Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.04.2003
Aktenzeichen: IV B 188/01
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 16
EStG § 34
FGO § 48
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
AO 1977 § 179 Abs. 2 Satz 3
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war seit 1975 an einem Leasing-Fonds beteiligt. Fonds-Gesellschaft war die A-GbR (GbR), deren Gesellschafter die A-GmbH (GmbH) und der Treuhänder B waren. Zweck der GbR sowie zahlreicher weiterer Beteiligungsgesellschaften war die Beteiligung an der A-GmbH & Co. KG (KG) als atypisch stille Gesellschafterin. Die Klägerin hatte als Treugeberin eine Einlage von ... DM bei der GbR übernommen.

Im Jahr 1985 stellten sowohl die KG als auch die GmbH Anträge auf Konkurseröffnung, die vom Konkursgericht im Mai bzw. Juni 1985 abgelehnt wurden. Am 28. Juni 1985 versammelten sich Gesellschafter aller Beteiligungsgesellschaften und beschlossen u.a., die Beteiligungsgesellschaften und die KG weiterbestehen zu lassen, bis ein beim Finanzgericht (FG) schwebender Rechtsstreit über die Aktivierung von Provisionszahlungen abgeschlossen sei. Die Mehrheit der anwesenden Gesellschafter beschloss, dass B die Beteiligungsgesellschaften gegenüber den Finanzbehörden vertreten sollte.

Der genannte Rechtsstreit wurde in einem Erörterungstermin vom 9. November 1990 einvernehmlich beendet. U.a. verständigten sich die Beteiligten darüber, dass die negativen Kapitalkonten der Anteilseigner mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über die KG aufzulösen seien. Die Feststellungsbescheide betreffend die Beteiligungsgesellschaften sollten B bekannt gegeben werden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der GbR für das Jahr 1983 auf der Grundlage einer Schätzung vorgenommen, nachdem die GbR keine Steuererklärungen vorgelegt hatte und von B lediglich eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung gefertigt worden waren. Der Feststellungsbescheid wurde B als Empfangsbevollmächtigtem bekannt gegeben. Auch für 1984 erging aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen ein Feststellungsbescheid an B.

Für das Streitjahr 1985 schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen ebenfalls und ermittelte dazu die negativen Kapitalkonten der Treugeber-Gesellschafter. Für die Klägerin ergab sich dabei folgende Berechnung:

Festkapital ... DM Variables Kapital 31.12.1984 ./. ... DM Sonderbilanz ./. ... DM Gesamt ./. ... DM

Das FA erließ den Gewinnfeststellungsbescheid 1985 unter dem 31. Oktober 1991 und stellte die Einkünfte insgesamt auf ... DM fest. Diese wurden auf die GmbH und die Treugeber verteilt; der Treuhänder fand keine Erwähnung. Auf die Klägerin entfiel nach dem Bescheid ein gemäß §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigter Gewinn von ... DM. Der Bescheid wurde allen Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben. Die Klägerin und zwei andere Treugeber legten gegen den Bescheid Einspruch ein. Daraufhin minderte das FA die festgestellten Gesamteinkünfte auf ... DM, wodurch sich der Gewinnanteil der Klägerin jedoch nicht änderte.

Die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus:

1. Soweit die Klägerin erstmals mit der Klage das Bestehen einer Mitunternehmerschaft in der GbR bzw. eine atypisch stille Beteiligung an der KG in Frage gestellt habe, sei die Klage unzulässig. Die Mitunternehmerschaft der Klägerin sei durch den Gewinnfeststellungsbescheid bestandskräftig festgestellt, denn insoweit sei der Bescheid nicht mit dem Einspruch angefochten worden. Im Übrigen habe das FA im Ergebnis zu Recht eine Mitunternehmerschaft und keinen "Darlehensgeber-Pool" angenommen.

2. Die Versteuerung des negativen Kapitalkontos sei zu Recht im Jahr 1985 erfolgt.

a) Für die Anknüpfung an das Jahr 1985 sprächen der Konkursantrag der KG sowie das faktische Ende der Geschäftstätigkeit der GbR mit Beendigung der Geschäftstätigkeit der KG. In diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass mit Gewinnanteilen zum Ausgleich der negativen Kapitalkonten nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Soweit das FA darin eine Betriebsaufgabe der Beteiligungsgesellschaften gesehen habe, beständen dagegen keine Bedenken.

b) Die Klägerin sei an die betreffende Einigung zwischen B und dem FA nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht gebunden. Als Treuhänder der GbR sei B jahrelang gegenüber dem FA wie ein Bevollmächtigter aufgetreten. Er habe Gewinnfeststellungsbescheide entgegengenommen und diese an die betreffenden Gesellschafter weitergeleitet, was der Klägerin bekannt gewesen und von ihr akzeptiert worden sei.

c) Dementsprechend sei auch der Feststellungsbescheid 1984 wirksam an B bekannt gegeben worden. Hinfällig sei damit der Einwand der Klägerin, wegen fehlerhafter Bekanntgabe sei der Bilanzenzusammenhang durchbrochen, so dass eine Nachversteuerung des negativen Kapitalkontos im Jahr 1985 unzulässig sei, wenn dieses bereits in einem früheren Jahr hätte aufgelöst werden müssen.

3. Der Feststellungsbescheid sei nicht nichtig. Die Schätzung sei unstreitig in zutreffender Höhe erfolgt.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin mehrere Verfahrensfehler geltend. Sie rügt u.a., das FG habe die notwendige Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der übrigen Gesellschafter der GbR versäumt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 116 Abs. 6 FGO.

1. Das Urteil beruht auf einem schwerwiegenden Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG hat nicht beachtet, dass im Rahmen des zweistufigen Verfahrens bei der Gewinnfeststellung für treuhänderisch Beteiligte an einer Personengesellschaft zu der Klage eines Treugeber-Gesellschafters zumindest der Treuhänder notwendig beizuladen ist.

Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen. Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 FGO Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher klagebefugten Personen, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum Verfahren beigeladen werden (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Januar 1992 VIII B 33/90, BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559). Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO sind gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid einer Personengesellschaft in erster Linie die zur Vertretung befugten Geschäftsführer klagebefugt. Der BFH hat diese Bestimmung in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass der Gesellschaft in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter eine Klagebefugnis eingeräumt wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559, m.w.N.). Fehlen zur Vertretung befugte Geschäftsführer und ist auch kein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt, der nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 i.V.m. Abs. 2 FGO klagebefugt wäre, sind alle Gesellschafter klagebefugt (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Klagebefugt ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO auch derjenige Gesellschafter, der von einer zu entscheidenden Frage persönlich berührt wird.

Sind an einer Personengesellschaft mehrere Treugeber über einen Treuhänder beteiligt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der Gesellschaft grundsätzlich in einem zweistufigen Verfahren durchzuführen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. April 1988 IV R 47/85, BFHE 153, 545, BStBl II 1989, 722, und vom 13. Juli 1999 VIII R 76/97, BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747; vom 13. Dezember 2000 X R 42/96, BFHE 194, 305, BStBl II 2001, 471). In der ersten Stufe des Verfahrens ist gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) der Gewinn oder Verlust der Gesellschaft festzustellen und auf die Gesellschafter entsprechend dem maßgebenden Verteilungsschlüssel aufzuteilen. In einem zweiten Feststellungsbescheid muss der Gewinnanteil des Treuhänders entsprechend § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 auf die Treugeber aufgeteilt werden. Beide Feststellungen können im Fall eines offenen, d.h. allen Beteiligten bekannten Treuhandverhältnisses miteinander verbunden werden. Durch die Zusammenfassung ändern sich die Rechte der Beteiligten allerdings nicht; dies gilt auch für die Klagebefugnis (BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 73/93, BFH/NV 1995, 81).

Daraus folgt, dass in einem Rechtsstreit gegen einen zusammengefassten Bescheid die Klagebefugnis danach zu beurteilen ist, auf welcher Stufe der Feststellung der Rechtsstreit ausgetragen wird. Klagt wie im Streitfall ein Treugeber-Gesellschafter, betrifft die Klage die zweite Stufe. Der Treugeber-Gesellschafter, hier die Klägerin, kann in diesem Verfahren nur geltend machen, durch die Verteilung des auf der ersten Stufe festgestellten Gewinns in seinen Rechten verletzt zu sein. Zu diesem Rechtsstreit ist in jedem Fall der Treuhänder beizuladen (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1987 IV R 164/84, BFH/NV 1988, 239).

2. Das FG erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit, die Beiladung des Treuhänders sowie ggf. anderer Treugeber nachzuholen. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Gericht auch zu prüfen haben, inwieweit sich das Begehren der Klägerin im Rahmen der durch das zweistufige Feststellungsverfahren vorgegebenen Grenzen der Klagebefugnis hält. Soweit die Klagebefugnis reicht, wird weiter zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang der angefochtene Bescheid der Klägerin gegenüber formell und materiell wirksame Regelungen enthält.

Ende der Entscheidung

Zurück