jahresfrist abgesandt worden, doch lasse sich ihr Zugang und damit ihre Bekanntgabe nicht nachweisen. Die außerhalb der Frist erfolgte Zustellung der Rückforderungsbescheide am 4. Oktober 1989 reiche zur Fristwahrung gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 nicht aus. Denn die rechtzeitig abgesandten Bescheide vom 10. Juli 1989 seien nicht bekanntgegeben worden. Zwar wolle die Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 der Finanzbehörde ermöglichen, die Festsetzungsfrist unabhängig von den Zufälligkeiten des Bekanntgabevorgangs einzuhalten. Doch könne dies nur für den Fall gelten, daß der rechtzeitig auf den Weg der Bekanntgabe gebrachte Bescheid --wenn auch nach Ablauf der Frist-- tatsächlich wirksam werde. Dagegen genüge es nicht, wenn der Bescheid nach den Vorkehrungen der Finanzbehörde lediglich hätte wirksam werden können. Denn ein Verwaltungsakt entstehe erst im Augenblick seines Wirksamwerdens. Entgegen der Auffassung des FA sei daher die Festsetzungsfrist nicht deshalb gewahrt, weil die Rückforderungsbescheide vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der beklagten Behörde verlassen hätten.

Auf die Beschwerde des FA ließ der Senat die Revision gegen das Urteil des FG zu. Das FA hat Revision eingelegt, die beim Senat unter dem Aktenzeichen III R 113/96 anhängig ist. Mit der Revision macht das FA unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88 (BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518) im wesentlichen geltend: Sofern die Finanzbehörde alle Voraussetzungen eingehalten habe, die für den Erlaß eines wirksamen Bescheides vorgeschrieben seien, sei die Festsetzungsfrist auch dann eingehalten, wenn der Bescheid nicht zugehe oder der Zugang nicht nachgewiesen werden könne.

Mit Verfügung vom 30. September 1992 hatte das FA die Vollziehung der Rückforderungsbescheide einschließlich Zinsen im Gesamtbetrag von ... DM ohne Sicherheitsleistung bis einen Monat nach Bekanntgabe des FG-Urteils (bzw. des geänderten Bescheides) ausgesetzt. Unter dem 27. März 1998 teilte das FA dem Kläger mit, Aussetzung der Vollziehung könne künftig nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Unter dem 8. Mai 1998 verwies es auf rückständige Steuerschulden in Höhe von ... DM und kündigte unter Fristsetzung bis zum 20. Mai 1998 weitere Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich des Gesamtrückstandes an. Unter dem 13. Mai 1998 beantragte der Kläger die weitere Aussetzung der Vollziehung und stellte vorsorglich die Stellung von Sicherheit in Aussicht. Mit Verfügung vom 14. Mai 1998 gewährte das FA Aussetzung der Vollziehung der Investitionszulagenrückforderungsbescheide gegen bis zum 2. Juni 1998 zu leistende Sicherheit in Höhe des Gesamtsbetrags. Unter dem 28. Mai 1998 wandte sich der Kläger gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch das FA. Am 3. Juni 1998 teilte das FA dem Kläger sodann mit, im Hinblick auf seine Zahlungsschwierigkeiten bei den laufenden Steuern könne die Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Die unter dem 14. Mai 1998 verfügte Aussetzung der Vollziehung werde wirksam, sobald die geforderte Sicherheit geleistet werde. Gleichzeitig führte das FA aus: Da Sicherheiten weder angeboten noch geleistet worden seien, müßten die offenen Rückstände nunmehr beigetrieben werden.

Mit seinem am 8. September 1998 beim BFH gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Rückforderungsbescheide vom 10. Juli 1989 trägt der Kläger vor: Er habe die Produktion einstellen müssen. Seine Firma befinde sich in Liquidation bzw. in Umstrukturierung und werde sich künftig mit der Verwaltung von Grundbesitz beschäftigen. Es bestehe kein Grund, die weitere Aussetzung der Vollziehung abzulehnen oder Sicherheiten zu verlangen. Ihm, dem Kläger, werde es gelingen, die Umstrukturierungsphase zu überwinden und alle Gläubiger zu befriedigen. Das FA habe eine Zwangshypothek auf seinem, des Klägers, Einfamilienhausgrundstück eintragen lassen und ein privates Konto bei der Hausbank sowie sämtliche Bankkonten bei zwei Kreditinstituten gepfändet. Seine Firma sei damit fast vollständig blockiert. Im übrigen sei der Rücknahmebescheid des Bundesamts wegen Verjährung nichtig. Damit sei auch die entsprechende Verjährung nach der AO 1977 eingetreten. Die Sachbehandlung durch das FA verstoße gegen Verfassungsrecht.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Investitionszulagenänderungsbescheide 1978 bis 1980 vom 10. Juli 1989 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Das FA beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Es führt aus, der Kläger komme seinen steuerlichen Verpflichtungen seit Jahren nur unregelmäßig nach. Er habe Zahlungsvereinbarungen wiederholt nicht eingehalten und im Zwangsvollstreckungsverfahren sowie im Stundungs- bzw. Erlaßverfahren nur unzureichend Auskunft erteilt. Neben der Investitionszulage für den Streitzeitraum befänden sich laufende Steuern und Nebenleistungen in Höhe von ... DM in Vollstreckung. Eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung bis zum Abschluß der Liquidation oder Umstrukturierung des Unternehmens würde die Verwirklichung der Ansprüche des FA gefährden oder gar verhindern. Bezeichnend sei, daß der Kläger mit Gläubigerbanken verhandele, dem FA jedoch weder Sicherheiten biete noch Auskünfte erteile.

Mit Schreiben vom 29. September 1998 wurde der Kläger unter Fristsetzung bis zum 15. Oktober 1998 von der Geschäftsstelle des erkennenden Senats in richterlichem Auftrag insbesondere um Stellungnahme zu der Frage gebeten, in welcher Form Sicherheit geleistet werden könne. Außerdem wurde für den Fall, daß geltend gemacht werden sollte, dem Kläger sei eine Sicherheitsleistung nicht möglich, auf die Einreichung einer allgemeinen Vermögensübersicht (ggf. einer Auskunft über bestehende Kreditmöglichkeiten) hingewiesen.

Der Kläger teilte darauf unter dem 12. Oktober 1998 mit, die Erbringung einer evtl. möglichen Sicherheitsleistung würde die derzeit laufenden Kreditverhandlungen erheblich gefährden. Es sei ihm, dem Kläger, gelungen, einen Konkurs abzuwenden und mit den Gläubigern Lösungen zu finden, die eine Abwicklung und Umstrukturierung des Unternehmens erlaubten. Nach entsprechender Umfinanzierung würden die Altgläubiger aus den laufenden Mieteinnahmen befriedigt. Bei Zwangsmaßnahmen werde die Lösung insgesamt gefährdet. Die Sicherheit des FA liege in der künftigen Ertragslage des Unternehmens. Er, der Kläger, werde eine Vermögens- und Schuldenübersicht einreichen. Das Unternehmen sei nicht überschuldet. Da die Sicherheitslage es nicht zulasse, würden indes zusätzliche Kredite von den Banken derzeit verweigert.

Eine Vermögens- und Schuldenübersicht ist bisher beim Senat nicht eingegangen.

II. Der Antrag ist unbegründet.

Der Kläger hat auf die Verfügung des FA vom 14. Mai 1998 innerhalb der gesetzten Frist keine Sicherheit geleistet. Die vom FA aufschiebend bedingt gewährte Aussetzung der Vollziehung ist daher nicht wirksam geworden. Bei dem unter dem 8. September 1998 beim BFH gestellten Antrag handelt es sich sonach um einen erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Investitionszulagenänderungsbescheide.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache --hier, nachdem das FA Revision eingelegt hat, der BFH-- die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

1. Bei der in dem vorliegenden Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Anm. 104 ff.) sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Investitionszulagenänderungs- bzw. rückforderungs- und Zinsbescheide nicht zu erkennen. Gewichtige die Rechtmäßigkeit in Frage stellende Gründe sind nicht ersichtlich.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) für die Aufhebung der Investitionszulagenbescheide für die Streitjahre aus den Jahren 1980 bzw. 1983 gemäß § 170 Abs. 3 AO 1977 mit dem Ablauf der Kalenderjahre, in denen die Zulage beantragt worden war, somit jeweils zum Jahresende 1979, 1980 und 1981 und endete dementsprechend regulär mit Ablauf der Jahre 1983, 1984 und 1985 (s.a. § 5 Abs. 6 InvZulG 1975 i.d.F. durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung --EGAO 1977--).

Im Streitfall kann dahinstehen, ob --wie das FG annimmt-- die Bescheinigung des Bundesamts nach § 2 Abs. 1 InvZulG 1975 für die Investitionszulagenfestsetzung ein Grundlagenbescheid i.S. von §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ist oder ob die Rücknahme der Bescheinigung nach § 2 Abs. 4 InvZulG 1975 als Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 AO 1977 zu werten ist, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Bei der in dem vorliegenden Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung ist unter beiden Voraussetzungen auch nach Ablauf der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist die Frist für die Aufhebung bzw. Änderung der Investitionszulagenbescheide aus den Jahren 1980 bzw. 1983 aufgrund der Sonderregelungen in §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 gewahrt.

a) Beurteilt man die Bescheinigung des Bundesamts als Grundlagenbescheid für die Investitionszulagenfestsetzung und diese als Folgebescheid, so endete die Frist für die Aufhebung der Investitionszulagenbescheide für die Streitjahre nach § 171 Abs. 10 AO 1977 (i.d.F. bis 1996) nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Bekanntgabe des Bescheides vom 20. Juli 1988 über die Rücknahme der Bescheinigung durch das Bundesamt. § 171 Abs. 10 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ermöglicht die Umsetzung der Regelungen eines Grundlagenbescheides in einem Folgebescheid auch dann, wenn --wie hier-- die (reguläre) Festsetzungsfrist für den Folgebescheid bereits abgelaufen ist (Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 171 Anm. 11).

Bei summarischer Prüfung hat das FA sodann mit den ordnungsgemäß adressierten Rückforderungsbescheiden vom 10. Juli 1989, die am gleichen Tage zur Post gegeben wurden, die Jahresfrist gemäß § 171 Abs. 10 AO 1977 gewahrt. Denn nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 ist die Festsetzungsfrist gewahrt, wenn der Bescheid vor Ablauf der Frist den Bereich der für die Festsetzung zuständigen Behörde verlassen hat. Der Einwand des Klägers, die am 10. Juli 1989 zur Post gegebenen Bescheide seien ihm nicht zugegangen, er habe lediglich die außerhalb der Frist (am 4. Oktober 1989) zugestellten Bescheide erhalten, ist nach der Rechtsprechung des BFH unerheblich. Die Frist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 ist gewahrt, wenn der Bescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Festsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat und die Behörde alle Voraussetzungen eingehalten hat, die für den Erlaß eines wirksamen Steuerbescheides vorgeschrieben sind. Insoweit kommt es --entgegen der Rechtsauffassung des FG-- weder auf den Zugang noch auf den Zeitpunkt des Zugangs an (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518, und vom 19. März 1998 IV R 64/96, BFH/NV 1998, 1058).

b) Sieht man in der Rücknahme der Bescheinigung durch das Bundesamt ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, begann mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Rücknahme verfügt worden ist, somit Ende 1988, die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 für die Berücksichtigung der Rücknahme der Bescheinigung des Bundesamts als Voraussetzung für die Aufhebung der Investitionszulagenfestsetzungen. Diese Frist ist im Hinblick auf die Zustellungen der Bescheide unter dem 4. Oktober 1989 unabhängig von der Absendung der Bescheide am 10. Juli 1989 in jedem Fall gewahrt.

c) Fehl geht bei summarischer Prüfung auch der Einwand des Klägers, die Rücknahme der Bescheinigung durch das Bundesamt aus dem Jahre 1979 im Jahre 1988 sei wegen Zeitablaufs unwirksam und könne nicht mehr als Grund für die Rückforderung der Investitionszulagen im Jahre 1989 herangezogen werden.

Die vom Kläger angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken sind bei überschlägiger Prüfung nicht begründet. Die Bescheinigung nach §§ 1, 2 InvZulG 1975 ist materielle Voraussetzung für die Gewährung der Investitionszulage. Ebenso wie ihre Erteilung (s. dazu Senatsurteil vom 29. August 1986 III R 71/82, BFHE 147, 572, BStBl II 1986, 920) unterliegt auch ihre Rücknahme weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörden. Der Kläger hat sich seinerzeit offenbar nicht gegen die Rücknahme der Bescheinigung gewandt. Die Nichtigkeit des Rücknahmebescheides könnte selbst bei inzwischen eingetretener Verjährung nicht angenommen werden. Nach § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ist --ebenso wie nach § 125 AO 1977-- ein Verwaltungsakt nur nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler leidet. Dies liegt --bei summarischer Prüfung-- bei einem Verstoß gegen Verjährungsregelungen nicht vor (vgl. hierzu den BFH-Beschluß vom 6. Mai 1994 V B 28/94, BFH/NV 1995, 275, mit weiteren Hinweisen). Die rechtlichen Folgen der Rücknahme sind daher vom Kläger hinzunehmen. Bei dem in dem vorliegenden Verfahren anzuwendenden Prüfungsmaßstab ist ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Bereiche auch deshalb nicht gegeben, weil --was der Kläger nicht bestreitet-- die Erwartungen, die für die Erteilung der Bescheinigung maßgeblich waren, nicht eingetreten waren, da er die zugesagten weiteren zehn Arbeitsplätze nicht hatte schaffen können.

2. Bei überschlägiger Prüfung sind auch die Voraussetzungen nicht gegeben, unter denen eine unbillige Härte der Vollziehung als Aussetzungsgrund anzuerkennen wäre. Davon ist nur dann auszugehen, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Anm. 95).

Solche Verhältnisse sind --bei summarischer Prüfung-- hier nicht gegeben. Abgesehen davon, daß auch im Falle der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren, hier also insbesondere der Umstand, daß der BFH seine Rechtsprechung in dem Urteil in BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518 zur Wahrung der Festsetzungsfrist durch Absendung eines Steuerbescheides mit dem Urteil in BFH/NV 1998, 1058 bestätigt hat, mit zu berücksichtigen sind, reicht der bloße Hinweis des Klägers auf seine beengte finanzielle Situation und auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umstrukturierung seines Betriebs für die Anerkennung einer unbilligen Härte nicht aus. Der Kläger hat nicht im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen ihm durch die Vollziehung der angefochtenen Bescheide nur schwer wiedergutzumachender Schaden entstehen würde. Trotz Aufforderung durch die Geschäftsstelle des Senats und entgegen seiner Ankündigung vom 12. Oktober 1998 hat er vor allem keine Vermögensübersicht eingereicht und auch keine Angaben über bestehende Kreditmöglichkeiten gemacht.

3. Da bereits die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO nicht gegeben sind, kann die Frage einer Sicherheitsleistung dahinstehen.

Ende der Entscheidung

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