Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.11.1998
Aktenzeichen: IV B 146/97
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 4
AO 1977 § 172 ff.
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2
AO 1977 § 181 Abs. 1
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO 1977 § 157
AO 1977 § 164 Abs. 1
AO 1977 § 164
AO 1977 § 165
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Von einer Wiederabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) für klärungsbedürftig gehaltene Streitfrage ist in der angestrebten Revisionsentscheidung, soweit sie die Gewinnfeststellungsbescheide für 1987 und 1988 betrifft, nicht klärungsfähig. An der Klärbarkeit fehlt es, wenn sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (vgl. § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beantwortung der als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage ist dann nicht entscheidungserheblich (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Januar 1988 III B 134/86, BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484, und vom 5. Mai 1997 V B 57/96, BFH/NV 1997, 863). Im Streitfall sind der für 1987 ergangene Änderungsbescheid und der für 1988 ergangene erstmalige Feststellungsbescheid, jeweils vom 29. August 1991, formell bestandskräftig und auch nach den Vorschriften der §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mehr änderbar.

Als einschlägige Änderungsvorschrift käme allenfalls § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 in Betracht.

Gemäß den §§ 181 Abs. 1, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 ist ein Gewinnfeststellungsbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.

Was unter einem rückwirkenden Ereignis zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Der BFH hat die Begriffsbestimmung aus dem Wortsinn und dem Zweck der Korrekturvorschrift hergeleitet. Danach muß das Ereignis nachträglich --d.h. nach Erlaß des aufzuhebenden oder zu ändernden Bescheides (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75, und vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957)-- eingetreten sein; es muß den Sachverhalt verändern und dabei derart in die Vergangenheit zurückwirken, daß ein Bedürfnis besteht, eine schon endgültige (bestandskräftig getroffene) Regelung i.S. der §§ 118, 157 AO 1977 an die Sachverhaltsänderung anzupassen (BFH in BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957; Urteile vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, 89, BStBl II 1989, 225, 228, m.w.N.; vom 9. August 1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55).

1. Eine Änderung der in steuerrechtlichen Verwaltungsanweisungen vertretenen Rechtsauffassung erfüllt --entgegen der Auffassung der Klägerin-- diese Voraussetzungen nicht, weil sie nicht den bestandskräftig geregelten Einzelfall i.S. der §§ 118 Satz 1, 155 AO 1977 (den Sachverhalt), sondern die rechtliche Beurteilung eines solchen Steuerverwalungsakts umgestaltet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55 zur Rückwirkung von Steuergesetzen). Das gilt auch für eine nach Erlaß des Verwaltungsaktes eingeführte Übergangsregelung (Wahlrecht). Im Beschluß vom 8. Juli 1998 I B 111/97, BFHE 186, 313, BStBl II 1998, 702 hat der BFH entschieden, daß sogar eine für vorläufig erklärte Steuerfestsetzung wegen ihrer formellen Bestandskraft nicht mehr aufgrund einer später ergangenen Verwaltungsanweisung geändert werden darf - und zwar auch dann, wenn dieser Verwaltungsanweisung eine für den Steuerpflichtigen günstigere Rechtsauffassung zugrunde liegt. Eine Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 wird in dieser Entscheidung nicht einmal erwähnt.

Hinzu kommt, daß die Übergangsregelung in Tz. 96 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Januar 1993 (BStBl I 1993, 62) hinsichtlich der hier interessierenden Behandlung der laufenden Gewinne keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage beinhaltet. Zu Recht weisen der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) und das Finanzgericht darauf hin, daß die Klägerin nach der bis zum Beschluß des Großen Senats geltenden Rechtsprechung zwar nicht als Mitunternehmerin anzusehen war, die Mitunternehmerstellung des Erblassers jedoch fortsetzte (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 841 ff., m.w.N.; insbesondere auch Senatsurteil vom 12. Januar 1978 IV R 5/75, BFHE 124, 436, BStBl II 1978, 333).

2. Der Klägerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie ein nachträgliches Ereignis in dem Abschluß des Auseinandersetzungsvertrags sieht. Dieser Auseinandersetzungsvertrag ändert zwar den vor seinem Abschluß bestehenden Sachverhalt, er ist aber nicht "nachträglich" im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung eingetreten.

Der rechtlich bedeutsame Vorgang i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 muß sich ereignen, nachdem der Steueranspruch entstanden ist und --bei Änderung eines Steuerbescheides-- nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist (BFH-Urteil in BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75). So liegt der Fall hier; denn der Auseinandersetzungsvertrag ist am 19. Juni 1989 geschlossen worden. Demgemäß hat sich der steuerlich bedeutsame Vorgang zwar nach Entstehen der Einkommensteuer 1987 und 1988 indessen --auch für 1987-- vor der vorbehaltlosen Gewinnfeststellung durch die Bescheide vom 29. August 1991 ereignet.

Zwar hat das FA bereits am 19. April 1989 den Gewinn für 1987 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß festgestellt. Bei Steuerfestsetzungen, die gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, sind jedoch nur solche Vorgänge i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bedeutsam, die sich nach der Aufhebung des Vorbehalts ereignen. Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 steht die Aufhebung des Vorbehalts einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt gleich. § 175 Abs. 1 AO 1977 gilt nur für eine ohne entsprechende Nebenbestimmung ergangene bestandskräftige Steuerfestsetzung. Dies folgt aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO 1977, der im Einleitungssatz klarstellt, daß die §§ 172 ff. AO 1977 nicht gelten, soweit ein Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig (§§ 164, 165 AO 1977) ergangen ist. Dementsprechend kann "Steuerbescheid" i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 nur ein solcher sein, dem kein Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977 beigefügt ist. Bei einer Änderung des Steuerbescheides muß sich der rechtlich bedeutsame Vorgang ereignen, nachdem dieser Steuerbescheid als vorbehaltslose Steuerfestsetzung bekanntgegeben worden ist (BFH-Urteil vom 17. März 1994 V R 123/91, BFH/NV 1995, 274). Was für Steuerfestsetzungen gilt, gilt gemäß § 181 Abs. 1 AO 1977 sinngemäß für Feststellungsbescheide.

Ende der Entscheidung

Zurück