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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.12.2004
Aktenzeichen: IV B 16/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 6 Abs. 1
FGO § 119 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Verluste der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --einer GbR-- in den Streitjahren (1988 bis 1996) steuerlich anzuerkennen sind. Gegenstand der GbR war die "Förderung des Turniertennissports zur Erzielung von Werbeeinnahmen". Gesellschafter der GbR waren (bis zu seinem Tod im Jahr 1993) Herr A, seine Ehefrau B und deren volljähriger Sohn C. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) betreute die Klägerin in den Streitjahren von wenigen Ausnahmen abgesehen ausschließlich die bei Gründung der GbR 15-jährige Tochter bzw. Schwester der Gesellschafter. Die Gesellschaft erlitt im Laufe der Jahre 1988 bis 1996 Verluste in Höhe von insgesamt 186 867 DM. Ende 1996 lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) es ab, eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Jahre 1988 bis 1994 durchzuführen, und hob die bisher ergangenen Feststellungsbescheide auf. Gleichzeitig erließ das FA einen negativen Feststellungsbescheid für das Jahr 1995 und Ende 1997 einen derartigen Bescheid für das Jahr 1996. Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG durch den nach § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestimmten Einzelrichter ab. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt ist.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

I. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargetan.

Insbesondere lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, inwiefern eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren Gelegenheit böte, über die bisherige Rechtsprechung hinaus Regeln dafür aufzustellen, wann eine "Sportfördergesellschaft" mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird. Nach ständiger Rechtsprechung kann aus einer (auf langjährigen Verlusten beruhenden) negativen Gewinnprognose noch nicht ohne weiteres gefolgert werden, der betreffende Steuerpflichtige habe auch subjektiv nicht beabsichtigt, einen Totalgewinn anzustreben. Ein solcher --vom Steuerpflichtigen widerlegbarer-- Schluss ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischer Weise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit Senatsurteil vom 26. Februar 2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455, m.w.N.). Es liegt auf der Hand, dass persönliche Gründe für die verlustbringende Tätigkeit einer "Sportfördergesellschaft" ausschlaggebend sein können, wenn (nahezu) einzig geförderte Person die noch in der Ausbildung befindliche Tochter bzw. Schwester der Gesellschafter ist. Andererseits kann nicht bezweifelt werden, dass jeder Einzelfall unterschiedliche Konstellationen aufweist, so dass allgemeine Aussagen nicht möglich sind.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird auch nicht durch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten dargetan. Das Gutachten kommt --zutreffend-- zu dem Ergebnis, dass der Rückschluss von einem negativen Totalgewinn allein auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht nicht zulässig sei. Es lässt jedoch unerwähnt, dass die Rechtsprechung des BFH --wie vorstehend gezeigt-- einen solchen Schluss nicht zieht. Das FG hat seine Entscheidung --anders als im Gutachten dargestellt-- auch nicht darauf gestützt, dass die Klägerin nur eine einzige Sportlerin gefördert habe, sondern darauf, dass es sich bei der (nahezu) einzig geförderten Sportlerin um die Tochter bzw. Schwester der Gesellschafter gehandelt hat. In Anbetracht dessen kann dahinstehen, ob das Gutachten noch berücksichtigt werden durfte, obwohl es erst nach Ablauf der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 FGO) eingereicht wurde (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 22, m.w.N.).

II. Verfahrensmängel

1. Als Verfahrensfehler kann nicht mit Erfolg gerügt werden, dass es im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils (S. 4 der Urteilsreinschrift) heißt "in den Streitjahren 1988 bis 1996 förderte die Gesellschaft ausschließlich die Tochter/Schwester der Gesellschafter". Wie die Entscheidungsgründe zeigen, hat das FG durchaus in Betracht gezogen, dass die Klägerin --wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen-- auch einige wenige familienfremde Sportlerinnen gefördert hat (S. 8 unten, 9 oben der Urteilsreinschrift).

Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit das FG in diesem Zusammenhang seine Hinweispflicht verletzt haben sollte. Bereits die Einspruchsentscheidung des FA wird darauf gestützt, dass die einzige Tätigkeit der Klägerin darin bestanden habe, die Tochter bzw. Schwester der Gesellschafter zu fördern. Damit liegt es auf der Hand, dass dieses Thema auch für das finanzgerichtliche Verfahren von ausschlaggebender Bedeutung war. Wenn von Seiten der Klägerin in der mit 105 Minuten bemerkenswert langen mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen wurde, die Klägerin habe im Jahr 1996 eine weitere Spielerin betreut und habe im Jahr 1992 die Spielerin Nr. 1 von ... und die Spielerin Nr. 2 von ... "unter Vertrag" gehabt, ohne dass dies freilich zu nennenswerten Erträgen geführt habe, so bestand für das Gericht (insoweit) kein Anlass zu weiteren Hinweisen oder Aufklärungsmaßnahmen.

2. Ein Verfahrensmangel kann auch nicht darin gesehen werden, dass das FG ausgeführt hat, die hohen Aufwendungen, insbesondere die Reisekosten hätten in keinem betriebswirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zu den zu erwartenden und auch tatsächlich erzielten Einnahmen gestanden. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG diese Aussage getroffen hat, ohne weitere Ermittlungen vorzunehmen; denn ihre Richtigkeit lag auf der Hand, sofern man nicht künftige Einnahmen in einer Höhe für möglich hielt, die die bisherigen bei weitem überstiegen. Hierfür hat das FG aber --nachvollziehbar-- keinen Anhaltspunkt gesehen.

3. Aus demselben Grund ist es nicht verfahrensfehlerhaft, wenn das FG ausgeführt hat, es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin einen Totalgewinn habe erreichen können. Es spricht insbesondere nichts dafür, dass das FG die mit Schriftsatz vom 14. November 2002 übersandten Anlagen --offensichtlich eine zu Werbezwecken zusammengestellte Präsentation-- nicht zur Kenntnis genommen hätte. Vielmehr liegt es nahe, dass das FG die in diesen Anlagen enthaltenen Informationen über die Aktivitäten der Folgejahre für die Beurteilung der Streitjahre nicht für aussagekräftig hielt. Hierfür spricht vor allem der Umstand, dass die Klägerin auch in den Jahren 1997 bis 2001 per Saldo Verluste in Höhe von 105 245 DM erlitten hat (S. 8 der Urteilsreinschrift). Hinzu kommt Folgendes: Wenn die verlustbringende Tätigkeit jahrelang (nahezu) ausschließlich einem Familienmitglied zugute kommt, kann die Gewinnerzielungsabsicht für diese Jahre nicht daraus hergeleitet werden, dass in späteren Jahren (auch) andere Personen gefördert werden, so dass die persönlichen Motive nicht mehr im Vordergrund stehen. Der Betrieb ändert hierdurch möglicherweise seinen Charakter. Nach Wegfall der persönlichen Motive entstehende Verluste können als Anlaufverluste des "neuen" Betriebs anzusehen sein (Senatsurteil vom 24. August 2000 IV R 46/99, BFHE 192, 542, BStBl II 2000, 674 unter 3.d.). Es kann demnach keine Rede davon sein, dass das FG die Entwicklung der Folgejahre nicht beachtet habe. Es hat sie lediglich anders bewertet als die Klägerin. Ob dies zu Recht geschehen ist, kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht geprüft werden (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82).

4. Ein Verfahrensfehler lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass das FG ausgeführt hat, der Bruder der geförderten Sportlerin habe seine Tätigkeit in der klagenden Gesellschaft nur nebenberuflich betrieben. Wörtlich lautet die beanstandete Passage: "Der private Charakter des Unternehmens wird auch dadurch unterstrichen, dass die Gesellschafter der GbR die Tätigkeit im Nebenberuf betrieben und jedenfalls die Gesellschafter A und B darauf nicht für ihren Lebensunterhalt angewiesen waren. Dies gilt insoweit auch für den Gesellschafter C, als er anfänglich noch unterhaltsberechtigter Student war, aber auch Einkünfte als Spitzentennissportler bezog und später ein eigenes Unternehmen gründete" (S. 9 der Urteilsreinschrift). Daraus folgt, dass das FG nur eingeschränkt davon ausgegangen ist, C sei auf Gewinne der GbR nicht für seinen Lebensunterhalt angewiesen gewesen. Die Äußerung lässt insbesondere nicht den Schluss zu, das FG habe verkannt, in welchem Umfang der Gesellschafter C für die GbR tätig war oder mit welcher Intensität er sich durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen auf den Beruf des ... vorbereitet hat. Es kommt letztlich auch nur darauf an, ob --unabhängig von der Gewinnerzielungsabsicht seiner Eltern-- jedenfalls C seine Tätigkeit in der GbR mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat. Das FG hat das verneint, da es die von der Klägerin hierzu vorgetragenen Indizien anders gewertet hat als diese selbst. Auch diese Wertung kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden. Es ist aber in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Gesellschafter C von der GbR eine Tätigkeitsvergütung erhielt, die --zumindest anteilig-- von den anderen beiden Gesellschaftern --seinen Eltern-- getragen wurde.

5. Entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Ansicht ist das Gericht nicht verpflichtet, den Beteiligten die einzelnen für seine Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Juni 1996 IV B 96/95, BFH/NV 1996, 919; vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58; vom 13. September 2000 IX B 63/00, juris; vom 12. September 2000 III B 48/99, juris). Erst recht besteht keine Verpflichtung, einen Beteiligten darauf hinzuweisen, was er noch vortragen könnte, um einer nach Auffassung des Gerichts abweisungsreifen Klage wenigstens zur Schlüssigkeit zu verhelfen.

6. Es liegt auch kein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 1 FGO vor. Die Übertragung eines Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommt nur dann als Besetzungsmangel i.S. des § 119 Nr. 1 FGO in Betracht, wenn die Übertragung willkürlich war (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 1999 VII R 15/99, BFHE 190, 47, BStBl II 2000, 88; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 5a, m.w.N.). Dergleichen hat die Klägerin im Streitfall nicht dargetan. Insbesondere kann eine Willkürentscheidung nicht darin gesehen werden, dass der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen wurde, bevor die letzten Schriftsätze der Klägerin eingegangen waren. Zwar kann der Senat über die Übertragung erst dann entscheiden, wenn er sich ein hinreichendes Urteil über den Fall bilden kann. Das ist aber bereits nach Eingang von Klagebegründung, Klageerwiderung und Steuerakten der Fall (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 6 FGO, Tz. 14, m.w.N.). Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel der Entlastung der Gerichte kann nur erreicht werden, wenn die Entscheidung über die Übertragung in einem relativ frühen Stadium des Prozesses getroffen wird (BFH-Beschluss in BFHE 190, 47, BStBl II 2000, 88 unter 3.).

7. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann schließlich nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass das Verfahren vor dem FG mit vier Jahren unzumutbar lange gedauert habe. Ab wann von einer überlangen, die Gewährung effektiven Rechtsschutzes unzumutbar beeinträchtigenden und deshalb verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Entscheidungsdauer auszugehen ist, lässt sich nicht generell festlegen, sondern ist eine Frage der Abwägung und Entscheidung im Einzelfall (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 1 BvR 1196/04, Neue Juristische Wochenschrift 2004, 3320). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25. November 1998 (Stellungnahme zur Klageerwiderung des FA) angekündigt hatte, in Kürze weiter zur Sache vorzutragen. Dies geschah jedoch nicht, bevor der Berichterstatter mit Verfügung vom 10. Juli 2002 gebeten hatte, den Sachvortrag --wie angekündigt-- zu ergänzen und insbesondere die weitere Entwicklung der Tätigkeit der GbR darzulegen. Dieser Umstand führt zusammen mit der bekannten Belastung der FG dazu, dass die Verfahrensdauer noch nicht als unzumutbar lang anzusehen ist.

8. Rügen der unrichtigen Rechtsanwendung können im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden.

Ende der Entscheidung

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