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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.09.2008
Aktenzeichen: IV B 4/08
Rechtsgebiete: EStG, FGO, ZPO


Vorschriften:

EStG § 13a
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 295
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Erben nach dem verstorbenen X. Dieser unterhielt einen landwirtschaftlichen Betrieb (Pensionspferdehaltung), den er ab 1989 verpachtete. Eine Betriebsaufgabe gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) erklärte X nicht.

Bereits 1971 erwarb X zusammen mit seiner Ehefrau das bebaute Grundstück U sowie mehrere als Grünland ausgewiesene Grundstücke, u.a. das Grundstück Parzelle ... (763 qm). Nach dem Tod der Ehefrau wurde X Alleineigentümer der Grundstücke. Die hinzuerworbenen Grundstücksflächen erklärte X im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die er nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte.

Das auf dem Grundstück U stehende Gebäude renovierte X und vermietete es ab 1973 zu Wohnzwecken.

Die sowohl an das vermietete Grundstück als auch an den landwirtschaftlichen Betrieb angrenzende Grundstücksparzelle veräußerte X 1997 als Bauland.

Den erzielten Kaufpreis abzüglich des Buchwerts erfasste das FA als betrieblichen Veräußerungsgewinn.

Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Vorbringen, dass dieses Grundstück dem Privatvermögen zugehöre, da es zu keiner Zeit landwirtschaftlich genutzt worden sei, es vielmehr den Mietern des Hauses U zur Nutzung zur Verfügung gestanden habe.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah von einer Zeugenvernehmung der von den Klägern benannten Zeugen ab, da die Zeugen, so das FG, nach dem Vortrag der Kläger nur etwas zu der Nutzung ab 1973 hätten aussagen können. Das Grundstück sei aber bereits 1971 landwirtschaftliches Betriebsvermögen geworden, eine spätere andere Nutzung sei für die Zuordnung unerheblich.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie beantragen, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) und wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Kläger können den gerügten Verfahrensfehler der mangelnden Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unterlassener Beweisaufnahme der von ihnen benannten Zeugen nicht mehr mit Erfolg geltend machen.

a) Dabei braucht der Senat nicht zu prüfen, ob sich aus dem Vorbringen der Kläger schlüssig die erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema, also die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen, ergeben, denn den Klägern kommt für ihre Verfahrensrüge insoweit eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung zugute. Denn soweit das FG --wie im Streitfall-- selbst begründet hat, weshalb von der Erhebung einzelner Beweise (hier: der von den Klägern ausdrücklich beantragten Zeugenvernehmung) abgesehen worden ist, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zusätzlich auch in der Beschwerdeschrift eine unnötige Förmelei darstellen würde. Es genügt daher insoweit bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, die auch bei einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblich sind (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147, und vom 24. August 2005 IV B 61/04, BFH/NV 2006, 85).

b) Ungeachtet der Prüfung, ob die Ablehnung der Zeugenvernehmung durch das FG zu Recht erfolgte, können die Kläger die Zulassung der Revision nicht auf einen diesbezüglichen Verfahrensmangel stützen, da sie ihr Rügerecht verloren haben.

Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört auch das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 101, m.w.N.). Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge; ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich. Der Verfahrensmangel muss in der (nächsten) mündlichen Verhandlung gerügt werden, in der der Rügeberechtigte erschienen ist; verhandelt er zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen musste, verliert er das Rügerecht (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2000 VI B 234/99, BFH/NV 2000, 860; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103, m.w.N.).

Die Kläger haben in der Klageschrift an das FG vom 22. September 2003 beantragt, A und B als Zeugen dazu zu vernehmen, dass das erworbene streitige Grundstück sofort nach dem Erwerb als Gartenfläche umgestaltet und es zu keinem Zeitpunkt landwirtschaftlich genutzt worden ist. Die beiden Zeugen sind aber zu der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht geladen worden und ausweislich des Sitzungsprotokolls dort auch nicht erschienen. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung haben die durch einen Steuerberater rechtskundig vertretenen Kläger zur Sache verhandelt. Nachdem die Beteiligten ihre (Sach-)Anträge gestellt hatten, hat der Vorsitzende die mündliche Verhandlung geschlossen und dann den Beschluss verkündet, eine Entscheidung werde noch am selben Tag, nicht vor 13.00 Uhr verkündet. Nach dem Sitzungsprotokoll hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger demnach das Übergehen des Beweisantrages hinsichtlich der beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Zu einer derartigen Rüge wäre aber, wenn die Kläger auf die beantragte Zeugenvernehmung nicht verzichten wollten, Anlass gewesen, da die Zeugen zum Termin nicht geladen waren. Die Kläger konnten und mussten davon ausgehen, dass das FG dem Beweisantrag nicht nachkommen werde. Insbesondere, nachdem der Vorsitzende die mündliche Verhandlung geschlossen und den Beschluss verkündet hatte, dass eine Entscheidung noch am selben Tag verkündet werde, mussten die Kläger annehmen, dass das FG im Anschluss an die mündliche Verhandlung --wie geschehen-- durch Urteil entschieden werde.

Ein Rügeverzicht i.S. des § 295 ZPO durch bloßes Unterlassen wäre allenfalls dann zu verneinen, wenn die Kläger auf eine Zeugenvernehmung erkennbar nur deshalb verzichtet hatten, weil sie davon ausgegangen sind bzw. ausgehen konnten, dass der Klage nach dem bisherigen Verhandlungsstand auch ohne Zeugenvernehmung stattgegeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 1987 VII R 60/84, BFHE 150, 93, Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 103). Davon kann indes im Streitfall nicht ausgegangen werden. Für eine derartige Annahme bot, anders als die Kläger offensichtlich meinen, auch die richterliche Verfügung vom 2. Juli 2007 keinen Anlass. Zwar hat der Berichterstatter, dem der Rechtsstreit sodann als Einzelrichter übertragen worden ist, das FA ausdrücklich zur Stellungnahme aufgefordert und darauf hingewiesen, dass im Streitfall nur notwendiges Betriebsvermögen oder notwendiges Privatvermögen in Betracht komme und dass das FA die Feststellungslast für die steuerbegründenden Tatsachen trage. Ebenfalls enthält die Verfügung den rechtlichen Hinweis, dass eine Zurechnung des Grundstücks zum Betriebsvermögen wohl nur zur Hälfte in Betracht komme, da der Rechtsvorgänger das Grundstück zusammen mit seiner Ehefrau erworben habe. Angesichts der ausdrücklichen Aufforderung zur Stellungnahme konnten die Ausführungen des Berichterstatters indes nur als dessen vorläufige Rechtsmeinung verstanden werden. Als Reaktion auf die Verfügung hat das FA mit Schriftsatz vom 30. Juli 2007 den zu beurteilenden Sachverhalt aus seiner Sicht umfassend geschildert. Es hat zudem weiterhin an seiner bisherigen Rechtsauffassung festgehalten, dass das streitige Grundstück im Zeitpunkt der Veräußerung in vollem Umfang dem notwendigen Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs angehört hat. Die Kläger mussten mithin durchaus damit rechnen, dass das FG von seiner vorläufig geäußerten Rechtsansicht wieder abrücken werde.

Soweit die Kläger gleichwohl in der Sache verhandelt haben, ohne die Vernehmung der Zeugen zu rügen, haben sie ihr Rügerecht gemäß § 295 ZPO verloren.

2. Die Zulassung der Revision ist schließlich auch nicht wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung geboten. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung können besonders schwerwiegende Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, die Zulassung der Revision ermöglichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 2002 V B 152/01, BFH/NV 2002, 1600, und vom 20. Januar 2003 III B 63/02, BFH/NV 2003, 644). Das Vorliegen eines solchen Fehlers hat der Senat angenommen, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Das ist nicht bei jedem Verstoß gegen die Denkgesetze der Fall (BFH-Beschluss vom 9. März 2004 X B 68/03, BFH/NV 2004, 1112). Sieht man von den nicht durchgreifenden Verfahrensrügen ab, so haben die Kläger keine Umstände vorgetragen, aus denen sich schließen ließe, dem FG sei ein Fehler von erheblichem Gewicht im vorstehend beschriebenen Sinn unterlaufen. Dass das FG die von den Klägern unter Beweis gestellten Tatsachen möglicherweise fehlerhaft interpretiert hat und deshalb zu Unrecht von einer Beweisaufnahme abgesehen hat, vermag einen solchen Fehler nicht zu begründen. Ebenso wenig lässt sich ein schwerwiegender Fehler damit begründen, dass das FG in der Entscheidung nicht mehr darauf eingegangen ist, dass das streitige Grundstück zunächst zur Hälfte von der Ehefrau des Rechtsvorgängers der Kläger, die nicht Inhaberin des landwirtschaftlichen Betriebs war, erworben worden ist. Diesem Umstand hat das FG ersichtlich auf Grund des Vorbringens des FA keine Bedeutung beigemessen, dass der Rechtsvorgänger diesen Miteigentumsteil nach dem Tod seiner Ehefrau hinzuerworben hatte. Ob diese Würdigung anlässlich der Gesamtumstände des Streitfalls zutreffend ist, kann der Senat dahinstehen lassen. Ein schwerwiegender Fehler liegt dieser Würdigung jedenfalls nicht zu Grunde.

Ende der Entscheidung

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