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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.07.2009
Aktenzeichen: IV B 90/08
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
AO § 193 Abs. 1
AO § 393 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen, ungeachtet erheblicher Zweifel an ihrer Zulässigkeit, jedenfalls unbegründet.

1.

Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen einer Willkürentscheidung des Finanzgerichts (FG) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die Entscheidung des FG schwerwiegende Rechtsfehler aufweist und deshalb objektiv willkürlich erscheint oder greifbar gesetzeswidrig ist (Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Die von der Beschwerde gerügten Rechtsfehler liegen bereits nicht vor.

a)

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geht davon aus, dass das FG die Rechtsnatur der Prüfungsanordnung verkannt habe. Tatsächlich habe es sich um eine Erweiterung der Prüfungsanordnung gehandelt, da zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eine Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes X bei der Klägerin noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die streitgegenständliche Erweiterung der Außenprüfung hätte einer Begründung bedurft. Da es an einer solchen fehle und eine Umdeutung nicht in Betracht komme, sei die Entscheidung des FG rechtsfehlerhaft.

b)

Es kann dahinstehen, ob die rechtliche Würdigung einer dem Erlass einer Prüfungsanordnung zu Grunde liegenden Ermessensentscheidung einen schwerwiegenden Rechtsfehler im zuvor dargelegten Sinne aufweisen könnte. Jedenfalls liegt im Streitfall kein Rechtsfehler vor. Die Anordnung der Außenprüfung bei der Klägerin wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der gewerblichen Einkünfte sowie der Umsatz- und Gewerbesteuer (§ 193 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) steht in keinem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der ebenfalls bei der Klägerin angeordneten Lohnsteueraußenprüfung (§ 193 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Frage des Vorliegens einer Prüfungserweiterung kann sich daher nur auf die jeweilige Prüfungsanordnung erstrecken. Die noch nicht abgeschlossene Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin steht damit einer Prüfungsanordnung einschließlich Prüfungserweiterungsanordnung wegen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der gewerblichen Einkünfte sowie der Umsatz- und Gewerbesteuer gemäß § 193 Abs. 1 AO nicht entgegen. Ebenso wenig ist die streitgegenständliche Prüfungsanordnung als Prüfungserweiterung der bereits angeordneten Lohnsteueraußenprüfung zu verstehen, die, wie die Klägerin behauptet, einer besonderen Begründung bedurft hätte.

c)

Ebenso wenig kann die Zulassung der Revision auf das Vorbringen der Klägerin gestützt werden, das FG habe den Einfluss der Grundrechte bei der Auslegung des einfachen Rechts nicht beachtet.

Nach dem Vorbringen der Klägerin habe das FG wegen des gegen die Geschäftsführerin und Kommanditistin der Klägerin eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Verfahrens insbesondere gegen den Grundsatz des Verbots der Selbstbezichtigung (nemo tenetur se ipsum accusare) verstoßen. Durch die mannigfaltige Aneinanderreihung der Außenprüfungen bzw. deren Erweiterungen strebe der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) nach Erkenntnissen, die er innerhalb der Durchführung gerechtfertigter Steuerfahndungsmaßnahmen unter Beachtung des Nemo-Tenetur-Grundsatzes nicht erlangen könnte.

Dieses Vorbringen lässt einen Rechtsfehler des FG nicht erkennen.

Aus § 393 Abs. 1 Satz 1 AO lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Außenprüfung und die Steuerfahndungsprüfung nebeneinander zulässig sind. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens hindert daher weder die Durchführung einer Außenprüfung noch die Erweiterung des Prüfungszeitraums einer bereits angeordneten Außenprüfung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. August 1998 XI R 37/97, BFHE 186, 506, BStBl II 1999, 7). Grundsätzlich ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt auch bei dem Vorliegen des Verdachts einer Steuerstraftat. Entsprechend stellt § 208 Abs. 3 AO klar, dass die Aufgaben und Befugnisse der Finanzämter von den Befugnissen der Steuerfahndung unberührt bleiben. In der Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander stehen (BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).

Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Frage, ob das Gesetz hinreichend die teilweise unterschiedliche Struktur von Besteuerungsverfahren einerseits und Strafverfahren andererseits berücksichtigt, kann im Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 30, m.w.N.).

Das Verhältnis der beiden Verfahren zueinander regelt § 393 Abs. 1 AO. Daran ist die Rechtsprechung gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Über die Frage, ob und ggf. auf welche Weise dem strafprozessualen Grundsatz, dass sich niemand selbst einer Straftat bezichtigen müsse, im Besteuerungsverfahren Rechnung getragen wird, hat der Gesetzgeber, nicht die Rechtsprechung zu entscheiden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2003 XI B 60/02, BFH/NV 2003, 1034).

2.

Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO stützt, fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Voraussetzungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

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