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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.03.2006
Aktenzeichen: IV B 177/04
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
Gründe:
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellt ... her. Im Mai 1992 beantragte sie die wasserbehördliche Genehmigung für die Umgestaltung der Imprägnierungsanlage. In diesem Zusammenhang fand eine Ortsbesichtigung statt, bei der Verunreinigungen des Pflasters vor der Imprägnierungsanlage festgestellt wurden. Unter dem Datum vom 1. Oktober 1993 erteilte die untere Wasserbehörde der Stadt X die Genehmigung. Dem Schreiben der Behörde war folgender Zusatz beigefügt:
"Aufgrund der bisherigen Betriebsweise Ihrer o.g. Anlage besteht von hier aus der Verdacht, dass wassergefährdende Stoffe in den Boden bzw. in das Grundwasser gelangt sein könnten. Daher weise ich bereits an dieser Stelle darauf hin, dass spätestens zu Beginn des Jahres 1994 auf Ihrem Grundstück nach vorheriger Absprache mit Ihnen durch ein von uns beauftragtes Fachunternehmen 2 Grundwassermessstellen errichtet und auf die einschlägigen Parameter beprobt werden sollen. Ich komme in dieser Angelegenheit unaufgefordert auf Sie zurück."
In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1992, die am 3. Februar 1994 aufgestellt wurde, wies die Klägerin eine Altlastensanierungsrückstellung in Höhe von 112 500 DM aus. Die Klägerin ging davon aus, dass ca. 1 500 m³ Boden zu einem geschätzten Entsorgungspreis von 75 DM pro m³ entsorgt werden müssten.
Nach Aufstellung des Jahresabschlusses wurde am 28. Februar 1994 der Boden südlich und westlich des Betriebsgeländes der Klägerin auf eine mögliche Grundwasserkontamination untersucht. Dabei wurden deutliche Verunreinigungen durch die Schwermetalle Blei, Kupfer, Quecksilber und Zink festgestellt. Die Stadt X wies die Klägerin mit Schreiben vom 25. April 1994 darauf hin, dass weitere Untersuchungen unbedingt erforderlich seien, um zu prüfen, ob die festgestellten Verunreinigungen des Grundwassers von der Klägerin oder von anderer Stelle ausgingen. In einem weiteren Schreiben vom 30. Januar 1995 teilte die Behörde der Klägerin mit, dass erst nach Vorliegen weiterer Untersuchungsergebnisse entschieden werden könne, "ob und in welchem Umfang" Sanierungsmaßnahmen erforderlich seien. Im Rahmen einer Besprechung vom 18. Juni 1997 wiesen die Vertreter der Behörde auf "die rechtlich unzweifelhaft gegebene Möglichkeit einer Sanierungsverfügung" hin.
Im Jahr 1997 wurde der Boden an der Imprägnierungsanlage bis auf eine Tiefe von 2 1/2 bis 3 m ausgekoffert.
Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Rückstellung nicht mehr an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Die Revision gegen sein Urteil ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach Auffassung der Klägerin bedarf folgende Frage der höchstrichterlichen Klärung:
"Steht bei Ankündigung eines Gefahrenerforschungseingriffs durch die zuständige Behörde verbunden mit der eigenen Kenntnis des Steuerpflichtigen von einer Verunreinigung des Bodens und einer behördlichen Kenntnis von Tatsachen, die einen Gefahrenerforschungseingriff rechtfertigen, die Kenntnisnahme der Fachbehörde von den Tatsachen, die der Rückstellungsbildung zugrunde liegen, unmittelbar bevor, so dass die Bildung einer Rückstellung wegen Altlastensanierung steuerlich anzuerkennen ist?"
Es ist zweifelhaft, ob diese Rechtsfrage der Klärung bedarf oder ob sie durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Dezember 2001 VIII R 34/99 (BFH/NV 2002, 486) geklärt ist (nachfolgend unter 1.). Jedenfalls ist sie im Streitfall nicht klärungsfähig (nachfolgend unter 2.).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH darf eine Altlastenrückstellung jedenfalls dann nicht gebildet werden, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schaden der für die Entscheidung über die Rechtsfolgen zuständigen Behörde bekannt ist oder alsbald bekannt sein wird und der Zustands- oder Handlungsstörer deshalb mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 486 unter II.2.a, m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist die Kenntnis der Fachbehörde keine rechtliche Voraussetzung für die Bildung einer Altlastenrückstellung. Sie stellt vielmehr nichts anderes als eine --wenn auch gewichtige und daher nur schwer zu widerlegende-- tatsächliche Vermutung dafür dar, dass eine ernsthafte (überwiegend wahrscheinliche) Inanspruchnahme des Schuldners solange nicht droht, als der Gläubiger sie nicht kennt (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 486 unter II.2.a, a.E.).
In seiner Entscheidung in BFH/NV 2002, 486 hat der BFH die Auffassung des FG gebilligt, mit einer alsbaldigen Kenntnis der Behörde von der konkreten Bodenbelastung sei erst nach Anordnung und Durchführung von Bodenuntersuchungen zu rechnen gewesen (unter II.2.b aa des Urteils). Daraus könnte man schließen, dass die bloße Ankündigung einer Untersuchung, diese Voraussetzung nicht erfüllt.
2. Selbst wenn man insoweit eine andere Auffassung vertreten wollte, könnte die Klage im Streitfall deshalb keinen Erfolg haben, weil jedenfalls am Bilanzstichtag 31. Dezember 1992 keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Kenntnisnahme der Behörde von der Kontaminierung des Bodens unmittelbar bevorstand. Die Ankündigung der Untersuchungen, die Anfang 1994 durchgeführt werden sollten, fand sich erstmalig im Schreiben der Behörde vom 1. Oktober 1993.
Die gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende Kenntnis der Behörde von der Bodenbelastung stellt --wie ausgeführt-- ein Indiz für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme dar. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme muss jedoch zum Bilanzstichtag gegeben sein (BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 77/96, BFHE 191, 339, BStBl II 2002, 227; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 24. Aufl., § 5 Rz. 376, 377). Wertaufhellende Tatsachen können noch in einem bestimmten zeitlichen Rahmen berücksichtigt werden, nicht aber neue Tatsachen. Als "wertaufhellend" sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden. Der zu beurteilende Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung ist daher auf die am Bilanzstichtag --objektiv-- bestehenden Verhältnisse zu beziehen (BFH-Urteile vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688 unter II.3.b, und vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, Deutsches Steuerrecht 2006, 371).
"Objektiv" bestand am Bilanzstichtag (dem 31. Dezember 1992) noch kein Anhaltspunkt, der auf eine mögliche Inanspruchnahme hätte hindeuten können. Allein die anlässlich der Ortsbesichtigung im Jahr 1992 festgestellte Verunreinigung des Pflasters reicht hierzu nicht aus.
Ende der Entscheidung
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