Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: IV B 154/02
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 240 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb einen ...handel in X. Anlässlich einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin in den Bilanzen zum 31. Dezember 1985 bis zum 31. Dezember 1994 --ebenso wie in den Vorjahren-- jeweils zu niedrige Warenbestände ausgewiesen hatte. Das war dem Prüfungsbericht zufolge in der Weise geschehen, dass zunächst die Vorratsbestände der Klägerin durch eine Inventuraufnahme nach Zahl und Menge vollständig erfasst und steuerlich bewertet wurden. Um auf den gewollten Bilanzansatz zu kommen, wurden einzelne, in den ursprünglichen Zähllisten aufgeführte Artikel mengenmäßig reduziert oder ganz weggelassen. Auf der Grundlage der manipulierten Mengen wurden neue Zähllisten als Ursprungsaufzeichnungen geschrieben und die alten Originale vernichtet.

Im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung kamen die Klägerin und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) überein, die Inventurwerte für das Vorratsvermögen per 31. Dezember 1984 statt mit 8 234 041 DM laut Bilanz mit 15 000 000 DM (Differenz 6 765 959 DM) und per 31. Dezember 1985 statt mit 8 569 843 DM laut Bilanz mit 20 305 119 DM (Differenz 11 735 276 DM) anzusetzen.

Da die Klägerin ihre Feststellungserklärung für 1984 bereits im Jahr 1985 eingereicht hatte und der Feststellungsbescheid 1984 bestandskräftig geworden war, erließ das FA am 3. Februar 1999 einen Änderungsbescheid für die Gewinnfeststellung 1985, in dem es den Anfangsbestand des Vorratsvermögens per 1. Januar 1985 mit 8 234 041 DM und den Endbestand per 31. Dezember 1985 mit 20 305 119 DM ansetzte, was zu einem Mehrgewinn von 11 735 276 DM führte. Zur Begründung berief sich das FA auf die Rechtsprechung zum formellen Bilanzenzusammenhang.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Klage, die das Finanzgericht (FG) abwies.

Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf Divergenz, Verfahrensfehler und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt wird.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die von der Klägerin gerügte Abweichung des vorinstanzlichen Urteils von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Oktober 2001 X R 153/97 (BFHE 197, 105, BStBl II 2002, 75) liegt nicht vor. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall --anders als im Fall des Urteils in BFHE 197, 105, BStBl II 2002, 75-- für die streitbefangenen Warenvorräte eine fortführungsfähige Bilanzposition vorlag. Es ist zwar richtig, dass es sich bei der Vorschrift des § 240 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs (HGB), die eine Zusammenfassung von gleichartigen Vermögensgegenständen des Vorratsvermögens zulässt, um eine Bewertungsvorschrift handelt. Denn die richtige Ermittlung des gewogenen Durchschnittswertes setzt die richtige Erfassung der zu bewertenden Mengen voraus (s. Beispiel bei Hense/ Philipps in BeckŽscher Bilanzkommentar, 5. Aufl., § 240 Anm. 139). Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Rechtfertigung des Instituts des formellen Bilanzenzusammenhangs findet sich in den Ungenauigkeiten, die die bilanzielle Gewinnermittlung --zumindest bezogen auf den einzelnen Gewinnermittlungszeitraum-- mit sich bringt. Unter diesem Aspekt ist auch die Frage zu beantworten, ob ein Wirtschaftgut --wie im Urteil in BFHE 197, 105, BStBl II 2002, 75 entschieden-- deswegen nicht gewinnwirksam in die Schlussbilanz des Jahres der ersten noch "offenen" Veranlagung übernommen werden darf, weil es in der Schlussbilanz des Vorjahres nicht enthalten war (vgl. Weber-Grellet, Finanz-Rundschau 2002, 210). Wird der Warenbestand im Wege der Gruppenbewertung in einem Bilanzposten zusammengefasst, so handelt es sich um den typischen Fall einer Ungenauigkeit, die aus Vereinfachungsgründen deswegen in Kauf genommen wird, weil sie sich infolge der Zweischneidigkeit der Bilanz in den Folgejahren neutralisiert. Die Zweischneidigkeit führt auch dann zu einer späteren Gewinnkorrektur, wenn in der betreffenden Bilanzposition --entgegen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung-- nicht alle Artikel erfasst sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Artikel, die in dem später angesetzten richtigen Warenbestand enthalten sind, mit denen identisch sind, die ursprünglich nicht erfasst wurden. Demgemäß hat der BFH im Urteil vom 28. April 1998 VIII R 46/96 (BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443) die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs in einem Fall angewandt, in dem Teile des Vorratsvermögens in den Vorjahren nicht aktiviert worden waren. Anders verhält es sich, wenn ein einzelnes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens nicht in die Bilanz aufgenommen wird. Hier kommt es zu keiner Gewinnkorrektur, solange nicht das nämliche Wirtschaftsgut in die Bilanz aufgenommen wird. Nur auf Grund dieses Unterschiedes konnte der X. Senat des BFH im Urteil in BFHE 197, 105, BStBl II 2002, 75 die Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs außer Betracht lassen. Dafür, dass er unzulässiger Weise von der Entscheidung des VIII. Senats in BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443 abweichen wollte, gibt es keinen Anhaltspunkt.

2. Dem FG ist auch kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unterlaufen. Insbesondere hat es nicht gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen.

Im Gegensatz zum Vortrag der Klägerin war sich das FG durchaus darüber im Klaren, dass der falsche Bilanzansatz auf der Nichterfassung oder mengenmäßigen Reduzierung einzelner Artikel beruhte. Das ergibt sich aus der Sachverhaltswiedergabe sowie aus dem letzten Satz der Urteilsgründe. Das FG hat lediglich eine andere Rechtsauffassung als die Klägerin vertreten.

3. Aus den unter 1. dargelegten Gründen ergibt sich zugleich, dass der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Übrigen verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 12. Dezember 2003 IV B 62/02 (juris).

Ende der Entscheidung

Zurück