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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: IV B 160/04
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
AO 1977 § 363 Abs. 2
AO 1977 § 363 Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 363 Abs. 2 Satz 4
FGO § 74
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, gegen die für das Streitjahr (1998) ein Gewerbesteuermessbescheid mit der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags von 115 DM ergangen ist. Im Einspruchsverfahren berief sich die Klägerin einerseits auf die Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer. Andererseits machte sie geltend, der Steuerbetrag sei jeweils anteilig zu kürzen, so dass die Gesamtsteuerlast aus Einkommen-, Vermögen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag 50 v.H. des sog. Sollertrags nicht überschreite. Zugleich beantragte die Klägerin, das Verfahren gemäß § 363 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ruhen zu lassen, bis der Bundesfinanzhof (BFH) über genau bezeichnete Verfahren betreffend den sog. Halbteilungsgrundsatz entschieden habe.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ das Verfahren zunächst ruhen, erließ aber dann später doch eine Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, das FA habe über den Einspruch nicht entscheiden dürfen. Zugleich beantragte sie, das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in den Sachen 1 BvL 2/04, 2 BvR 2194/99 und 1 BvL 112/04 auszusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Verfahren sei nicht auszusetzen. In der Sache habe die Klage keinen Erfolg, weil die Einspruchsentscheidung rechtmäßig ergangen und der Gewerbesteuermessbetrag richtig festgesetzt worden seien. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit der dagegen gerichteten Beschwerde macht die Klägerin mehrere Revisionszulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO geltend.

Das Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler, weil das FG nicht habe entscheiden dürfen, sondern das Verfahren nach § 74 FGO hätte aussetzen müssen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil zu klären sei, ob § 363 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 auch auf Fälle des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 anzuwenden sei. Eine Entscheidung des BFH sei außerdem zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Künftige unterschiedliche Entscheidungen zum Halbteilungsgrundsatz müssten verhindert werden. Das FG weiche zudem vom Beschluss des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) ab.

Mit Schriftsatz vom 23. November 2004 hat die Klägerin eine Aussetzung bzw. ein Ruhen des Verfahrens beantragt. Beim BVerfG sei eine Verfassungsbeschwerde unter dem Az. 1 BvR 484/04 anhängig, die die Frage der Zulässigkeit der Revision nur nach Zulassung durch FG oder BFH betreffe. Unter dem Az. 1 BvL 2/04 sei auf Vorlage des Niedersächsischen FG ein Verfahren betreffend die Verfassungswidrigkeit der Gewerbesteuer anhängig. Jene Verfahren seien für das hiesige vorgreiflich.

Der Senat hat angeregt, dass das FA den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid im Hinblick auf das Verfahren vor dem BVerfG 1 BvL 2/04 nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO 1977 für vorläufig erklärt. Die Klägerin hat einer solchen Änderung des Bescheids jedoch nicht zugestimmt.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

a) Nach Auffassung des Senats ist das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des BVerfG über das Verfahren 1 BvL 2/04 auszusetzen. Hierzu wird auf die Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 15. März 2005 IV B 91/04 (BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647) verwiesen.

b) Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 18. Januar 2006 in der Sache 2 BvR 2194/99 entschieden und die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen hat (abgedruckt z.B. in Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 555), kommt auch im Hinblick auf dieses Verfahren eine Aussetzung nicht in Betracht.

c) Eine Aussetzung des Verfahrens kann zudem auch nicht im Hinblick auf das von der Klägerin genannte Verfahren 1 BvR 484/04 erfolgen. Dieses Verfahren ist durch Beschluss des BVerfG vom 19. Mai 2005 erledigt.

2. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

a) Das Urteil des FG beruht nicht auf dem gerügten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hatte keine Veranlassung, das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen. Es konnte sich auf dieselben Gründe stützen, die der Senat in seinem Beschluss in BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647 ausführlich dargestellt hat.

b) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung ist nicht erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Die mit der Beschwerde herausgearbeitete Frage, ob § 363 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 (Fortsetzung des Einspruchsverfahrens) auch auf Fälle des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 anzuwenden sei, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Denn die Voraussetzungen des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 waren im Streitfall nicht erfüllt. Ein Einspruchsverfahren ruht danach nur dann, wenn ein (anderes) Verfahren bei einem der in der Vorschrift genannten Gerichte anhängig ist, das für die Entscheidung über den Einspruch rechtserheblich ist (Birkenfeld in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 363 AO Rz. 166). Im Streitfall waren nach den vorstehenden Ausführungen weder das Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer noch die Verfahren zur Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes präjudiziell. Deshalb ruhte das Einspruchsverfahren nicht, so dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung eines ruhenden Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO 1977 für die Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits keine Bedeutung haben.

c) Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Das FG-Urteil stellt keinen von dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 abweichenden Rechtssatz auf. Die Rechtsfrage, inwieweit sich ein Steuerpflichtiger auf den sog. Halbteilungsgrundsatz berufen kann, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Es kann demnach dahinstehen, ob eine Entscheidung in einer Ertragsteuersache überhaupt von einem Beschluss des BVerfG zur Vermögensteuer in der Weise abweichen kann, dass die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision vorliegen.

Ende der Entscheidung

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