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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.04.1998
Aktenzeichen: IV B 107/97
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

1. a) Die Frage, ob die isolierte dingliche Haftung im Wege einer Teilwertminderung oder einer Rückstellungsbildung zu berücksichtigen ist, ist nicht klärungsbedürftig. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seinen Entscheidungen vom 26. Januar 1989 IV R 86/87 (BFHE 156, 141, BStBl II 1989, 456) und vom 24. Juli 1990 VIII R 226/84 (BFH/NV 1991, 588) dafür ausgesprochen, daß in den Fällen, in denen in der Bilanz des Eigentümers des belasteten Grundstücks keine schuldrechtliche Verpflichtung ausgewiesen ist, in Höhe der erwarteten Inanspruchnahme aus dem Grundpfandrecht eine Rückstellung für eine ungewisse Verpflichtung auszuweisen ist, wenn zu erwarten steht, daß der persönliche Schuldner seine Schulden nicht begleichen kann.

b) Das Finanzgericht (FG) ist von diesen Entscheidungen auch nicht abgewichen. Es hat zwar primär die Auffassung vertreten, daß sich die Belastung des Grundstücks in Verbindung mit der drohenden Inanspruchnahme auf dessen Teilwert auswirke, es hat jedoch ausgeführt, daß das Ergebnis sich nicht ändere, wenn man an Stelle des Ansatzes mit dem niedrigeren Teilwert die Bildung einer Rückstellung für zutreffend halte. Eine Divergenz kann auch nicht darauf gestützt werden, daß das FG zu Unrecht davon ausgegangen sei, es sei unmaßgeblich, welcher der beiden Auffassungen man folge. Allerdings mindern sich die jährlichen Absetzungen für Abnutzung (AfA), wenn das Grundstück mit einem niedrigeren Teilwert eingelegt wird. Läßt man hingegen die dingliche Belastung beim Teilwert unberücksichtigt und bildet statt dessen eine Rückstellung, so sind --worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu Recht hinweist-- die AfA mit einer Rückstellung zu verrechnen, da mangels einer persönlichen Schuld die aus der dinglichen Belastung resultierende Verpflichtung nicht höher sein kann als der Grundstückswert.

2. a) Auch die Frage, ob die schlechte wirtschaftliche Lage und die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens zur Begründung einer drohenden Inanspruchnahme aus der dinglichen Verpflichtung herangezogen werden kann, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es gelten die Regeln, die die Rechtsprechung allgemein für die Bildung von Rückstellungen aufgestellt hat. Demzufolge müssen auf der Grundlage am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei der Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen (BFH-Urteil vom 1. August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44). Daß, sofern es um die Inanspruchnahme eines Bürgen oder Grundpfandrechtsschuldners für die Schulden eines Dritten geht, die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse und die Sanierungsbedürftigkeit des Dritten in die Beurteilung einzubeziehen sind, liegt auf der Hand. Dementsprechend stellt auch das BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 588 --worauf die Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) selbst hinweisen-- darauf ab, ob der persönliche Schuldner seinen Verpflichtungen erwartungsgemäß wird nachkommen können. Zweifel daran, daß die schlechte wirtschaftliche Situation des persönlichen Schuldners als Anzeichen für die drohende Inanspruchnahme des dinglichen Schuldners herangezogen werden darf, ergeben sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 10. April 1987 III R 274/83 (BFH/NV 1988, 22). Dort hat der BFH ausgeführt, bei der Beurteilung der Frage, ob die Inanspruchnahme des Bürgen drohe, komme es wesentlich "auch" auf die Bewertung der Sachlage durch den Gläubiger an. Dieser Rechtssatz ändert jedoch nichts daran, daß die finanzielle Lage des persönlichen Schuldners ebenfalls als Indiz heranzuziehen ist, insbesondere dann, wenn Anzeichen für die Absicht des Gläubigers fehlen. Die Bewertung der einzelnen Beweisanzeichen im konkreten Fall gehört zur Sachverhaltswürdigung und ist somit vorrangig Sache der Tatsacheninstanz.

b) Das FG ist auch nicht von der BFH-Entscheidung in BFH/NV 1988, 22 abgewichen. Diesem Urteil lag der Fall zugrunde, daß die Hauptschuldnerin, für die der damalige Kläger gebürgt hatte, zwar überschuldet war und über keine stillen Reserven verfügte, daß jedoch der (einzige) Gläubiger nicht beabsichtigte, gegen den Kläger aus der Bürgschaft vorzugehen. Im Streitfall hat das FG jedoch nicht festgestellt, daß es Anzeichen gab, die die Gefahr einer Inanspruchnahme der Klägerin zu 1 aus der Grundschuld im Zeitpunkt der Einbringung des Grundbesitzes als ausgeschlossen erscheinen ließen. Insbesondere gestatten die --nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen-- Feststellungen des FG nicht die Annahme, daß die X-AG (wie die Hauptschuldnerin im Falle des Urteils in BFH/NV 1988, 22) ihren Verpflichtungen nachgekommen sei und daß ihren Gläubigern noch andere Sicherheiten in ausreichender Höhe zur Verfügung gestanden hätten. Wenn sich der Zusammenbruch der X-AG verzögerte, so konnte das FG das darauf zurückführen, daß über die Zuführung neuen Kapitals verhandelt wurde. Der Erfolg derartiger Maßnahmen war jedoch unsicher. Im übrigen ist über die Richtigkeit der Tatsachenwürdigung des FG im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu befinden.

3. a) Die Klägerinnen messen schließlich der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob das FA an die Bilanzansätze bestandskräftig veranlagter Vorjahre gebunden ist, wenn sich ein anläßlich einer Einbringung von Vermögensgegenständen begangener Bilanzierungsfehler zwar nicht beim aufnehmenden Steuerpflichtigen selbst auf die Höhe der festgesetzten Steuer ausgewirkt hat, wohl aber beim Einbringenden und wenn hinsichtlich der Veranlagung, der die Einbringungsbilanz zugrunde gelegen hat, bereits Verjährung eingetreten, oder wenn das Unternehmen liquidiert worden ist. Es kann dahinstehen, ob diese Frage klärungsbedürftig ist, sie ist im Streitfall jedenfalls nicht klärungsfähig, da auch bei der einbringenden X-AG der Fehler keinen Einfluß auf die Steuerfestsetzung gehabt hat.

Hat sich der fehlerhafte Bilanzansatz (hier das Unterlassen der Bildung einer Rückstellung im Zeitpunkt der Einbringung) in den Vorjahren steuerlich nicht ausgewirkt, so ist unter Durchbrechung des formellen Bilanzenzusammenhangs in der "Anfangsbilanz" der fehlerhafte Bilanzansatz durch den richtigen zu ersetzen (sog. Auswirkungsvorbehalt, vgl. z.B. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rndr. C 137; Wacker in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. 387, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die Klägerinnen machen geltend, daß bei der X-AG infolge der Aufdeckung der in den eingebrachten Grund-stücken ruhenden stillen Reserven ein Einbringungsgewinn entstanden sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich dieser Gewinn bei der X-AG infolge ihrer hohen Verluste steuerlich nicht ausgewirkt hat. Die Körperschaftsteuerfestsetzung des Einbringungsjahres belief sich auf 0 DM. Zu Unrecht machen die Klägerinnen geltend, daß es hierauf nicht ankomme, sondern daß allein maßgeblich sei, ob das fehlerhafte Betriebsvermögen einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde gelegen habe. Der BFH hat mehrfach entschieden, daß die Frage, ob sich ein fehlerhafter Bilanzansatz "steuerlich ausgewirkt" habe und damit eine Zurückberichtigung des Fehlers für bereits unanfechtbar abgeschlossene Veranlagungszeiträume entfalle, allein nach den für diese Veranlagungszeiträume festgesetzten Steuerbeträgen zu beantworten sei (Urteil vom 7. Mai 1969 I R 47/67, BFHE 95, 437, BStBl II 1969, 464). Eine steuerliche Auswirkung kommt nicht in Betracht, wenn die festgesetzte Steuer unabhängig von dem Bilanzierungsfehler infolge von Verlusten 0 DM betragen hat (BFH-Urteil vom 12. Januar 1966 I 184/63, BFHE 85, 161, BStBl III 1966, 270).

b) Die behauptete Abweichung vom BFH-Urteil vom 27. März 1962 I 136/60 S (BFHE 75, 10, BStBl III 1962, 273) ist nicht in zulässiger Weise dargetan. Weder enthält das angebliche Divergenzurteil den Rechtssatz, daß bei der Beantwortung der Frage, ob eine Durchbrechung des formellen Bilanzenzusammenhangs in Betracht kommt, auch die Gewinnauswirkung beim Einbringenden in die Betrachtung miteinzubeziehen sei (das Urteil betraf keinen Einbringungsfall), noch enthält das FG-Urteil einen entgegengesetzten Rechtssatz. Die Klägerinnen tragen vielmehr sinngemäß vor, die FG-Entscheidung sei von der Auffassung des BFH im angeblichen Divergenzurteil nicht (in vollem Umfang) gedeckt. Hierin liegt keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung.



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