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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: IV B 37/05
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, KO
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 6 | |
FGO § 155 | |
ZPO § 240 | |
KO § 10 |
Gründe:
I. Nach Klageerhebung im Jahr 1995 wurde über das Vermögen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) im Januar 1999 das Konkursverfahren eröffnet. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) meldete Forderungen auf Einkommensteuer und auf Umsatzsteuer zur Konkurstabelle an. Sie wurden vom Konkursverwalter überwiegend anerkannt.
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) einen Beschluss des Finanzgerichts (FG) vom 23. Oktober 2002, mit dem das Verfahren im Hinblick auf das Konkursverfahren eingestellt worden war, durch Beschluss vom 17. Februar 2004 IV B 209/03 (BFH/NV 2004, 966) aufgehoben hatte, lehnte der Konkursverwalter die Aufnahme des Verfahrens ab. Daraufhin wies das FG die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 19. Januar 2005 13 K 107/04 als überwiegend unzulässig, hinsichtlich der Umsatzsteuer 1987 als unbegründet ab. Die Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger sei unzulässig, soweit es sich um einen Passivprozess handele. Dies treffe für alle Streitgegenstände mit Ausnahme der Umsatzsteuer 1987 zu. Seinen Aufnahmeantrag habe der Kläger nicht wirksam zurücknehmen können, weil eine einseitige Prozesshandlung nicht frei widerrufen werden könne. Bezüglich der Umsatzsteuer 1987 sei die Klage nicht begründet, weil es an dem geltend gemachten Vorsteueranspruch fehle. Dem Antrag auf Verweisung des Verfahrens an das Landgericht sei nicht zu entsprechen. Der Kläger habe diesen früher gestellten Antrag in seinem letzten Schriftsatz nicht mehr erwähnt. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Antrag nicht mehr aufrechterhalten werde. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Verweisung auch nicht vor. Die Revision gegen das Urteil ließ das FG nicht zu.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger in erster Linie Verfahrensfehler geltend. Das FG habe trotz weiter wirkender Unterbrechung des Verfahrens in der Sache entschieden. Es habe der deklaratorischen Rücknahme der unwirksamen Aufnahmeerklärung des Klägers zu Unrecht die Anerkennung versagt. Über die Zulässigkeit der Aufnahme des Verfahrens hätte eine rechtsmittelfähige Zwischenentscheidung getroffen werden müssen. Beide Verfahrensfehler beinhalteten einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens. Die Entscheidung des FG verletze den Kläger außerdem in seinem Recht nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), weil es die Fortsetzung des Verfahrens nach Ende des Konkursverfahrens verhindere. Außerdem würden dieses Recht sowie das Recht auf Gehör dadurch verletzt, dass das FG den Verweisungsantrag als nicht gestellt betrachtet habe.
Zudem beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens. Es sei zu klären, ob die Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid ein Passivprozess i.S. des § 11 der Konkursordnung --KO-- (heute § 85 --richtig § 86-- der Insolvenzordnung) sei.
Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Es trägt vor, das FG habe nicht im Rahmen eines Zwischenverfahrens entscheiden müssen. Das Gericht sei auch zutreffend von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ausgegangen, nachdem die Konkursforderungen anerkannt seien und der Kläger selbst nicht widersprochen habe. Die Einordnung als Passivprozess sei durch die BFH-Rechtsprechung geklärt.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verfahrensfehler. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die angefochtene Entscheidung bereits im Beschwerdeverfahren aufzuheben und das Verfahren an das FG zurückzuverweisen.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der BFH in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).
2. Das Urteil des FG ist verfahrensfehlerhaft ergangen, weil während des noch nicht abgeschlossenen Konkursverfahrens eine Entscheidung mit Ausnahme zur Umsatzsteuer 1987 nicht ergehen durfte. Nach § 155 FGO i.V.m. § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) dauert die durch die Konkurseröffnung bewirkte Unterbrechung des Prozesses so lange fort, bis der Prozess nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren beendet wird. Der Prozess ist nicht nach § 10 KO aufgenommen worden, weil der Konkursverwalter die Aufnahme abgelehnt hat. Er ist aber nach der eigenen Ansicht des FG mit Ausnahme des Streits betreffend die Umsatzsteuer 1987 auch nicht vom Kläger wirksam aufgenommen worden, weil dem Kläger einerseits wegen Feststellung der Steuerforderungen zur Konkurstabelle das Rechtsschutzbedürfnis für eine Fortsetzung des Verfahrens fehlte und ihm andererseits auch deshalb kein Recht zur Aufnahme zukam, weil es sich nicht um einen Aktivprozess i.S. des § 10 KO handelte.
Bei dieser Sachlage konnte das FG konsequenterweise nur zur Unwirksamkeit der vom Kläger im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren erklärten Aufnahme des Verfahrens kommen, soweit nicht die Umsatzsteuer 1987 betroffen war. Das Verfahren war demnach weiterhin unterbrochen, so dass ein verfahrensabschließendes Urteil nicht ergehen durfte.
3. Soweit das Urteil unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) ergangen ist, beruht es nicht darauf. Die Behandlung des Verweisungsantrags als zurückgenommen war zwar für die Beteiligten überraschend. Weder hat das Gericht im Rahmen der verschiedenen richterlichen Verfügungen noch ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Bei ordnungsgemäßer Prozessführung war für die Beteiligten nicht erkennbar, dass das FG von einer konkludenten Rücknahme des Antrags ausgehen könnte.
Gleichwohl beruht das Urteil nicht auf diesem Verfahrensfehler, weil das FG ergänzend den Verweisungsantrag abgelehnt hat. Die Ablehnung der Verweisung ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Da die Klage als Anfechtungsklage gegen Steuerbescheide erhoben wurde und nicht als Klage auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, ist das Finanzgericht und nicht das Landgericht zur Entscheidung berufen.
4. Der Senat hebt das angefochtene Urteil insgesamt auf und verweist das Verfahren zurück. Die Aufhebung betrifft auch die Umsatzsteuer 1987, weil über diese im Rahmen der objektiven Klagehäufung einheitlich mit den anderen Streitgegenständen entschieden worden ist.
Bei dieser Sachlage war über die Frage, ob der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht mehr zu befinden.
Ende der Entscheidung
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