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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.06.2000
Aktenzeichen: IV B 26/99
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 51 Abs. 3
FGO § 51 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater und führt oder führte in eigener Sache mehrere Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) Hamburg, in denen die Richterin am Landgericht A als Berichterstatterin am 16. September und 26. November 1998 Erörterungstermine durchführte, an denen auch der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter teilnahmen. Am 27. November 1998 beantragte der Kläger, die Richterin A wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, weil sie Richterin am Landgericht X sei und damit einer Körperschaft angehöre, deren Interessen durch seine anhängigen Verfahren berührt würden. Er, der Kläger, habe nämlich bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht zahlreiche Strafanzeigen erstattet, die nur unzureichend verfolgt worden seien; auch habe das Landgericht eine Schadensersatzklage fehlerhaft abgewiesen. Die Richterin habe zudem in den Erörterungsterminen nicht protokollieren wollen, dass zahlreiche Beamte sich schwerwiegender Rechtsverletzungen ihm gegenüber schuldig gemacht hätten. Er habe sich deshalb an die Präsidentin der Bürgerschaft gewandt und hege den Verdacht, dass sich die Richterin mit der Präsidentin abgesprochen habe.

In ihrer dienstlichen Äußerung vom 15. Dezember 1998 hat A erklärt, bei Protokollierung ihrer Dienstbezeichnung "Richterin am Landgericht" habe der Kläger keine Reaktion gezeigt, sonst hätte sie ihm erläutern können, dass sie ordentliches Mitglied des I. Senats des FG X sei. In einer ergänzenden dienstlichen Äußerung vom 8. Januar 1999 erklärte A, zwischen ihr und der Präsidentin der Bürgschaft hätten "weder Absprachen noch sonstige Kontaktaufnahmen" stattgefunden; im Übrigen sei sie während ihrer Zugehörigkeit zum Landgericht X zu keiner Zeit mit Verfahren des Klägers befasst gewesen.

Mit Beschluss vom 28. Januar 1999 hat das FG ohne die abgelehnte Richterin das Ablehnungsgesuch mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei abzulehnen, weil die Richterin A nicht unter § 51 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) falle und sich der Kläger in Kenntnis des Ablehnungsgrundes in eine Verhandlung eingelassen habe (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 43 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Die Unterlassung, seine Vorwürfe gegen verschiedene Amtsträger zu protokollieren, hätte der Kläger spätestens im Erörterungstermin vom 26. November 1998 rügen müssen. Im Übrigen seien die besagten Vorwürfe Gegenstand seines schriftlichen Vorbringens und daher bereits in den Prozess eingeführt. Die unterlassene Aufnahme in das Protokoll sei daher nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen. Der vom Kläger geäußerte Verdacht einer Absprache zwischen der Richterin und der Präsidentin der Bürgerschaft rechtfertige keine Ablehnung, weil der Kläger keine Tatsachen angeführt habe, die geeignet wären, diese Annahme zu stützen. Insoweit sei das Ablehnungsgesuch ebenso unzulässig wie hinsichtlich des unsubstantiierten Vorwurfs, die Richterin habe eine "ständige Rechtsprechung zum Verbot grob nachteiliger Schätzungen" nicht beachtet.

Dagegen hat der Kläger die vorliegende Beschwerde eingelegt und diese unter Beifügung zahlreicher Anlagen umfänglich im Wesentlichen damit begründet, er sei Opfer von "Verwaltungskriminalität", begangen durch mehrere Beamte des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) und die mit seinen Anzeigen beschäftigten Staatsanwälte. Der konkrete Verdacht, dass Absprachen zwischen der Bürgerschaftspräsidentin und der Richterin A sei "durch die Art und Weise der Handlungen der LG-Richterin Frau A am 16. 09. und 26. 11. 1998" bestätigt worden. Die Richterin habe im Erörterungstermin die von ihm abgelehnten groben Schätzungen des FA zur Grundlage eines Einigungsvorschlags gemacht und damit grob fahrlässig Betriebsausgaben außer Acht gelassen, die bereits vom FG festgestellt worden seien.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (§ 130 FGO).

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Ablehnungsgesuche zu Recht verworfen.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, 147, BStBl II 1985, 555). Solche Gründe liegen hier nicht vor. Sie können nicht darin gesehen werden, dass die Richterin im Erörterungstermin die vom Kläger abgelehnten Schätzungen des FA zur Grundlage eines Einigungsvorschlags gemacht und damit angeblich bereits vom FG festgestellte Betriebsausgaben nicht berücksichtigt hat. Das FA hat hierzu richtig gestellt, dass das FG keine Betriebsausgaben anerkannt, sondern in einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. Februar 1998 lediglich eine vom FA zugesagte Teilaussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerveranlagungen protokolliert hat. Unabhängig davon sind unrichtige Rechtsansichten und Verfahrensverstöße kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit, wenn nicht zugleich Anhaltspunkte für unsachliche Erwägungen vorliegen (Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 1995 IV B 37/95, BFH/NV 1996, 145, und vom 12. September 1996 IV B 8/96, BFH/NV 1997, 243). Für die von ihm vermutete Absprache zwischen der Richterin A und der Präsidentin der Bürgerschaft hat der Kläger auch im Beschwerdeverfahren keine Tatsachen vorgetragen, die in substantiierter Weise diesen schwerwiegenden Vorwurf stützen könnten.

2. Eine Besorgnis der Befangenheit der Frau A kann auch nicht aus § 51 Abs. 3 FGO im Hinblick auf ihre Dienstbezeichnung "Richterin am Landgericht" hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift ist die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO stets dann begründet, wenn der Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört oder angehört hat, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 7. Mai 1974 IV S 5-6/74 (BFHE 112, 25, BStBl II 1974, 385) ausgeführt hat, ist mit "Vertretung einer Körperschaft" in diesem Zusammenhang (wie bei juristischen Personen ganz allgemein) das Organ zu verstehen, das die Körperschaft nach außen vertritt, also mit rechtsverbindlicher Wirkung für die Körperschaft zu handeln befugt ist. Unter § 51 Abs. 3 FGO fallen daher nur solche Richter, die z.B. (als Minister) den Bund oder ein Land vertreten oder eine entsprechende Funktion innerhalb einer Gemeinde ausgeübt haben oder die zum Vorstand einer an dem Rechtsstreit interessierten AG u.ä. gehört haben (st. Rechtsprechung, vgl. etwa Beschlüsse des BFH vom 14. April 1986 III B 47/84, BFH/NV 1986, 547, und vom 25. Mai 1988 I B 8/88, BFH/NV 1989, 454). Dass die Richterin am Landgericht A jemals eine derartige Funktion innehatte, behauptet der Kläger selbst nicht.



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