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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.05.2008
Aktenzeichen: IV B 88/07
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 81 Abs. 1
ZPO § 445
ZPO § 446
ZPO § 447
ZPO § 448
ZPO § 449
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist --bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet.

1. Übergehen eines Antrags auf Zeugenvernehmung

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe es unterlassen, den Geschäftsführer der X-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, Herrn Z, als Zeugen zu vernehmen.

a) In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Z nicht als Zeuge vernommen werden konnte. Zeuge kann nur eine natürliche Person sein, die nicht selbst Beteiligter des Verfahrens oder gesetzlicher Vertreter eines am Verfahren Beteiligten ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 66. Aufl., Übers. § 373 Rz 4).

Die X-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, deren Geschäftsführer Z war, war Komplementärin sowohl der Klägerin als auch ihrer Rechtsvorgängerin. Z gehörte somit zusammen mit seinen Mitgeschäftsführern zu den natürlichen Personen, die die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerin nach außen vertraten. Er konnte daher in einem Prozess, an dem eine dieser Gesellschaften als Klägerin beteiligt war, nicht als Zeuge vernommen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 1997 IV B 86/96, juris).

b) Auch wenn man die Rüge der Klägerin in dem Sinne umdeuten will, dass es das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, Z als Beteiligten zu vernehmen, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

§ 81 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestimmt, dass das Gericht Beteiligte vernehmen kann. Eine Verweisung auf die §§ 445 bis 449 der Zivilprozessordnung (ZPO), die auf die Besonderheiten des Zivilprozesses abgestellte formale Voraussetzungen enthalten, sieht die FGO nicht vor. Gleichwohl können Rechtsprechung und Literatur zu diesen Bestimmungen dort, wo es mit dem Amtsermittlungsgrundsatz vereinbar ist, herangezogen werden.

Die Beteiligtenvernehmung (§§ 81 Abs. 1 und 82 FGO, §§ 450 ff. ZPO) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur ein letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts. Sie dient nicht dazu, dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, seine eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beeiden. Sie kann unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann oder wenn keine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens spricht (BFH-Urteil vom 2. Juli 1998 IV R 39/97, BFHE 186, 299, BStBl II 1999, 28, unter 5.b der Gründe, m.w.N.).

Die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist grundsätzlich Sache des Gerichts der Tatsacheninstanz (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 448 Rz 7; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 448 Rz 4a). Ob das Gericht der Tatsacheninstanz von dem ihm eingeräumten Recht, einen Beteiligten zu vernehmen, Gebrauch macht, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das gilt unabhängig davon, ob der Beteiligte einen ausdrücklichen Antrag auf seine Vernehmung (oder die seines gesetzlichen Vertreters) gestellt hat (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 447 Rz 7; Huber in Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 447 Rz 2; Zöller/Greger, a.a.O., § 447 Rz 1). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Gericht der Tatsacheninstanz sein Ermessen unsachgemäß ausgeübt oder die ihm eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten hat oder dieses Ermessen, falls eine Beteiligtenvernehmung in Betracht kam, überhaupt nicht hat walten lassen (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. November 1974 VI ZR 125/73, Versicherungsrecht --VersR-- 1975, 155, 156, und vom 17. September 1986 IVb ZR 87/85, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 1987, 152).

Im Streitfall hat das FG als Tatsacheninstanz zwar die ihm vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers Z zur Kenntnis genommen; die Vorentscheidung enthält jedoch keine ausdrückliche Aussage dazu, ob es dessen Vernehmung in Betracht gezogen hat.

Wenn ein Gericht in den Urteilsgründen sich nicht besonders mit der Möglichkeit der Beteiligtenvernehmung befasst, so rechtfertigt das im Allgemeinen nicht ohne Weiteres den Schluss, dass es diese Möglichkeit außer Acht gelassen hat (vgl. BGH-Urteile in FamRZ 1987, 152, und vom 20. März 1998 V ZR 70/97, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht --NZM-- 1998, 449). Der zivilprozessrechtlichen Rechtsprechung und Literatur zufolge soll es darauf ankommen, ob sich dem Gericht die Beteiligtenvernehmung aufdrängen musste (BGH-Urteil in NZM 1998, 449; Stein/Jonas/Leipold, a.a.O., § 448 Rz 38; Huber in Musielak, a.a.O., § 448 Rz 4; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 448 Rz 9). Demgegenüber hat der BFH die Auffassung vertreten, eine Beteiligtenvernehmung sei aufgrund ihres subsidiären Charakters und der Tatsache, dass der Beteiligte ohnehin im Verfahren alle ihm bekannten Umstände darlegen könne, kein Beweismittel, das sich dem FG aufdrängen müsse (BFH-Beschluss vom 7. Juli 1998 I B 102/97, juris).

Im Streitfall kann offenbleiben, ob der letztgenannten Aussage uneingeschränkt zu folgen ist (auf "regelmäßige" Fälle beschränkend bereits BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2005 X B 30/05, BFH/NV 2005, 1861, und vom 25. Juli 2006 IV B 116/04, BFH/NV 2006, 2270). Nach der Auffassung des beschließenden Senats ist die Entscheidung des FG vom BFH jedenfalls daraufhin zu überprüfen, ob das Unterlassen einer Beteiligtenvernehmung auf objektiver Willkür beruht (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 9. März 2004 X B 68/03, BFH/NV 2004, 1112, unter 5. der Gründe).

Im Streitfall lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass das FG sein pflichtgemäßes Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte. Weder musste sich ihm eine Vernehmung des Geschäftsführers Z aufdrängen noch hat das FG dessen Vernehmung willkürlich unterlassen. Das FG war nach Würdigung der ihm vorliegenden Beweisanzeichen zu der Auffassung gelangt, dass die 13. X GmbH & Co. KG (13. X) von Anfang an die unbedingte Veräußerung des von ihr erworbenen und bebauten Grundstücks beabsichtigt hatte. Es hielt das gegenteilige Vorbringen der Klägerin mithin nicht für wahrscheinlich, sondern für unzutreffend. Die von Anfang an bestehende unbedingte Veräußerungsabsicht ließ sich zwar nicht allein aus der zeitlichen Nähe zwischen Bebauung und Veräußerung herleiten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.4. der Gründe; Kempermann, Deutsches Steuerrecht 2002, 785, 787, zu 4.2). Der Streitfall wies aber die Besonderheit auf, dass der Grundbesitz in der ersten nach Erwerb und Bebauung vorgelegten Bilanz (auf den 31. Dezember 2002) als Umlaufvermögen ausgewiesen war. Hinzu kam die kurzfristige Finanzierung (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. September 2002 X R 5/00, BFHE 200, 512, BStBl II 2003, 286). Angesichts dieser Umstände war die Würdigung des FG jedenfalls möglich und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin dem späteren Erwerber des Grundbesitzes im Jahr 2005 zunächst den Verkauf der Anteile an der 13. X angeboten hatte. Die dem FG vorgelegte eidesstattliche Versicherung, aus der die Klägerin herleitet, das FG hätte Z vernehmen müssen, enthält zur Sache selbst nur den Satz, der Unterzeichner könne bestätigen, dass die Geschäftsleitung der Objektgesellschaften beschlossen habe, das Objekt langfristig im eigenen Bestand zu halten und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Diese allgemeine Aussage war nicht geeignet, die Vernehmung des Geschäftsführers Z sinnvoll, geschweige denn notwendig erscheinen zu lassen.

2. Nichtbeachtung bzw. falsche Gewichtung von Indizien

Insoweit sind Verfahrensmängel nicht in zulässiger Weise dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Daraus, dass das FG nicht ausdrücklich oder mit der von der Klägerin für erforderlich gehaltenen Ausführlichkeit auf alle Indizien eingegangen ist, von denen die Klägerin meint, dass sie bei gehöriger Beachtung zu einer Entscheidung zu ihren Gunsten geführt hätten, kann nicht hergeleitet werden, dass das FG den Anspruch der Klägerin auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. April 1980 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43), zumal es nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (BVerfG-Entscheidungen vom 27. Mai 1970 2 BvR 578/69, BVerfGE 28, 378; vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101, 104 f.; vom 5. Oktober 1976 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, 368, und vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86). Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. November 2005 X S 18/05, BFH/NV 2006, 595, und vom 3. Dezember 2007 II S 11/07, BFH/NV 2008, 529, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall gibt es keine Hinweise, dass das FG ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat. Das FG hat die von der Klägerin für maßgeblich gehaltenen Indizien vielmehr ersichtlich anders bewertet als die Klägerin. Mit der Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht erfolgreich begründet werden (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 82, m.w.N.).

Aus demselben Grund sind die Ausführungen der Klägerin zu den angeblich nicht beachteten oder nicht ausreichend gewürdigten Indizien nicht geeignet, eine Verletzung der dem FG obliegenden Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung darzulegen.

Ende der Entscheidung

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