Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: IV B 224/03
Rechtsgebiete: AO 1977
Vorschriften:
AO 1977 § 129 | |
AO 1977 § 173 | |
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1 | |
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
Gründe:
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind zusammenveranlagte Ehegatten. Sie betreiben gemeinsam ein Atelier für Grafikdesign in der Rechtsform einer GbR.
Die Einkünfte der GbR für das Streitjahr (1998) stellte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zunächst auf Grund einer Schätzung mit Feststellungsbescheid vom 27. Januar 2000 auf 171 500 DM fest, wovon jedem der Antragsteller die Hälfte zugerechnet wurde. Im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid kam es zu einer höheren Feststellung, nämlich zu dem Feststellungsbescheid vom 7. Februar 2000 über Einkünfte von 316 251 DM, was den Angaben in der nachgereichten Feststellungserklärung entsprach. Diesen Betrag übernahm das FA auch in den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 5. April 2000.
Am 24. Juli 2000 erließ das FA einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem die Einkünfte aus der GbR wieder mit einem Betrag von 171 500 DM angesetzt wurden. In der Erläuterung zu dem Bescheid heißt es, die Abweichung von der Erklärung ergebe sich aus dem Feststellungsbescheid vom 27. Januar 2000.
Nach einer Außenprüfung erging am 20. Februar 2003 ein nach § 173 AO 1977 geänderter Feststellungsbescheid über 316 880 DM (Mehrergebnis 629 DM). Gestützt auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 erließ das FA unter dem 20. März 2003 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, dem es den festgestellten Betrag von 316 880 DM zugrunde legte.
Mit dem Einspruch gegen diesen Einkommensteuerbescheid, über den das FA noch nicht entschieden hat, machen die Antragsteller geltend, das FA hätte die Einkünfte aus der GbR gegenüber dem früheren Bescheid allenfalls um den Mehrgewinn von 629 DM erhöhen dürfen. Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.
Auch das Finanzgericht (FG) entsprach dem Begehren nach AdV nicht. Die Antragsteller könnten sich gegen den Folgebescheid nicht mit Einwänden gegen die Ermessensausübung bei Erlass des Feststellungsbescheids wehren. Der Feststellungsbescheid sei jedenfalls nicht nichtig. Das FA habe den geänderten Einkommensteuerbescheid auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 stützen können, denn diese Vorschrift gestatte eine mehrfache Änderung des Folgebescheids bis zum Erreichen des materiell richtigen Ergebnisses. Auch Treu und Glauben hätten einer Änderung nicht entgegen gestanden.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, die Auswertung des ersten Grundlagenbescheids sei mit dem zutreffenden Einkommensteuerbescheid vom 5. April 2000 verbraucht worden. Soweit ein weiterer Grundlagenbescheid inhaltlich nur als Wiederholung des früheren Bescheids anzusehen sei, biete er keine Grundlage für die Änderung eines Folgebescheids (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Dezember 2000 X R 42/96, BFHE 194, 305, BStBl II 2001, 471). Der geänderte Feststellungsbescheid habe den vorherigen Feststellungsbescheid suspendiert und in sich aufgenommen. Im Streitfall sei es auch nicht um die Nachholung einer versäumten Anpassung des Folgebescheids gegangen. Die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung stelle einen Rechtsfehler dar, der nicht "gelegentlich" einer Anpassung des Folgebescheids unterlaufen sei.
Die Antragsteller beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1998 vom 20. März 2003 in dem Umfang auszusetzen, der sich aus der Erhöhung des Gewinns aus selbständiger Arbeit von 171 500 DM auf 316 251 DM ergibt.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Selbst bei der im Verfahren wegen AdV gebotenen --nur-- summarischen Betrachtung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vom 20. März 2003. Das FA hat den Bescheid zu Recht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt.
Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO 1977), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gebietet es § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, auch Fehler, die bei der Auswertung eines Grundlagenbescheids im Folgebescheid unterlaufen sind, nachträglich richtig zu stellen. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides beschränkt sich nicht auf eine bloße mechanische Übernahme seines Inhalts in den Folgebescheid (BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143). Sie steht vielmehr --weitergehend-- jedem Ansatz der gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlage im Folgebescheid entgegen, der dem Inhalt des Grundlagenbescheides widersprechen würde (BFH-Urteile vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BFHE 150, 345, BStBl II 1988, 342; vom 14. April 1988 IV R 219/85, BFHE 153, 285, BStBl II 1988, 711; vom 17. Februar 1993 II R 15/91, BFH/NV 1994, 1; vom 10. Juni 1999 IV R 25/98, BFHE 188, 548, BStBl II 1999, 545).
b) Allerdings rechtfertigt die Verpflichtung zur Anpassung des Folgebescheids keine Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung. Sie reicht vielmehr nur so weit, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides (vgl. §§ 171 Abs. 10, 182 Abs. 1 AO 1977) verlangt (BFH-Urteil vom 25. Juni 1991 IX R 57/88, BFHE 164, 502, BStBl II 1991, 821, m.w.N.). Der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Grundlagenbescheides darf deshalb nicht zum Anlass genommen werden, für den Folgebescheid bedeutsame Besteuerungsgrundlagen zu ändern, wegzulassen oder erstmals aufzunehmen, die weder Gegenstand des Grundlagenbescheides sind noch durch seinen Regelungsinhalt beeinflusst werden (Senatsurteil vom 15. Februar 2001 IV R 9/00, BFH/NV 2001, 1007). Ein rein wiederholender Bescheid löst keine Anpassungsverpflichtung aus und kann deshalb nicht Grundlage für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 sein (BFH in BFHE 194, 305, BStBl II 2001, 471).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das FA mit dem Erlass des angefochtenen Bescheids in vollem Umfang seiner Verpflichtung zur Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nachgekommen. Es hat bei der Anpassung zwar einen früheren Fehler korrigiert. Diese Korrektur ist aber von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 mit umfasst. Es handelt sich nicht um die Korrektur von mit dem Regelungsinhalt des Grundlagenbescheids nicht zusammenhängenden Fehlern bei der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des Senatsurteils in BFH/NV 2001, 1007. Der Grundlagenbescheid war auch kein wiederholender Bescheid, sondern er löste wegen der geänderten Höhe der Einkünfte eine Anpassungsverpflichtung für den Folgebescheid aus.
3. Das FA war nicht nach Treu und Glauben an der Auswertung des Grundlagenbescheids gehindert. Wie das FG hierzu zutreffend ausgeführt hat, wurde von dem FA kein Vertrauenstatbestand geschaffen, wonach die Antragsteller nicht mehr mit einer Korrektur der erkennbar fehlerhaften Auswertung des früheren Grundlagenbescheids hätten rechnen müssen. Vielmehr hätte wegen der offenbaren und nicht auf Rechtserwägungen beruhenden Fehlerhaftigkeit eine Berichtigung des Bescheids vom 24. Juli 2000 zumindest auf der Grundlage von § 129 AO 1977 durchgeführt werden müssen.
Wenn das FA den Fehler bei Erlass der Prüfungsanordnung festgestellt haben sollte, musste es die Berichtigung nicht isoliert vor Abschluss der Außenprüfung vornehmen, sondern konnte in dem hier gegebenen Fall einer Änderung des Grundlagenbescheids die Berichtigung mit der Anpassung des Folgebescheids verbinden.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.