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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: IV B 49/07
Rechtsgebiete: AO, FGO
Vorschriften:
AO § 172 Abs. 1 Nr. 2 | |
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1 | |
AO § 174 Abs. 3 | |
AO § 174 Abs. 4 | |
AO § 174 Abs. 4 Satz 1 | |
AO § 174 Abs. 4 Satz 3 | |
AO § 175 Abs. 1 Nr. 1 | |
AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr (1995) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als Einzelunternehmer und daneben als Gesellschafter einer bis zum 30. Juni 1995 bestehenden, mit seiner Ehefrau betriebenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Beide Betriebe ermittelten den Gewinn für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Den Betrieb der GbR führte der Kläger nach Ausscheiden der Mitgesellschafterin als Einzelunternehmer weiter. Diesem Betriebsvermögen entnahm er im Spätherbst des Streitjahres zwei Bauparzellen, woraus sich ein Entnahmegewinn ergab. Die Ehefrau verstarb am 6. Oktober des Streitjahres; der Kläger war Alleinerbe.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ging zunächst von einer Entnahme der Bauparzellen im Wirtschaftsjahr 1994/95 aus und erfasste den Entnahmegewinn in einem Schätzungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der GbR für das Streitjahr vom 4. Februar 1997. Im Zuge eines dagegen gerichteten Klageverfahrens folgte das FA dem Kläger darin, dass er die Bauparzellen erst im Spätherbst 1995 entnommen und damit den Entnahmegewinn als Einzelunternehmer erzielt habe. Es erließ am 28. Juni 2004 einen geänderten Feststellungsbescheid, aus dem sich --unter Berücksichtigung weiterer nicht streitiger Gewinnminderungen-- eine Herabsetzung der Beteiligungseinkünfte des Klägers auf 65 387 DM ergab. Die Klage gegen den geänderten Feststellungsbescheid wies das Finanzgericht (FG) mit rechtskräftigem Urteil vom 3. August 2004 ab, das den Beteiligten im August 2004 zugestellt wurde.
Am 25. November 1999 hatte das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erlassen, in dem es Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 239 962 DM berücksichtigt hatte. Davon entfielen 2 941 DM auf seine Tätigkeit als Einzelunternehmer und 237 021 DM auf seine Beteiligung an der GbR. Diesen Bescheid änderte das FA am 17. November 2004 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), indem es die Einkünfte aus der Beteiligung an der GbR auf 65 387 DM herabsetzte; die Einkünfte als Einzelunternehmer änderte es nicht, so dass sich für den Kläger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von insgesamt 68 328 DM ergaben. Am 23. Dezember 2004 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erneut und erhöhte die Einkünfte des Klägers aus dem Einzelunternehmen um den hälftigen, auf das Streitjahr (1995) entfallenden Entnahmegewinn wegen der Bauparzellen (178 159 DM); daraus ergaben sich Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von insgesamt 246 487 DM.
Die dagegen gerichtete Klage, die der Kläger damit begründete, dass der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 17. November 2004 weder nach § 174 Abs. 3 noch nach § 174 Abs. 4 AO hätte geändert werden dürfen, hatte keinen Erfolg. Das FG entschied, die erneute Änderung sei sowohl nach § 174 Abs. 4 AO als auch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zulässig gewesen.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde macht der Kläger geltend, die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil sei willkürlich und deshalb geeignet, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Der Gewinn des Klägers als Einzelunternehmer aus der Entnahme der beiden Bauparzellen sei in dem Feststellungsbescheid vom 28. Juni 2004 nicht enthalten; lediglich als Anlage sei eine Berechnung dieses Gewinns beigefügt gewesen. Das FA hätte in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 17. November 2004 den geänderten Gewinn laut Feststellungsbescheid und zusätzlich den Gewinn des Einzelunternehmers laut der Berechnung in der Anlage zum Feststellungsbescheid erfassen können. Eine nachträgliche Änderung eines bestandskräftigen Bescheides sei demnach nicht erforderlich gewesen, da der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid wegen des Klageverfahrens gegen den Feststellungsbescheid noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Da der Bescheid vom 17. November 2004 bestandskräftig sei, verstoße die Änderung vom 23. Dezember 2004 gegen § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Auch § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO könne keine Rechtsgrundlage für die Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 17. November 2004 sein.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist --unter Hintanstellung erheblicher Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls nicht begründet. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Anhaltspunkte für die vom Kläger geltend gemachte objektive Willkür liegen nicht vor.
1. Die Revision ist u.a. dann zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts durch das Finanzgericht im Einzelfall objektiv willkürlich ist und den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 68, m.w.N.). Das ist der Fall, wenn eine Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 13. Januar 2005 VII B 147/04, BFHE 208, 404, BStBl II 2005, 457, unter II.2. der Entscheidungsgründe, m.w.N.).
2. Da das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheides kumulativ mit der Zulässigkeit einer Änderung sowohl nach § 174 Abs. 4 AO als auch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO begründet hat, setzt eine Zulassung der Revision die Darlegung eines Zulassungsgrundes hinsichtlich jeder dieser Begründungen voraus (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 28).
3. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden, soweit danach der Erlass des Änderungsbescheides vom 23. Dezember 2004 gemäß § 174 Abs. 4 AO zulässig war. Von objektiver Willkür kann daher keine Rede sein.
a) Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO sind nach den vom Kläger nicht bestrittenen Feststellungen des FG erfüllt. Denn unstreitig hatte das FA den Gewinn aus der Entnahme der Bauparzellen aufgrund irriger Beurteilung des Entnahmezeitpunkts zunächst (hälftig) in dem die GbR betreffenden Feststellungsbescheid für das Streitjahr erfasst. In dem dagegen gerichteten Klageverfahren hatte das FA einem Hilfsantrag des Klägers entsprechend am 28. Juni 2004 einen Teilabhilfebescheid erlassen und den Entnahmegewinn im Feststellungsverfahren nicht mehr berücksichtigt. Das FA konnte daher aus der (nunmehr) zutreffenden Beurteilung des Entnahmezeitpunkts nachträglich durch Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr die richtigen steuerlichen Folgerungen ziehen. Das ist im angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 23. Dezember 2004 innerhalb der Frist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO geschehen.
b) Dem Erlass des angefochtenen Änderungsbescheides stand entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass das FA bereits am 17. November 2004 wegen des geänderten Feststellungsbescheides vom 28. Juni 2004 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erlassen hatte, in dem es die Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der GbR entsprechend herabgesetzt hatte. Denn in diesem Bescheid hatte es lediglich der Änderung des Feststellungsbescheides Rechnung getragen, die richtigen steuerlichen Folgerungen aus der Entnahme der Bauparzellen aber noch nicht gezogen. Die Möglichkeit der Änderung nach § 174 Abs. 4 AO war daher --wie das FG zutreffend entschieden hat-- noch nicht "verbraucht". Auf die Frage, ob diese Änderungsmöglichkeit "nachträglich" nach Erlass des vorhergehenden Änderungsbescheides eingetreten ist, kommt es --anders als für die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hinsichtlich nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel-- für § 174 Abs. 4 AO nicht an, wie sich der Vorschrift entnehmen lässt; der Kläger hat auf diesen Unterschied zurecht selbst hingewiesen.
Unerheblich ist auch, dass sich die Auswirkungen der Änderung des Feststellungsbescheides --Verminderung der Einkünfte aus der GbR um den Entnahmegewinn-- einerseits und der anteiligen Erfassung der Grundstücksentnahme im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr andererseits (weitgehend) ausgeglichen haben. Denn das FA war zur Änderung des Einkommensteuerbescheides als Folgebescheid zum geänderten Feststellungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verpflichtet. Für die zutreffende steuerliche Berücksichtigung der Grundstücksentnahme stand ihm jedoch davon unabhängig die Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 AO zur Verfügung. Beide Änderungsmöglichkeiten bestanden nebeneinander, wie das FG unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 4. Juli 1989 VIII R 217/84 (BFHE 157, 427, BStBl II 1989, 792, unter 2. der Entscheidungsgründe) zutreffend entschieden hat. Das FA war daher auch nicht verpflichtet, die Änderungen in ein und demselben Bescheid zusammenzufassen. Auf die Frage, ob --umgekehrt-- der Erlass von zwei aufeinander folgenden Änderungsbescheiden erforderlich war, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an.
4. Zwar bestehen Bedenken, ob der Erlass des streitgegenständlichen Änderungsbescheides vom 23. Dezember 2004 auch auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt werden konnte, wie das FG zusätzlich angenommen hat. Denn mit dem geänderten Feststellungsbescheid wurde (insoweit nur) entschieden, dass der Gewinn aus der Grundstücksentnahme nicht von der GbR erzielt worden war; über die Frage, ob der Kläger den Gewinn als Einzelunternehmer erzielt hatte, war darin nicht zu entscheiden. Der Entnahmegewinn war daher gerade nicht mehr Gegenstand der geänderten Feststellung. Da jedoch eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil das FG (kumulativ) die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheides nach § 174 Abs. 4 AO zutreffend bejaht hat und mithin die vom Kläger geltend gemachte objektive Willkür nicht vorliegen kann (siehe oben unter 3.), kommt es auf diese Frage nicht mehr an.
Offenbleiben kann bei dieser Sachlage auch, ob der Kläger die Voraussetzungen des hier geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend dargelegt hat.
Ende der Entscheidung
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