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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.11.2000
Aktenzeichen: IV B 153/99
Rechtsgebiete: EStG, EStG 1995, FGO, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 16 Abs. 4 Satz 2
EStG 1995 § 16 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 96 Abs. 1
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3
AO 1977 § 367 Abs. 1 Satz 1
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Von einer Darstellung des Tatbestands wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde ist teils unzulässig und im Übrigen unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) rügt, die Quotelung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr (1993) geltenden Fassung sei verfassungswidrig, ist die Rüge nicht entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben worden. Wird gerügt, eine Sache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) auf einer verfassungswidrigen Norm beruhe, so sind auch Ausführungen dazu zu machen, inwieweit die Verfassungsfrage bereits Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder des Bundesfinanzhofs (BFH) gewesen ist oder ob und inwieweit hier unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Es beschränkt sich auf die Vermutung der Klägerin, der Gesetzgeber habe ab 1996 die Quotelung wegen massiver verfassungsrechtlicher Bedenken aufgegeben. Zudem enthält die Beschwerde auch keine Ausführungen zur Frage der Entscheidungserheblichkeit der Verfassungsfrage für den Streitfall (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 1998 IV B 141/97, BFH/NV 1999, 516) sowie zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage aus der sich die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27), also hier der Zulässigkeit einer Quotelung nach dem schon im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung ausgelaufenen § 16 Abs. 4 EStG 1995.

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage an das BVerfG ist im Übrigen unzulässig. Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde kommt eine Vorlage an das BVerfG wegen einer erst im angestrebten Revisionsverfahren zu klärenden Rechtsfrage nicht in Betracht.

2. Verfahrensfehler liegen, soweit sie ordnungsgemäß gerügt sind, nicht vor.

a) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Wird gerügt, das Gericht habe seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt, ohne dabei aber einen Beweisantrag übergangen zu haben, so sind Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 120 Rz. 40, m.w.N.). Die Klägerin gibt mit der Beschwerde nicht an, welche konkreten Beweise das FG hätte erheben sollen und welches Ergebnis die Beweiserhebung voraussichtlich gehabt hätte. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch einen sachkundigen Bevollmächtigten vertreten war, hätte auch dargelegt werden müssen, warum entsprechende Beweisanträge nicht gestellt worden sind. Dem Bevollmächtigten musste bekannt sein, dass es für die Gewährung des Freibetrags nach geltendem Recht auf die in sämtlichen Mitunternehmeranteilen ruhenden stillen Reserven ankam und deren Ermittlung deshalb entscheidungserheblich war.

b) Auch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Mit der Beschwerde ist nämlich nicht nur vorzutragen, zu welchen Tatsachen der Beschwerdeführer nicht gehört worden ist, sondern außerdem, was bei ausreichender Gewährung des Rechts auf Gehör noch vorgetragen worden wäre, dass keine Möglichkeit bestand, die Gehörsversagung schon beim FG zu beanstanden, und inwiefern durch das --lediglich infolge des Verfahrensfehlers-- unterbliebene Vorbringen die Entscheidung des FG auf der Grundlage dessen materiell-rechtlicher Auffassung anders hätte ausfallen können (BFH-Beschluss vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196).

c) Die Rüge, einzelne Ausführungen im FG-Urteil verstießen gegen die Denkgesetze, bezeichnet keinen Verfahrensfehler und ist deshalb unzulässig. Die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen ist eine Frage der Anwendung materiellen Rechts, und zwar auch, soweit sie sich auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 29, m.w.N.).

d) Es fehlt nicht an der Sachurteilsvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO). Die Einspruchsentscheidung vom 18. März 1997 erfüllt alle Anforderungen, die an eine das Einspruchsverfahren abschließende Entscheidung i.S. des § 367 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu stellen sind. Insbesondere lässt sie erkennen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) über den gesamten Einspruch entscheiden wollte und dass der Einspruch teilweise als unbegründet angesehen wurde und damit insoweit erfolglos war. Dass im Tenor die Formel fehlt, im Übrigen werde der Einspruch zurückgewiesen, nimmt dem Verwaltungsakt nicht die Wirkung einer verfahrensabschließenden Entscheidung über einen teilweise unbegründeten Rechtsbehelf.

e) Der gerügte Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO liegt nicht vor. Danach hat das Gericht aufgrund seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört nicht nur, was von den Beteiligten ausdrücklich vorgetragen worden ist, sondern auch der Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Akten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 24/95, BFH/NV 1997, 36). Das in den Urteilsgründen verwertete Zahlenmaterial ist der Sonderbilanzakte 1993 entnommen worden, die dem FG vorgelegt worden war und die der Bevollmächtigte der Klägerin eingesehen hatte. Dass die im Urteil gewählte Darstellung der Zahlen missverständlich ist und für den nicht Aktenkundigen den Eindruck logischer Fehlerhaftigkeit erzeugt, ist für den Streitfall schon deshalb ohne Bedeutung, weil allen Beteiligten das Zahlenmaterial bekannt war.

f) Das Urteil leidet nicht wegen eines lückenhaften Tatbestands an einem Verfahrensfehler. Zwar ist nach § 105 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 FGO der Tatbestand ein eigenständiger und unverzichtbarer Bestandteil des Urteils. Er muss ein knapp gehaltenes, klares, vollständiges und in sich abgeschlossenes Bild des Streitstoffs in logischer Folge enthalten (BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979). Diesen Anforderungen genügt das FG-Urteil noch. Denn der Streitstoff ist, soweit er den Veräußerungsvorgang der Klägerin betrifft, vollständig und in sich logisch dargestellt. Lediglich die für die Schätzung des voraussichtlichen Gesamtgewinns maßgeblichen Tatsachen werden im Rahmen der Entscheidungsgründe (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO) dargestellt. Diese Form der Darstellung erscheint zwar ungeschickt und fördert nicht die Verständlichkeit. Es bleibt aber doch noch erkennbar, dass es sich um Feststellungen von Tatsachen handeln soll, so dass die erforderliche inhaltliche Trennung von Tatbestand und Entscheidungsgründen (Gräber/von Groll, a.a.O., § 105 Rz. 17) gewahrt erscheint.

3. Es kann dahinstehen, inwieweit Divergenzen ordnungsgemäß gerügt worden sind, denn jedenfalls liegen sie nicht vor.

a) Die Vorentscheidung weicht nicht von den BFH-Urteilen vom 21. Januar 1981 I R 153/77 (BFHE 133, 33, BStBl II 1981, 517) und vom 24. Juli 1996 X R 45/94 (BFH/NV 1997, 295) ab. Die dort entschiedenen Fälle betreffen einen anderen Sachverhalt, nämlich die globale Bezugnahme auf Akten. Außerdem stellt das FG keinen Rechtssatz der von der Klägerin behaupteten Art auf.

b) Es liegt auch keine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 2. Februar 1990 III R 173/86 (BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497) vor. Das FG hat nicht auf Buchwerte zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgestellt, sondern seiner Schätzung Veräußerungsgewinne innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zugrunde gelegt.

c) Der Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) ist nicht einschlägig. Dort ging es um spätere Vorgänge, die auf die Höhe des Veräußerungsgewinns Einfluss haben.

d) Das FG stellt keinen von den BFH-Urteilen vom 17. April 1980 IV R 174/76 (BFHE 130, 497, BStBl II 1980, 566) und vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811) abweichenden Rechtssatz auf. Es bestätigt vielmehr ausdrücklich die dort geäußerte Auffassung des erkennenden Senats, dass sich der Anteil am Freibetrag nach dem Verhältnis des tatsächlich erzielten Gewinns zu dem bei der Veräußerung des gesamten Betriebs bzw. der gleichzeitigen Veräußerung aller Mitunternehmeranteile erzielbaren Gewinn bestimmt.

e) Eine Abweichung zu den BFH-Urteilen vom 15. Januar 1985 IX R 81/83 (BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252), vom 2. Februar 1990 III R 173/86 (BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497) und vom 29. August 1996 VIII R 15/93 (BFHE 182, 21, BStBl II 1997, 317) liegt nicht vor. Das FG nimmt zur Frage des Verfahrens für die Ermittlung der Verkehrswerte keine Stellung. Es legt seiner überschlägigen Schätzung vielmehr tatsächlich erzielte Kaufpreise zugrunde. Auf Einzelheiten der Wertermittlung kam es dem FG nach seinen ausdrücklichen Ausführungen nicht an. Es ging davon aus, dass evtl. Fehlerquellen in den genannten Einzelfällen angesichts des bereits bei sechs Verkäufen erzielten Gewinns von 503 898 DM, der damit den Schwellenwert zur vollständigen Kürzung des Freibetrags bereits um über 83 000 DM überschritt, für den geschätzten Gesamtgewinn ohne Bedeutung seien.

f) Aus demselben Grund weicht das FG auch nicht von den BFH-Urteilen vom 2. März 1989 IV R 201/85 (BFH/NV 1990, 88) und vom 1. April 1998 X R 150/95 (BFHE 186, 70, BStBl II 1998, 569) ab. Das FG hat einerseits angenommen, dass in Bezug auf die von der Klägerin hervorgehobenen Nutzungsbeschränkungen besondere persönliche Verhältnisse für die Bemessung der Kaufpreise keine Bedeutung gehabt hätten. Außerdem hätten angesichts des den Schwellenwert von 420 000 DM voraussichtlich weit übersteigenden Gewinns solche ungewöhnlichen Umstände nicht von einem so großen Umfang sein können, dass der Schwellenwert unterschritten würde.

g) Das herangezogene BFH-Urteil vom 21. Dezember 1972 IV R 194/69 (BFHE 108, 495, BStBl II 1973, 389) ist nicht einschlägig. Es betrifft den Fall einer rückwirkenden Änderung der Gewinnverteilungsabrede.

h) Auch von dem Urteil des BFH vom 27. Februar 1985 I R 235/80 (BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456) weicht das FG nicht ab. Der BFH hat dort ausdrücklich ausgesprochen, dass eine nach dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe stattfindende Veräußerung Bedeutung für die Schätzung des Werts im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe haben könne. Von dieser Annahme ist auch das FG ausgegangen.



Ende der Entscheidung

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