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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.05.2000
Aktenzeichen: IV B 46/99
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, ZPO
Vorschriften:
AO 1977 § 196 | |
FGO § 51 | |
ZPO § 42 |
1. Entscheidet das FG im Urteil über einen Richterablehnungsantrag, obwohl über ihn richtiger Weise in anderer Besetzung durch gesonderten Beschluss zu befinden wäre, so beruht das Urteil gleichwohl nicht auf einem Verfahrensmangel, wenn der Befangenheitsantrag unbegründet ist.
2. Eine Prüfungsanordnung, die Gewinnfeststellung, Einheitswert des Betriebsvermögens und Gewerbesteuer einer atypisch stillen Gesellschaft betrifft, ist regelmäßig zutreffend adressiert, wenn sie sich an den Geschäftsinhaber mit dem Zusatz "über die steuerlichen Verhältnisse der atypisch stillen Gesellschaft ..." richtet.
AO 1977 § 196 FGO § 51 ZPO § 42
Beschluss vom 3. Mai 2000 - IV B 46/99 -
Vorinstanz: FG Nürnberg
Gründe
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die sich unter anderem mit der Verwaltung von Grundbesitz und Beteiligungen befasst. Seit Anfang 1989 ist E, der Geschäftsführer der Klägerin, als atypisch stiller Gesellschafter an dem Unternehmen der Klägerin beteiligt.
Unter dem Datum vom 2. November 1995 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtete Prüfungsanordnung, mit der bei der "Fa. E Grundstücksverwaltungs-GmbH" eine Außenprüfung "über die steuerlichen Verhältnisse der atypisch stillen Gesellschaft E Grundstücksverwaltungs GmbH und E" angeordnet wurde. Die Prüfungsanordnung wies die Steuer-Nummer ... auf, unter der die atypisch stille Gesellschaft beim FA geführt wurde. Die Außenprüfung sollte sich auf die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1989 bis 1992, den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1989 bis 1. Januar 1993 und die Gewerbesteuer 1989 bis 1992 erstrecken.
Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage. Sie trug vor, die Prüfungsanordnung sei infolge der Verwechslungsmöglichkeit mit anderen Unternehmen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers und stillen Gesellschafters nichtig.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den Senat des Finanzgerichts (FG) wegen Befangenheit abgelehnt.
Das FG erließ ein Urteil, in dem es den Befangenheitsantrag als unzulässig ablehnte und die Klage in der Sache als unbegründet zurückwies.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf Verfahrensmängel und grundsätzliche Bedeutung gestützt ist. Als Verfahrensmangel wird gerügt, das FG habe den Befangenheitsantrag nicht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter im Urteil zurückweisen dürfen. In der Sache selbst sei die Frage klärungsbedürftig, an wen eine Prüfungsanordnung zu richten sei, wenn Gegenstand der Prüfung die steuerlichen Verhältnisse der atypisch stillen Gesellschaft sein solle.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist --auch soweit die Klägerin sich gegen die Ablehnung ihres Befangenheitsantrags im Urteil wendet-- zulässig.
Grundsätzlich hat das FG über ein Ablehnungsgesuch durch gesonderten, mit der Beschwerde anfechtbaren Beschluss --ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter-- zu entscheiden (§ 51 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. §§ 46, 47 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Da es sich bei dem Richterablehnungsverfahren um ein selbständiges Zwischenverfahren handelt, kann die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs in der Regel nicht anstelle der Beschwerde mit der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, unter C. II. 3.).
Nach der Rechtsprechung bedarf es keines besonderen Beschlusses, wenn das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig ist (BFH-Beschluss vom 10. März 1972 VI B 141/70, BFHE 105, 316, BStBl II 1972, 570; vgl. auch BFH-Beschluss vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112). In diesen Fällen kann das Gericht den Befangenheitsantrag --unter Mitwirkung der abgelehnten Richter-- in den Gründen der Entscheidung zur Hauptsache zurückweisen. Das gleiche gilt, wenn das Ablehnungsgesuch aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 51 Anm. 57). Wird über ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht im Urteil und nicht in einem selbständigen Zwischenverfahren entschieden, liegt ein Verfahrensfehler vor, der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen ist (BFH-Beschluss vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
a) Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
Die Revision ist nicht deswegen zuzulassen, weil das FG im Urteil durch die abgelehnten Richter über den Befangenheitsantrag der Klägerin entschieden hat.
Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO). Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten. Dem Grundsatz der Individualablehnung entsprechend muss das Ablehnungsgesuch sich grundsätzlich auf bestimmte Richter beziehen. Es ist daher im Allgemeinen unzulässig, einen Spruchkörper als Ganzes abzulehnen. Zwar gilt dies nicht, wenn alle Mitglieder eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte in einer vorangegangenen Kollegialentscheidung abgelehnt werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. April 1993 I B 155/92, BFH/NV 1994, 637, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht. Nach den Feststellungen des FG waren an den Entscheidungen zum Az. ... nur der Richter S und der weitere beisitzende Richter X beteiligt. Wer --außer dem Richter S-- an den anderen von der Klägerin erwähnten Entscheidungen mitgewirkt hat, ist nicht erkennbar.
Die Ablehnung des gesamten Spruchkörpers war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht etwa deswegen zulässig, weil dem Senat zwei frühere Angehörige des FA angehörten. Nach § 51 Abs. 2 FGO ist ein Richter dann von der Amtsausübung ausgeschlossen, wenn er an der vorausgegangenen Verwaltungsentscheidung mitgewirkt hat. Daraus folgt, dass er nicht bereits mit der Begründung abgelehnt werden kann, er habe früher der beklagten Behörde angehört. Erst recht kann mit dieser Begründung nicht der gesamte Senat abgelehnt werden. Die Vermutung der Klägerin, das Präsidium des FG habe durch den Geschäftsverteilungsplan das FA begünstigen wollen, ist abwegig. So ist bereits nicht nachzuvollziehen, warum das Präsidium --die von der Klägerin gemutmaßte verwaltungsfreundliche Einstellung unterstellt-- beabsichtigt haben sollte, gerade das FA N zu bevorzugen.
Die Ablehnung des gesamten Senats wurde auch nicht dadurch zulässig, dass die Klägerin vortrug, die Voreingenommenheit des Spruchkörpers werde durch dessen vorangegangene Entscheidungen deutlich.
Die Richterablehnung kann grundsätzlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsfehlerhaftigkeit von Entscheidungen gestützt werden. Dies gilt insbesondere für die Rüge von Rechtsverstößen, die dem Gericht in einem früheren Verfahrensabschnitt oder in einem Parallelverfahren unterlaufen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Mai 1986 I B 70/85, BFH/NV 1987, 653, und vom 30. November 1987 VIII B 7/87, BFH/NV 1989, 639). Denn das Richterablehnungsverfahren schützt nicht gegen unrichtige Rechtsansichten des Richters. Rechtsfehler können nur ausnahmsweise, und zwar dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluss vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708; Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Anm. 40; Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 42 Anm. 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung der Zivilgerichte). Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (BFH-Beschluss vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587, II. 3.a der Gründe). Dergleichen kann der beschließende Senat aus den Darlegungen der Klägerin nicht entnehmen.
Die einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Richterablehnung nicht dazu dient, die Beteiligten gegen unrichtige Rechtsauffassungen des Richters zu schützen, ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch dann nicht in Frage zu stellen, wenn die Entscheidungen der Tatsacheninstanz auf einer Würdigung des festgestellten Sachverhalts beruhen. Es trifft zwar zu, dass solche Entscheidungen der Revision nur eingeschränkt zugänglich sind; diese Einschränkung liegt jedoch in der Natur der Sache und bedarf deshalb nicht der von der Klägerin geforderten Korrektur. Abgesehen davon beruht die angefochtene Entscheidung nach Ansicht der Klägerin gerade nicht auf einer Tatsachenwürdigung, sondern auf der Beantwortung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage.
Selbst wenn man aber die Ablehnung des gesamten Senats in die Ablehnung einzelner Richter umdeuten wollte, wäre die Beschwerde nicht begründet. Dann wäre es zwar möglicherweise verfahrensfehlerhaft gewesen, im Urteil durch die abgelehnten Richter über das Befangenheitsgesuch zu entscheiden. Die Beschwerde kann gleichwohl keinen Erfolg haben, da ein Befangenheitsgrund --wie vorstehend dargelegt-- nicht ausreichend dargetan wurde. Das Ergebnis kann nicht anders sein, als wenn das FG im Beschlussverfahren irrtümlich durch die abgelehnten Richter entschieden hätte (vgl. hierzu etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 637). Das Urteil beruht in diesem Fall nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler.
b) Grundsätzliche Bedeutung
Soweit die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wie die eine atypisch stille Gesellschaft betreffende Prüfungsanordnung zu adressieren ist, im Streitfall entscheidungserheblich ist, kommt ihr keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist zwar nicht im Gesetz geregelt, ihre Beantwortung ergibt sich jedoch zwingend aus der bisherigen Rechtsprechung.
Der BFH hat mit Beschluss vom 4. Oktober 1991 VIII B 93/90 (BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59) entschieden, dass eine Prüfungsanordnung, die die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung einer aufgelösten atypisch stillen Gesellschaft betrifft, an den früheren Geschäftsinhaber zu richten ist. Er hat das daraus hergeleitet, dass der frühere Geschäftsinhaber derjenige war, den zur Zeit der Existenz der atypisch stillen Gesellschaft die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Buchführung traf. Offengelassen hat der BFH lediglich, ob etwas anderes gelten kann, wenn die zu prüfenden Bücher von jemand anderem geführt wurden. Das war jedoch nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG vorliegend nicht der Fall.
Der BFH hat sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen, dass sich die Verpflichtung zur Buchführung und die Aufbewahrungspflichten mit der Liquidation der stillen Gesellschaft auf die stillen Gesellschafter verlagern (Senatsurteil vom 11. Mai 1989 IV R 12/88, BFH/NV 1990, 545; Beschluss in BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59). Daraus folgt, dass die Gesellschafter diese Verpflichtung während des Bestehens der Gesellschaft erst recht nicht hatten.
Was für die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung gilt, gilt auch für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens und die Gewerbesteuer (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 1992, 26; ders. in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 196 AO 1977 Rdnr. 53).
Die Prüfungsanordnung ist während des Bestehens der Gesellschaft auch nicht an die atypisch stille Gesellschaft als solche zu richten. In der jüngeren Rechtsprechung des BFH wird hervorgehoben, dass eine atypische stille Gesellschaft kein Gewerbe betreibt, dies vielmehr Sache des Inhabers des Handelsgeschäftes sei, an dem sich der stille Gesellschafter mit einer Vermögenseinlage beteilige (BFH-Urteil in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311). Daraus folgt, dass auch eine Buchführungspflicht im Handels- und Steuerrecht nur den Geschäftsinhaber trifft (Döllerer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1985, 295, 296; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 406 f.; Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 5. Aufl., S. 269 f.). Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn zur Ermittlung des Gesellschaftsgewinns eine interne Bilanz der stillen Gesellschaft aufgestellt wird. Denn auch diese Bilanz stellt der Geschäftsinhaber aufgrund seiner Buchführung auf (Groh, Festschrift L. Schmidt, 1993, 439, 442 f.; Gschwendtner in Festschrift F. Klein, 1994, S. 751, 777).
Selbst wenn man der abweichenden Ansicht (Schulze-Osterloh, Die Wirtschaftsprüfung 1974, 393, 398 ff.; Schön, Betriebs-Berater --BB-- 1985, 313, 314) folgen wollte, die von einer Buchführungspflicht der atypisch stillen Gesellschaft ausgeht, so wäre die streitige Prüfungsanordnung gleichwohl zutreffend adressiert. Da nicht erkennbar ist, dass jemand anderes als die Klägerin die Bücher des mitunternehmerisch betriebenen Gewerbes geführt haben könnte, wäre allenfalls denkbar, dass sie die Bücher für die atypisch stille Gesellschaft geführt hätte, wenn diese denn buchführungspflichtig gewesen wäre. Dann aber wäre durch die Bezeichnung der Klägerin mit dem Zusatz "über die steuerlichen Verhältnisse der atypisch stillen Gesellschaft ..." der Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung ausreichend genau bezeichnet gewesen.
Enthält die Prüfungsanordnung einen derartigen Zusatz, ist zugleich sichergestellt, dass sie nicht mit einer Prüfungsanordnung verwechselt werden kann, die Steuern betrifft, die ausschließlich den Geschäftsinhaber selbst betreffen, wie etwa hier die die Klägerin selbst betreffende Gewerbesteuer, deren Bemessungsgrundlage erst nach ihrer Ermittlung in einem weiteren Schritt gemäß § 9 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes um die Gewinnanteile der atypisch stillen Gesellschaft zu kürzen ist.
Ende der Entscheidung
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