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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.07.1999
Aktenzeichen: IV B 14/99
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, BFHEntlG
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3 | |
AO 1977 § 363 Abs. 2 | |
AO 1977 § 363 Abs. 2 Satz 1 | |
AO 1977 § 363 Abs. 2 Satz 2 | |
AO 1977 § 363 Abs. 2 Satz 4 | |
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6 |
Gründe
Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Die Beschwerde, mit der die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begehren, ist unzulässig.
Die Kläger machen geltend, das Finanzgericht habe ihr Klagebegehren nicht zutreffend erfaßt. Es gehe ihnen darum, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ihre Einsprüche zu Recht zurückgewiesen habe. Die Einsprüche seien eingelegt worden, um den Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide zu verhindern. Eine konkrete Rechtsverletzung könnten sie derzeit zwar nicht darlegen. Gleichwohl hätten sie ein Interesse daran, die Veranlagungen für die Streitjahre offenzuhalten. Angesichts der in jüngerer Vergangenheit zutage getretenen Verfassungswidrigkeit einer Vielzahl steuerrechtlicher Regelungen sei nicht auszuschließen, daß es ihnen nur noch nicht bekannte, aber bereits anhängige Verfahren gebe, die im Ergebnis zu für sie günstigen Neuregelungen führen könnten. Wenn ein allein mit diesem Ziel eingelegter Einspruch als unzulässig beurteilt werde, so bedeute dies, daß der der Steuergesetzgebung Unterworfene zum Objekt staatlichen Handelns degradiert werde; denn er werde dadurch gezwungen, sich persönlich mit allen ihn möglicherweise betreffenden Steuerrechtsfragen zu beschäftigen, was angesichts der Unüberschaubarkeit des Steuerrechts praktisch nicht mehr möglich sei.
Mit diesen Ausführungen erfüllen die Kläger nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage darlegen, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil dadurch eine einheitliche Fortentwicklung und Handhabung des Rechts erreicht wird. Der Beschwerdeführer muß substantiiert und konkret angeben, aus welchen Gründen die Klärung der von ihm herausgestellten Rechtsfrage der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dient und aus welchen Gründen das Interesse der Allgemeinheit berührt ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Die Kläger haben mit der Darlegung, daß es ihnen mit den Einsprüchen darum gegangen sei, ihre Veranlagungen für die Streitjahre offenzuhalten, um an möglichen sie betreffenden Neuregelungen aufgrund von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) teilzuhaben, keine im Interesse der Allgemeinheit zu klärende Rechtsfrage herausgestellt, sondern nur den Rechtsstoff umschrieben, der den rechtlichen Rahmen für eine Entscheidung der Streitsache in dem angestrebten Revisionsverfahren bilden könnte (vgl. auch BFH-Beschluß vom 13. Februar 1989 V B 150/88, BFH/NV 1989, 707). Damit begründen sie lediglich ihr individuelles Interesse an einer Entscheidung des BFH in ihrem Steuerfall.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache ergäbe sich im übrigen auch dann nicht, wenn man die Ausführungen der Kläger in dem Sinne verstehen würde, daß die Eignung eines Einspruchs gegen einen Steuerbescheid als Mittel zur Offenhaltung eines Steuerfalls auch im Interesse anderer Steuerpflichtiger zu klären sei. Daß der Einspruch dazu nicht geeignet ist, folgt unmittelbar aus § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Danach kann die Finanzbehörde das Einspruchsverfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen lassen, wenn dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Das bloße Interesse, den Steuerfall offenzuhalten, stellt keinen wichtigen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Einspruch ist ebenso wie die Klage grundsätzlich kein Instrument zum bloßen Offenhalten des Steuerfalles wegen möglicher zukünftiger Entwicklungen der Rechtsprechung in Verfahren anderer Steuerpflichtiger. Er dient vielmehr dazu, möglichst zügig eine Entscheidung in der eigenen Sache herbeizuführen. Das FA handelt deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn es in einem derartigen Fall den Einspruch nicht ruhen läßt, sondern über ihn entscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II 1996, 20; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluß vom 16. Oktober 1996 2 BvR 2956/95, Steuer-Eildienst 1996, 798). Selbst wenn das Einspruchsverfahren teilweise von Gesetzes wegen ruht, weil wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977), ist das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 fortzusetzen, wenn die Finanzbehörde dies dem Einspruchsführer mitteilt. Der Steuerpflichtige hat somit selbst dann keinen Anspruch auf ein Ruhen des Einspruchsverfahrens, wenn er den Einspruch auf ein bereits anhängiges und ihm bekanntes Musterverfahren bei einem der in § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 aufgeführten Gerichte stützt. Um so weniger besteht ein derartiger Anspruch, wenn ein solches Verfahren noch nicht anhängig bzw. ihm nicht bekannt ist.
Ende der Entscheidung
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