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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: IV B 89/03
Rechtsgebiete: FGO, EStG, UStG, SGB V, SGB XI


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
UStG § 4 Nr. 14
SGB V § 37
SGB XI § 36
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Verfahren war nicht nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

1. Eine Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen dann geboten, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408, vom 18. September 1992 III B 43/92, BFHE 169, 110, BStBl II 1993, 123; vom 25. August 1993 X B 32/93, BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797, und vom 30. April 1996 III R 211/90, BFH/NV 1997, 23).

Der Senat lässt offen, ob angesichts des dem BVerfG unter dem Az. 1 BvL 2/04 vorliegenden Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 21. April 2004 4 K 317/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1065) diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht zu erwarten ist, dass sich die Entscheidung des BVerfG, selbst wenn sie die Gewerbeertragsteuer für verfassungswidrig erklären sollte, auf das anhängige Besteuerungsverfahren auswirken wird.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO hängt auch davon ab, ob mit einer Aufhebung des verfassungswidrigen Gesetzes für die Vergangenheit zu rechnen oder nur zu erwarten ist, dass das BVerfG dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Herbeiführung eines verfassungsmäßigen Zustandes setzen wird (BFH-Beschluss vom 5. August 1992 II B 75/92, BFHE 168, 402, BStBl II 1992, 967).

Letzteres ist hier anzunehmen. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG ist nämlich nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass normverwerfende Entscheidungen dieses Gerichts zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes --und sei es auch nur im Rahmen einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle-- führen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 1998 IV B 150/97, BFH/NV 1999, 657, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG). Eine solche Möglichkeit hat der BFH insbesondere für die Gewerbeertragsteuer verneint und deshalb in seinem Urteil vom 11. November 1997 VIII R 49/95 (BFHE 185, 46, BStBl II 1998, 272) ausgeführt, eine rückwirkende Nichtigkeitserklärung des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) würde zu einem derart schwerwiegenden Eingriff in das Wirtschaftsgefüge führen, dass der sich danach ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner stünde als der bestehende. Es wäre deshalb selbst für den Fall, dass das GewStG gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern lediglich mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen (vgl. im Ergebnis auch BFH-Beschluss vom 3. August 1999 VIII B 79/98, BFH/NV 2000, 222). Hiervon geht auch der Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG in EFG 2004, 1065 (unter B.IV.1.b der Gründe) aus (vgl. auch Hey, Finanz-Rundschau --FR-- 2004, 876, 879).

2. Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, die Rechtssache dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) vorzulegen. Er hält an seiner wiederholt dokumentierten Auffassung fest, dass die Gewerbeertragsteuer mit der Verfassung vereinbar ist, und erwartet insbesondere unter Berücksichtigung des jüngsten Beschlusses des BVerfG zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2005, 56) nicht, dass das BVerfG zu einem anderen Ergebnis gelangen wird.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Die Frage, inwieweit aus ambulanter Krankenpflege Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden, die der Gewerbesteuer unterliegen, ist nicht mehr klärungsbedürftig.

a) Zum wiederholten Male hat der Senat ausgeführt (Urteil vom 13. Februar 2003 IV R 49/01 BFHE 202, 70, BStBl II 2003, 721 unter 3., sowie zuletzt die Beschlüsse in den vom Kläger zitierten Verfahren vom 27. Januar 2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783, und vom 28. Juli 2004 IV B 94/02, nv), dass die Entscheidungen des BVerfG zu § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- (Beschlüsse vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158, und vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155) nicht auf die Einkommen- und Gewerbesteuer zu übertragen sind. Auf den Beschluss in BFH/NV 2004, 783 wird Bezug genommen.

b) Des Weiteren hat der Senat mit Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01 (BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509) umfassend zu ertragsteuerlichen Fragen in Bezug auf selbständige Krankenpfleger Stellung genommen.

aa) Insbesondere betrifft diese Entscheidung (unter 3. d bb der Gründe) auch die Frage nach den Anforderungen an eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Ungeachtet dessen hatte der erkennende Senat bereits im Urteil vom 5. Juni 1997 IV R 43/96 (BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681) ausgeführt, dass ein Krankenpfleger, der die Pflege am einzelnen Patienten angesichts des Umfangs der zu erbringenden Leistungen nach einem Erstgespräch weitgehend seinen Mitarbeitern überlässt, nicht i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG eigenverantwortlich tätig wird.

bb) Ebenso hat der Senat im Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 geklärt, dass die Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), die im Einzelfall Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung umfassen kann, Ausübung eines Heilhilfsberufs ist, die mit der Tätigkeit eines Krankengymnasten vergleichbar ist. Werde die Behandlungspflege, die als medizinische Hilfeleistung unter Verantwortung eines Arztes auf einer Stufe mit Leistungen anderer Heilhilfsberufe stehe, im Rahmen der häuslichen Krankenpflege erbracht, so präge sie die gesamte Pflegeleistung. Ggf. zusätzlich zu erbringende Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung änderten nichts an der Vergleichbarkeit der Tätigkeit mit anderen Heilhilfsberufen. Anders als diese Behandlungspflege sei hingegen die häusliche Pflegehilfe i.S. des § 36 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu beurteilen, die sich nur auf die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung erstrecke.

Soweit das FG festgestellt hat, dass die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe umfangreicher waren als die der Behandlungspflege, so kann daraus allerdings nicht gefolgert werden, dass die Tätigkeit insgesamt als gewerblich geprägt anzusehen ist. Vielmehr wäre auch in diesem Fall die im Senatsurteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 angesprochene Möglichkeit der Trennung der Einnahmen zu prüfen. Aber selbst wenn dem FG insoweit ein Irrtum unterlaufen sein sollte, würde dies nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn das FG hat das Urteil auch mit dem Grund des Fehlens der eigenverantwortlichen Tätigkeit des Klägers begründet, der auch für sich genommen das Urteil trägt, so dass die Revision wegen eines etwaigen Irrtums über die Möglichkeit einer Trennung der unterschiedlichen Tätigkeiten nicht zugelassen werden kann. Wird ein Urteil auf mehrere tragende Gründe gestützt, so muss hinsichtlich einer jeden Begründung ein Zulassungsgrund vorliegen (so schon Senatsbeschluss vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524).

2. Der Kläger hat den von ihm behaupteten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

Soweit der Kläger rügt, das FG hätte darauf hinweisen müssen, dass es für die Beurteilung der Freiberuflichkeit diejenigen Zahlen heranziehe, die der Abgrenzung bei der Umsatzsteuer zwischen pflegerischer und nichtpflegerischer Leistungen gedient hätten, kann dahinstehen, ob darin überhaupt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i.S. des Art. 103 Abs. 1 GG und des § 96 Abs. 2 FGO zu erblicken ist. Zweifel hieran bestehen insbesondere deswegen, weil das FG den Kläger unter Setzung einer Ausschlussfrist aufgefordert hatte, gerade den Umfang der pflegerischen und nichtpflegerischen Leistungen nachzuweisen.

Ungeachtet dessen betreffen diese Erwägungen nur eine Zusatzüberlegung des FG im Zusammenhang mit dem vom Kläger angebotenen Leistungskatalog, nicht jedoch den weiteren urteilstragenden Grund der fehlenden eigenverantwortlichen Tätigkeit. Für eine schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wäre hier auch aufzuzeigen gewesen, dass bei Gewährung rechtlichen Gehörs eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 19. November 1999 V B 62/99, BFH/NV 2000, 612). Daran fehlt es im Hinblick auf den vom FG kumulativ herangezogenen Klageabweisungsgrund des Fehlens der eigenverantwortlichen Tätigkeit. Deshalb wäre der Verfahrensfehler der Verletzung rechtlichen Gehörs auch nicht gegeben; denn die Entscheidung kann nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hierauf beruhen.

Ende der Entscheidung

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