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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.06.2004
Aktenzeichen: IV B 56/02
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, VwGO
Vorschriften:
FGO § 102 | |
FGO § 102 Satz 2 | |
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz | |
AO 1977 § 193 Abs. 1 | |
VwGO § 114 Satz 2 |
Gründe:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer gegenüber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ergangenen Prüfungsanordnung. Die Klägerin behauptet, ihrem Ehemann 1972 und später (ab 1986) ihrem Sohn ein 7 428 qm großes, landwirtschaftlich genutztes Grundstück unentgeltlich zur Nutzung in deren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben überlassen zu haben. Im Einspruchsverfahren hat sie entsprechende schriftliche Bestätigungen ihres Ehemanns und ihres Sohnes (vom 15. Mai 1998) vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) hat der Vertreter des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) die Ermessensentscheidung i.d.F. der Einspruchsentscheidung dahin gehend erläutert, dass ihm der Sachverhalt auch nach den vorgelegten Bestätigungen weiterhin unklar geblieben sei.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Die Klägerin hat vorgetragen, die Rechtssache sei insofern von grundsätzlicher Bedeutung, als bisher ungeklärt sei, ob ein Kläger durch die Nachholung der für eine Ermessensentscheidung bedeutsamen Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigungen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt und ob der Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen geändert werde.
a) Allein mit dem pauschalen Hinweis auf den veröffentlichten Beitrag von Wiese/Leingang-Ludolph zu dem die Ergänzung des § 102 FGO vorsehenden Gesetzesentwurf zum Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2001 (Der Betrieb 2001, 2469) hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist, insbesondere in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (s. schon Senatsbeschluss vom 23. Juni 1987 IV B 54/86, BFH/NV 1988, 633). Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (s. nur Senatsbeschluss vom 28. Juni 2000 IV B 35/00, BFH/NV 2001, 33, m.w.N.).
b) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Gründe für eine Ermessensentscheidung auch in der Weise nachgeholt werden dürfen, dass der "Verwaltungsakt in seinem Wesen geändert wird", ist im Streitfall weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Schon die Formulierung der Frage, die angeblich von grundsätzlicher Bedeutung sein soll, beruht auf einer unzulässigen Unterstellung. Denn mit der Erläuterung, der Sachverhalt sei auch nach der schriftlichen Bestätigung der Nutzungsberechtigten weiter unklar geblieben, hat der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG --entgegen der Auffassung der Klägerin-- keineswegs die Begründung für die der Prüfungsanordnung zugrunde liegende Ermessensentscheidung ausgewechselt, sondern --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- allenfalls ergänzt, soweit man nicht bereits die Einspruchsentscheidung dahin gehend habe verstehen können.
In der Einspruchsentscheidung des FA vom 25. März 1999 wurde die Prüfungsanordnung auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt und damit begründet, dass auch die Frage, ob überhaupt ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb der Klägerin vorgelegen habe, Prüfungsgegenstand sein könne. Wenn sich die Klägerin demgegenüber auf die Vereinbarung einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung beruft und entsprechende schriftliche Bestätigungen der Nutzungsberechtigten vorlegt, so musste ihr von Anfang an klar sein, dass ein solcher Vortrag der Nachweise bedarf, die auch sonst für Vereinbarungen unter nahen Angehörigen gefordert werden. Die anwaltlich vertretene Klägerin bedurfte daher nicht der Erläuterung des Vertreters des FA in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, um die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der steuerlichen Anerkennung von Angehörigenverträgen zu erkennen. Sie selbst hat diesen Gesichtspunkt in das Verfahren eingeführt und konnte nicht davon ausgehen, dass einer schriftlichen Bestätigung der Beteiligten (lange Zeit nach den für eventuelle Vertragsschlüsse maßgebenden Zeitpunkten) ohne weiteren Nachweis gefolgt würde. Denn nachträglich beigebrachten, von den Beteiligten selbst formulierten Bestätigungen ist erfahrungsgemäß ein nur geringer Beweiswert beizumessen (s. nur Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Oktober 1966 V 169/63, BFHE 87, 283, BStBl III 1967, 159).
c) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage wäre aber auch nicht klärungsbedürftig, denn sie beantwortet sich ohne weiteres aus dem Gesetz und der bisher dazu ergangenen Rechtsprechung. Nach § 102 Satz 2 FGO ist nur eine Ergänzung der Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des finanzgerichtlichen Verfahrens zulässig. Dies impliziert, dass weder eine erstmalige Ermessensausübung oder eine komplette Ersetzung der Ermessenserwägungen noch eine die bisherigen Argumente in ihrem Wesen verändernde Begründung zulässig wären. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die gleich lautende Vorschrift des § 114 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) interpretiert (BVerwG-Beschlüsse vom 14. Januar 1999 6 B 133/98, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 2912, und vom 20. August 2003 1 WB 23/03, Das Recht im Amt --RiA-- 2004, 35). Diese Rechtsprechung des BVerwG kann auch zur Auslegung des § 102 Satz 2 FGO herangezogen werden, denn mit der Ergänzung des § 102 FGO durch das StÄndG 2001 sollte die Vorschrift der --bereits durch das Gesetz vom 1. November 1996 (BGBl I 1996, 1626) geänderten-- Fassung des § 114 Satz 2 VwGO angeglichen werden (Regierungsentwurf eines StÄndG 2001 vom 1. Juni 2001, BRDrucks 399/01, 55). Die Erläuterung des Vertreters des FA, wonach der Sachverhalt auch nach den vorgelegten Bestätigungen weiterhin aufklärungsbedürftig geblieben sei, hat aber --wie zu 1.b ausgeführt-- weder zu einer Änderung des Streitgegenstands noch zu einer Einbeziehung nachfolgender Umstände geführt. Sie hat sich vielmehr in dem Bereich auch bisher schon zulässigen Nachschiebens von Gründen bewegt, die auch unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten verfassungsrechtlich unbedenklich sind (vgl. BVerwG-Urteil vom 5. Mai 1998 1 C 17/97, BVerwGE 106, 351 zu 2.f dd ddd der Entscheidungsgründe).
2. Auch die Verfahrensrüge unterlassener Zeugenvernehmung ist unbegründet (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hat den Antrag der Klägerin, ihre Kinder A und B als Zeugen zu vernehmen, mit der Begründung zurückgewiesen, die Tatsachen, ob Nutzungsüberlassungsvereinbarungen vorlagen oder aber die Einkünfte der Klägerin zuzurechnen waren, seien nicht Gegenstand des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung; nach seiner Auffassung brauche es den Beweisantritten der Klägerin nicht nachzugehen, weil die Anhaltspunkte des FA für den Erlass einer Prüfungsanordnung ausgereicht hätten. Das FG konnte auch ohne weiteres davon ausgehen, dass die als Zeugen benannten Kinder den Inhalt der schriftlichen Erklärungen über das Vorliegen einer Vereinbarung über die unentgeltliche Nutzungsüberlassung des fraglichen Grundstücks bestätigen würden. Anders als die Klägerin meint, würde dies jedoch keineswegs zwangsläufig zu einer Aufhebung der Prüfungsanordnung wegen einer Ermessensreduzierung auf Null geführt haben. Denn eine Zeugenaussage unterliegt der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Die Aussage von Zeugen, die als Beschenkte möglicherweise ein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens haben, vermag aber durchaus nicht die tatsächlichen Feststellungen zu ersetzen, die das FA anlässlich einer Betriebsprüfung zum Abschluss, vor allem aber zur tatsächlichen Durchführung eines Angehörigenvertrags vor Ort treffen könnte.
Der beschließende Senat teilt daher die Auffassung des FG, dass die Feststellung, ob die Klägerin einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten habe, nicht Gegenstand des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung sein kann. Das Verfahren der eine Prüfungsanordnung betreffenden Ermessenskontrolle ist nicht geeignet, materiell-rechtliche Fragen, die sich möglicherweise auf Grund einer Betriebsprüfung, jedenfalls erst nach Durchführung einer solchen ergeben können, vorwegzunehmen und einer endgültigen Entscheidung zuzuführen.
Ende der Entscheidung
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