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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.10.2009
Aktenzeichen: III S 72/08 (PKH)
Rechtsgebiete: AufenthG, EStG, Qualifikationsrichtlinie, FGO, ZPO


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 3
EStG § 62 Abs. 2
Qualifikationsrichtlinie Art. 28 Abs. 1
FGO § 142
ZPO § 114 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsvertreters für eine Revision beim Bundesfinanzhof wegen Kindergeld, die das Finanzgericht (FG) zugelassen hat.

Die aus Afghanistan stammende Klägerin lebt seit Januar 2004 zusammen mit ihren beiden Kindern in der Bundesrepublik Deutschland, seit Juni 2005 ist sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Die Klägerin war nicht erwerbstätig und bezog Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie beantragte im Juli 2005 Kindergeld; die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 3. August 2005 ab. Dagegen ging die Klägerin nicht mit einem Rechtsbehelf vor. Im August 2006 beantragte sie erneut ohne Erfolg Kindergeld.

Das FG wies die nach vorherigem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Es führte u.a. aus, für die Monate Juni bis August 2005 könne bereits wegen der bestandskräftigen Ablehnung des Kindergeldantrags vom August 2005 kein Kindergeld gewährt werden. Auch für die Zeit danach ergebe sich kein Anspruch, insbesondere nicht aus Art. 28 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. 1 304, 12) --sog. Qualifikationsrichtlinie--. Die Klägerin, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sei, genieße den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Qualifikationsrichtlinie. Der Begriff "Sozialhilfe" sei nach den Grundsätzen des Europarechts auszulegen. Sozialhilfe zeichne sich dadurch aus, dass das Merkmal der Bedürftigkeit als besondere persönliche Anspruchsvoraussetzung gegeben sei. Das Kindergeld werde jedoch unabhängig von einer Bedürftigkeit gewährt.

Im Revisionsverfahren, für das die Klägerin PKH begehrt, macht sie im Wesentlichen geltend, das FG habe bei seiner Entscheidung gegen Art. 28 Abs. 1 Qualifikationsrichtlinie verstoßen. Hiernach habe sie ebenso einen Anspruch auf die notwendige Sozialhilfe wie deutsche Staatsangehörige. Zwar könne diese Hilfe nach Art. 28 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie auf Kernleistungen beschränkt werden. Hierzu gehöre jedoch auch die Unterstützung bei Elternschaft, somit auch das Kindergeld. Dies ergebe sich sowohl aus dem Erwägungsgrund Nr. 34 der Richtlinie als auch aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 4. Mai 1999 C-262/96, Sürül, (Slg. 1999, I-2685), in dem dieser entschieden habe, dass zu den Familienleistungen i.S. von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei Nr. 3/80 vom 19. September 1980 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1983, C 110, 60) --ARB 3/80-- auch das Kindergeld zähle. Das deutsche Kindergeld falle außerdem in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71).

II.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsvertreters wird abgelehnt.

1.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2.

Der Antrag ist abzulehnen, weil das Revisionsverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet.

a)

Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Personen mit einem solchen Aufenthaltstitel haben nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und darüber hinaus dort berechtigt erwerbstätig sind, laufende Geldleistungen nach dem SGB III beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c, Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Beschränkung der Kindergeldberechtigung von Ausländern (s. Urteil vom 22. November 2007 III R 54/02, BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457).

b)

Auch der Hinweis der Klägerin auf Art. 28 Qualifikationsrichtlinie führt nicht zu einer günstigeren Beurteilung der Erfolgsaussichten der Revision. Der deutsche Gesetzgeber war nicht gehalten, aufgrund dieser Richtlinie Flüchtlingen und Personen mit subsidiärem Schutzstatus einen Anspruch auf Kindergeld einzuräumen, unabhängig von den in § 62 Abs. 2 EStG geregelten Einschränkungen.

aa)

Nach Art. 28 Abs. 1 Qualifikationsrichtlinie tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates erhalten. Art. 28 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Sozialhilfe bei Personen mit subsidiärem Schutzstatus auf Kernleistungen zu beschränken.

bb)

Das Kindergeld gehört jedoch nicht zu den Sozialhilfeleistungen i.S. des Art. 28 Qualifikationsrichtlinie. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Leistungen der sozialen Sicherheit von Sozialhilfe (Art. 4 Abs. 1, Abs. 4 VO Nr. 1408/71) ist eine Leistung dann als Sozialhilfeleistung anzusehen, wenn sie aufgrund einer auf die persönliche Bedürftigkeit abstellenden Ermessensentscheidung gewährt wird; Leistungen der sozialen Sicherheit sind demgegenüber solche, die aufgrund eines gesetzlichen Tatbestandes gewährt werden (s. Urteile des EuGH vom 15. März 2001 C-85/99, Offermanns, Slg. 2001, I-2261, und vom 7. November 2002 C-333/00, Maaheimo, Slg. 2002, I-10087, jeweils m.w.N.; Senatsurteil vom 17. April 2008 III R 36/05, BFHE 221, 50, BFH/NV 2008, 1579). Die Zahlung von Kindergeld nach §§ 62, 63 EStG hängt nicht von der Bedürftigkeit des Kindergeldberechtigten ab, vielmehr wird damit die Freistellung des steuerlichen Existenzminimums seiner Kinder bezweckt. Auch nach EuGH-Rechtsprechung ist somit das Kindergeld keine Sozialhilfeleistung.

3.

Aus dem von der Klägerin zitierten EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2685 ergeben sich keine für sie vorteilhaften Folgerungen, da es --wie die Klägerin selbst ausführt-- Familienleistungen i.S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst. h ARB 3/80 betrifft, nicht aber Sozialhilfeleistungen.

Ende der Entscheidung

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