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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: IV B 98/05
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist --wenn nicht unzulässig-- jedenfalls unbegründet. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, weil der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

1. Die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO erfordert, dass das Finanzgericht (FG) Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls hätten aufdrängen müssen (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 76 FGO Tz. 41, m.w.N.). Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz. 26). Wird geltend gemacht, das FG habe Beweisanträge übergangen, so müssen u.a. die ermittlungsbedürftigen Tatsachen angegeben werden und es muss dargelegt werden, inwiefern das angefochtene Urteil --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 69, m.w.N.).

2. Ein Verfahrensmangel ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.

a) Das FG ist unter Berücksichtigung des schlechten Gesundheitszustandes der Klägerin von einem groben Verschulden an dem verspäteten Vorbringen der zu einer niedrigeren Steuer führenden Tatsachen ausgegangen, weil nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin wegen ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, gegen die auf Schätzungen beruhenden Bescheide und die spätere Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einen zunächst nicht begründungsbedürftigen Einspruch unter Darlegung ihrer Krankengeschichte einzulegen bzw. einlegen zu lassen. Hinzu gekommen sei, dass die Klägerin über Jahre hinweg immer wieder unter monatelangen Beschwerden gelitten habe, aber weder die Zeiten, in denen sie wenigstens stundenweise habe tätig sein können, für die Erledigung ihrer steuerlichen Erklärungspflichten genutzt habe noch trotz Kenntnis ihres dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes Vorkehrungen getroffen habe, damit die auf Schätzungen beruhenden Steuerbescheide nicht bestandskräftig würden.

b) Das ist nicht zu beanstanden.

aa) Grobes Verschulden kann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger seine Erklärungspflichten verletzt (s. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. März 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120; vom 9. März 1990 VI R 19/85, BFH/NV 1990, 619; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346; vom 8. Dezember 1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743). Lässt ein Steuerpflichtiger einen Bescheid bestandskräftig werden, liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein grob fahrlässiges Verhalten i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vor, wenn sich ihm innerhalb der Einspruchsfrist die Notwendigkeit weiterer Angaben hätte aufdrängen müssen (BFH-Urteil vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379; vgl. z.B. auch BFH-Beschluss vom 29. März 1988 X B 118/87, BFH/NV 1989, 567, sowie BFH-Urteile in BFH/NV 1990, 619, und vom 11. Mai 1990 VI R 76/86, BFH/NV 1991, 281).

bb) Krankheit entschuldigt die Fristversäumnis nur, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt oder so schwerwiegend ist, dass weder die Wahrung der Frist noch die Bestellung eines Vertreters möglich sind (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz. 20 "Krankheit", m.w.N.).

c) Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich demnach kein Verfahrensmangel. Insbesondere hat das FG weder die Sachaufklärungspflicht verletzt noch einen entscheidungserheblichen Beweisantrag übergangen.

aa) Im Klageverfahren hat die Klägerin angegeben, ihre psychische Kraft sei sehr begrenzt und es sei verständlich, wenn ihre Bemühungen in erster Linie darauf gerichtet gewesen seien, Einkünfte zu erzielen; wenn am Ende einer Frist ein psychisches Belastungssyndrom auftrete, sei die Fristüberschreitung entschuldbar. Dazu hat sie ihren seit Jahrzehnten behandelnden Neurologen als Zeugen benannt.

Auf der unterlassenen Zeugenvernehmung beruht die vorinstanzliche Entscheidung jedoch nicht. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin kam es nach der zutreffenden Auffassung des FG in diesem Zusammenhang nicht auf die --im Übrigen unstreitige-- Schwere der Erkrankung, sondern auf die darauf beruhende dauerhafte Verhinderung zur Einhaltung der Fristen und zur Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten an. Darauf bezog sich der Beweisantrag aber nicht.

bb) Auch in der Beschwerde wird nicht dargelegt, dass die Klägerin bis zur verspäteten Einreichung der Steuererklärungen krankheitsbedingt dauerhaft verhindert gewesen wäre, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen bzw. die streitigen Bescheide anzufechten oder einen Vertreter zu bestellen. Zwar kann die Fristüberschreitung entschuldbar sein, wenn am Ende einer Frist ein psychisches Belastungssyndrom auftritt; das kann jedoch nur gelten, solange ein solches Hindernis besteht. Deshalb sind --insbesondere bei lang andauernder Fristüberschreitung wie im Streitfall-- auch Angaben dazu erforderlich, wann das Hindernis weggefallen ist. Daran fehlt es. Aus dem vorgelegten Attest ist zu entnehmen, dass die Klägerin seit 1999 bis Anfang 2003 unter monatelangen Erschöpfungszuständen und sogar unter Depressionen als Folgeerscheinung der Krebserkrankung im Jahr 1989 litt; eine dauerhafte Verhinderung in dem vorliegend maßgeblichen Zeitraum bis zur Einreichung der Steuererklärungen ergibt sich daraus jedoch ebenfalls nicht.

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