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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.12.1999
Aktenzeichen: IV B 146/99
Rechtsgebiete: FGO, GVG, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 33 Abs. 3 | |
FGO § 2 | |
GVG § 17a Abs. 4 Satz 4 | |
GVG § 17 | |
AO 1977 § 328 | |
AO 1977 § 396 | |
AO 1977 § 324 |
Gründe
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist als ...ärztin selbständig tätig. Im Rahmen von Ermittlungen bei der X-Bank gelangten die Finanzbehörden zu der Auffassung, daß die Klägerin in den Jahren 1992 und 1993 Geldbeträge in einer Gesamthöhe von ... DM in Luxemburg angelegt habe, deren Herkunft aus den eingereichten Steuererklärungen nicht nachvollziehbar sei. Am 15. März 1996 wurde gegen die Klägerin das Steuerstrafverfahren eingeleitet.
Am 4. Oktober 1996 ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Sicherung von erwarteten Steuernachforderungen für die Jahre 1987 bis 1994, die er auf insgesamt ... DM bezifferte, den dinglichen Arrest in das Vermögen der Klägerin an. Die Arrestanordnung wurde durch die Eintragung einer Sicherungshypothek zu Lasten zweier Grundstücke der Klägerin vollzogen. Gegen die Arrestanordnung wandte sich die Klägerin mit der beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage (Az. 4 K 317/96).
Am 3. Dezember 1996 erließ das FA Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 1987 bis 1993 und einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1994. Die Klägerin stellte daraufhin ihre Anfechtungsklage gegen die Arrestanordnung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um und beantragte nunmehr festzustellen, daß die Arrestanordnung rechtswidrig gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 1998 beantragte die Klägerin festzustellen, daß die Arrestanordnung nichtig sei.
Gegen die Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1994 vom 3. Dezember 1996 legte die Klägerin Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden ist. Außerdem erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Februar 1998 Klage mit dem Antrag, die Nichtigkeit der Bescheide festzustellen (Az. 4 K 75/98).
Im Laufe der beiden Klageverfahren trug die Klägerin vor, das FG sei nach § 33 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Entscheidung über die von ihr erhobenen Klagen nicht zuständig. Sie beantragte daher, das FG möge durch Beschluß gemäß § 17 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) seine Unzuständigkeit feststellen und das Verfahren an das zuständige Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nach ihrer Auffassung das Oberlandesgericht (OLG), verweisen.
Das FG erließ nach mündlicher Verhandlung vom 26. Januar 1999 den Beschluß, daß der Finanzrechtsweg zulässig sei. Zur Begründung führte das FG aus, entscheidend für die Bestimmung des Rechtswegs sei, in welcher Funktion und in welchem Verfahren die Finanzbehörde tätig geworden sei. Beim Erlaß der streitbefangenen Verwaltungsakte habe sie unzweifelhaft in ihrer Funktion als Steuerbehörde und nicht als Strafverfolgungsbehörde gehandelt. Die Beschwerde ließ das FG nicht zu.
Der Beschluß wurde der Klägerin am 10. Februar 1999 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 27. Juni 1999 legte die Klägerin gegen den Beschluß vom 26. Januar 1999, mit dem das FG die Zulässigkeit des Finanzrechtsweges bejaht hatte, "außerordentliche Beschwerde" ein.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Bei dem angefochtenen Beschluß handelt es sich um eine Entscheidung gemäß § 17a Abs. 3 GVG. Nach dieser Vorschrift kann das angerufene Gericht vorab durch Beschluß aussprechen, daß es den beschrittenen Rechtsweg für zulässig hält. Es muß so verfahren, wenn --wie im Streitfall-- eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
Ergeht der Beschluß wie im Streitfall durch ein oberes Landesgericht (§ 2 FGO), steht den Beteiligten die Beschwerde an den jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG). Hieran fehlt es im Streitfall.
Auch als sog. außerordentlicher Rechtsbehelf kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann die Beschwerde gegen einen unanfechtbaren Beschluß des FG statthaft sein, wenn die Vorentscheidung auf einer "greifbaren Gesetzesverletzung" beruht. Das wird dann angenommen, wenn die Entscheidung unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 27. März 1998 X B 161/96, BFH/NV 1998, 1487, m.w.N.). Andere Entscheidungen halten eine "greifbare Gesetzesverletzung" nur dann für gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 27. Juni 1996 IV B 168/95, BFH/NV 1997, 57, m.w.N.).
Es kann dahinstehen, ob sich diese Definitionen unterscheiden und welcher ggf. der Vorzug zu geben ist. Im Streitfall sind die Voraussetzungen einer "greifbaren Gesetzesverletzung" keinesfalls erfüllt.
Insbesondere hat an dem beanstandeten Beschluß des FG vom 26. Januar 1999 kein Richter mitgewirkt, der von der Mitwirkung ausgeschlossen war (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 1967 VII B 21/66, BFHE 90, 285, BStBl II 1969, 6 --Mitwirkung eines abgelehnten Richters--; vom 19. April 1989 II B 177/88, BFH/NV 1990, 576 --falsche Besetzung des Gerichts--). Der Befangenheitsantrag der Klägerin wurde erst am 12. März 1999 gestellt.
Der von der Klägerin erhobene Vorwurf, ihr sei der gesetzliche Richter entzogen worden, führt für sich genommen nicht zur Zulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde. Der Gesetzgeber hat die Rechtsbehelfsmöglichkeit in § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG auf die Fälle, in denen das entscheidende obere Landesgericht die Beschwerde selbst zuläßt, beschränkt. Folglich hat er den Umstand, daß ein oberes Landesgericht den falschen Rechtsweg für gegeben hält, nicht als so gravierend angesehen, daß hiergegen in jedem Fall ein Rechtsbehelf möglich sein müßte.
Es sind entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine Anzeichen dafür erkennbar, daß der Beschluß des FG willkürlich gefaßt worden wäre. Das folgt bereits daraus, daß an der Richtigkeit der vom FG vertretenen Auffassung nicht zu zweifeln ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es den FÄ während der Zeit zwischen Einleitung des Strafverfahrens und strafrechtlicher Verurteilung nicht verwehrt, Steuern festzusetzen und zu erheben. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 393 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Diese Vorschrift regelt ihrer Überschrift zufolge das Verhältnis des Strafverfahrens zum Besteuerungsverfahren. Sie bestimmt, daß sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweils geltende Verfahren geltenden Vorschriften richten (Satz 1). Für das während des Strafverfahrens durchgeführte Besteuerungsverfahren gilt lediglich die Besonderheit, daß Zwangsmittel (§ 328 AO 1977) gegen den Steuerpflichtigen unzulässig sind, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten (Satz 2). Hieraus ergibt sich eindeutig, daß das Besteuerungsverfahren neben dem Strafverfahren weiterläuft und beide Verfahren grundsätzlich gleichrangig sind (vgl. z.B. Wisser in Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 393 Anm. 1). Dasselbe folgt ebenso unzweifelhaft aus § 396 AO 1977. Nach dieser Vorschrift kann das Strafverfahren sogar bis zum rechtskräftigen Abschluß des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt werden.
Die Annahme der Klägerin, bei den streitigen Verwaltungsakten (Arrestanordnung gemäß § 324 AO 1977 und Steuerfestsetzungen) handle es sich um Justizverwaltungsakte i.S. von § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz, ist demnach offenkundig falsch.
Ende der Entscheidung
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