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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.04.2008
Aktenzeichen: IV B 55/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO


Vorschriften:

EStG § 6c
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
AO § 173
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin war Inhaberin eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, den sie seit dem Jahr 1990 im Ganzen an den Kläger verpachtet hatte. Den Gewinn ermittelte die Klägerin durch Einnahmenüberschussrechnung für das landwirtschaftliche Normaljahr (1. Juli bis 30. Juni).

Mit Vertrag vom 11. August 1993 verkaufte die Klägerin ein zu ihrem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörendes Grundstück an den Kläger, das dieser bis dahin gepachtet hatte. Der Kaufpreis betrug 73 716 DM (4 DM/qm). Als Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs war der 30. Juni 1993 vereinbart. Der Kläger verpachtete das Grundstück rückwirkend ab 1. Juli 1993 an einen anderen Landwirt und ordnete es dem Privatvermögen zu. Mit Vertrag vom 11. März 1996 verkaufte der Kläger das Grundstück für 1 142 598 DM (62 DM/qm) an die Gemeinde.

In einer Anlage zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 1992 ermittelte die Klägerin einen Veräußerungsgewinn aus dem Grundstücksverkauf an den Kläger in Höhe von 29 484 DM und übertrug diesen nach § 6c des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf ein anderes, im Wirtschaftsjahr 1991/92 angeschafftes Grundstück. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte der Erklärung.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (1993 und 1994) erklärte die Klägerin keinen Veräußerungsgewinn. Die Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß.

Im Zuge einer betriebsnahen Veranlagung stellte der Prüfer fest, dass das Grundstück der Klägerin im Flächennutzungsplan 1971 zu einem Drittel als Bauland ausgewiesen war. Nach einer Änderung am ... November 1990 war es im Flächennutzungsplan insgesamt als landwirtschaftliche Fläche eingetragen, woran sich bis zum Verkauf am 11. August 1993 nichts geändert hatte. Bereits in einer nicht öffentlichen Sitzung am ... Juli 1992 hatte der Gemeinderat jedoch mit einer Grundsatzdiskussion über die Ortsentwicklung begonnen. In nichtöffentlichen Sitzungen am ... März und ... April 1993 wurde der Gemeinderat darüber informiert, dass Grundstücksnachbarn der Kläger verkaufsbereit waren; der Kläger, der ebenfalls angesprochen worden sei, habe darauf hingewiesen, dass Grundstückseigentümerin die Klägerin sei. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Planungsbüros mit der Überarbeitung des Flächennutzungsplans und des Landschaftsplans beauftragt. Am ... Mai 1993 wurde die Planung erstmals in einer öffentlichen Sitzung besprochen. In einer nichtöffentlichen Sitzung vom ... Juli 1993 wurde der Gemeinderat u.a. darüber informiert, dass die Klägerin einen Verkauf ablehne. Am 3. August 1993 beschloss der Gemeinderat in einer Arbeitssitzung die Bebauung und die Einleitung der Behördenbeteiligung.

Im Zusammenhang mit der betriebsnahen Veranlagung erstellte der amtliche landwirtschaftliche Sachverständige des FA ein Gutachten über den Grundstückswert zum Stichtag 11. August 1993. Er vertrat die Ansicht, dass aus dem Einkaufspreis der Gemeinde von 62 DM/qm im Jahr 1996 ein Verkehrswert von 42 DM/qm zum Stichtag 11. August 1993 abgeleitet werden könne, kam dann aber auf der Basis einer günstigeren städtebaulichen Entwicklungsstufe zu einem Grundstückswert von 26,60 DM/qm (insgesamt 490 211 DM).

Der Prüfer nahm davon ausgehend eine teilentgeltliche Veräußerung an. Aus dem entgeltlichen Teil ermittelte er einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 67 082 DM, für den grundsätzlich die Bildung einer Rücklage nach § 6c EStG zulässig sei; allerdings scheide die Übertragung auf das im Wirtschaftsjahr 1991/92 angeschaffte Grundstück aus rechtlichen Gründen aus. Aus dem unentgeltlichen Teil der Grundstücksübertragung ermittelte er einen Gewinn von 378 897 DM, für den keine Rücklage nach § 6c EStG gebildet werden könne. Dem folgend änderte das FA die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre (1993 und 1994) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), berücksichtigte aber nur den Entnahmegewinn von 378 897 DM, nicht auch den zusätzlichen Veräußerungsgewinn von 67 082 DM.

Mit der dagegen gerichteten Klage machten die Kläger u.a. geltend, die bestandskräftigen früheren Veranlagungen hätten nicht mehr geändert werden dürfen, da die Voraussetzungen des § 173 AO nicht vorlägen. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied nach Einholung eines weiteren Gutachtens, der Verkehrswert des Grundstücks habe jedenfalls nicht unter dem vom FA angesetzten Wert gelegen. Das FA habe nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die angefochtenen Änderungsbescheide erlassen können, weil ihm nachträglich neue Tatsachen bekannt geworden seien, die zu einer höheren Einkommensteuer führten.

Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend.

II. Die Beschwerde ist --unter Hintanstellung erheblicher Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls nicht begründet. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

1. Grundsätzliche Bedeutung

a) Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist, dass der Kläger eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage darlegt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärungsfähig ist (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. September 2005 IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 52).

b) Nach Auffassung der Kläger hat die Frage grundsätzliche Bedeutung, "ob die Zulassung der Rückbeziehung des Veräußerungsvorgangs auch für die Entnahme bindend ist". Das FA habe den rückwirkenden Übergang von Nutzen und Lasten der Grundstücksveräußerung auf den 30. Juni 1993 anerkannt. Der Vorgang sei daher dem Wirtschaftsjahr 1992/93 zugeordnet worden. Die Fehlerhaftigkeit der Rückwirkung sei aber keine neue Tatsache, sondern eine rechtsfehlerhafte Würdigung des Sachverhaltes. Den Entnahmegewinn habe das FA dagegen dem folgenden Wirtschaftsjahr zugeordnet. Es handele sich aber um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, der nicht aufgespalten werden dürfe.

c) Die Frage ist weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Es ist schon nicht erkennbar, woraus sich die Zulassung der Rückbeziehung des Veräußerungsvorgangs ergeben soll. Nach den Feststellungen des FG hatte sich die von den Klägern vorgenommene Übertragung der stillen Reserven auf das im Wirtschaftsjahr 1991/92 angeschaffte Grundstück nicht auf die Einkommensteuerfestsetzung 1992 ausgewirkt. Den Feststellungen zur betriebsnahen Veranlagung 1993 vom 23. Juni 1999 (unter III. der Erläuterungen zur Einkommensteuer) lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass der Prüfer die Übertragung der stillen Reserven auf das in einem früheren Wirtschaftsjahr angeschaffte Grundstück für nicht zulässig hielt, aber von einer möglichen Übertragung auf andere, am 27. Januar 1998 erworbene Grundstücke ausging.

Die Kläger haben im Übrigen auch nicht dargelegt, woraus sich ihrer Auffassung nach in diesem Zusammenhang eine Bindungswirkung ergeben könnte. Abwegig wäre es jedoch, daraus, dass das FA den vom Prüfer ermittelten Veräußerungsgewinn von 67 082 DM nicht ebenfalls der Besteuerung in den Streitjahren unterworfen hat, die Rechtswidrigkeit des der Besteuerung unterworfenen Entnahmegewinns abzuleiten. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht erkennbar.

d) Ebenso wenig hat die Frage grundsätzliche Bedeutung, ob es sich bei den im angefochtenen Urteil genannten Planungsschritten der Gemeinde um nachträglich bekannt gewordene Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt. Zum einen geht es vorliegend erkennbar um eine Sachverhaltswürdigung im Einzelfall. Zum anderen kann es auch keinem Zweifel unterliegen, dass sich die Planungsschritte der Gemeinde bei der Umwandlung von landwirtschaftlich genutzten Flächen in Bau(erwartungs-)land auf deren Wert auswirken. Wertbildende und wertbegründende Merkmale sind jedoch Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. u.a. Senatsurteil vom 18. August 2005 IV R 9/04, BFHE 211, 1, BStBl II 2006, 581, unter 1.b der Entscheidungsgründe, m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Kläger folgt daraus nicht, dass vorliegend in jedem Fall im Rahmen der Steuererklärung die einzelnen Planungsschritte der Gemeinde hätten mitgeteilt werden müssen. Entscheidend ist, dass sich aus der Erklärung weder der für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns maßgebliche tatsächliche Wert des Grundstücks noch Anhaltspunkte für dessen zutreffende Ermittlung entnehmen ließen.

2. Verfahrensmangel

a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Aus § 76 Abs. 2 FGO und aus dem Recht der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) kann sich die Verpflichtung des FG ergeben, den Beteiligten Hinweise zu geben. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Urteil ohne vorherigen Hinweis des Gerichts auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren mit den Beteiligten erörtert wurde und auch nicht nahe liegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.).

b) Die Kläger sehen einen Verfahrensmangel darin, dass das FG in der Urteilsbegründung der Bezeichnung des streitgegenständlichen Grundstücks in der Notarurkunde als "landwirtschaftlich genutztes Grundstück" entscheidende Bedeutung zugemessen habe, ohne dies zuvor in der mündlichen Verhandlung anzusprechen.

c) Damit haben sie einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO jedoch nicht dargelegt. Denn das angefochtene Urteil beruht erkennbar darauf, dass weder der Grundstückswert noch die den Klägern bekannten wertbildenden Merkmale zutreffend angegeben wurden. Diese Fragen bildeten den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Bei dieser Sachlage kann es für die Kläger keine Überraschung dargestellt haben, dass das FG bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt hat, dass die besonderen wertbildenden Merkmale auch nicht aus dem Notarvertrag ersichtlich waren. Die Frage, ob daraus weitergehend auf eine Täuschungsabsicht der Kläger geschlossen werden kann, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich.

Ende der Entscheidung

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