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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.02.1998
Aktenzeichen: IV R 17/97
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 129 Satz 1
EStG § 34e Abs. 2 Satz 3
BUNDESFINANZHOF

1. Ob bei fehlerhaften Eintragungen im Eingabewertbogen für das maschinelle Steuerfestsetzungsverfahren ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muß nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei handelt es sich im wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt.

2. Sind Ehegatten Mitunternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebs, können Eintragungen im Eingabewertbogen, die zur Gewährung des personenbezogenen Höchstbetrags der Steuerermäßigung nach § 34e EStG für jeden Ehegatten führen, nach den Umständen des Einzelfalls auf einer unrichtigen Auslegung des Gesetzes beruhen, so daß ein Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden kann.

AO 1977 § 129 Satz 1 EStG § 34e Abs. 2 Satz 3

Urteil vom 5. Februar 1998 - IV R 17/97 -

Vorinstanz: FG München (EFG 1997, 711)


Gründe

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten und bewirtschafteten in den Streitjahren 1988 bis 1991 in Gütergemeinschaft einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. In allen Streitjahren hatten sie dem Grunde nach einen Anspruch auf die Steuerermäßigung nach § 34e des Einkommensteuergesetzes (EStG), dessen betriebsbezogener Höchstbetrag von 2 000 DM ihnen je zur Hälfte zuzurechnen war.

Bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung trug der Sachbearbeiter den jeweiligen Gewinnanteil der Ehegatten aus dem im Veranlagungszeitraum endenden Wirtschaftsjahr unter der Kennziffer 34 bzw. 35 des Eingabewertbogens ein. Zutreffend wäre eine Eintragung unter Kennziffer 38 bzw. 39 gewesen, wobei zugleich der betriebsbezogene Höchstbetrag von je 1 000 DM unter der Kennziffer 40 bzw. 41 hätte vermerkt werden müssen. Die fehlerhafte Eintragung hatte zur Folge, daß im automatisierten Verfahren von zwei eigenständigen Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ausgegangen und jedem der Kläger der volle betriebsbezogene Höchstbetrag von 2 000 DM gewährt wurde.

Nachdem der Landesrechnungshof derartige --nicht nur im Fall der Kläger unterlaufene-- Eingabefehler beanstandet hatte, erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) auf § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Änderungsbescheide für die Streitjahre.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 711), weil eine fehlerhafte Rechtsanwendung bei Erlaß der ursprünglichen Bescheide nicht ausgeschlossen werden könne.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, die Voraussetzungen für eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit seien erfüllt. Es handele sich um eine den verwaltungsinternen Anweisungen widersprechende Eintragung im Eingabewertbogen und einen Irrtum über den Ablauf des maschinellen Verfahrens. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen, weil die Bearbeiter auf die maschinell richtige Berechnung der Steuerermäßigung vertraut hätten. Nur wenn sie die vorgeschriebenen Eintragungen richtig vorgenommen hätten, wären rechtliche Überlegungen notwendig gewesen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG ist ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß die Voraussetzungen für eine Berichtigung der Steuerbescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit nicht vorlagen.

1. Nach § 129 Satz 1 AO 1977 kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. "Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" sind einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche mechanische Versehen. Ist die mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt kein mechanisches Versehen und damit keine offenbare Unrichtigkeit vor (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293).

Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung können als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im vorgenannten Sinn sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder Übersehen notwendiger Eintragungen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62; vom 10. Mai 1989 I R 104/85, BFH/NV 1990, 478). Es ist aber auch denkbar, daß fehlerhafte Eintragungen auf einem Rechtsirrtum beruhen, denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern wird auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muß nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. BFH- Urteile vom 4. Juni 1986 IX R 52/82, BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3; vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277; vom 18. Oktober 1989 I R 15/86, BFH/NV 1990, 752). Dabei handelt es sich im wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG von der nicht nur theoretischen Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgegangen ist und deshalb das Vorliegen einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit verneint hat. Zwar ist dem FA darin zuzustimmen, daß die Bearbeiter bei den Veranlagungen in Unkenntnis der entsprechenden Dienstanweisungen jeweils darauf vertraut haben könnten, aufgrund der von ihnen vorgenommenen Eintragungen werde die richtige Steuerermäßigung bei der maschinellen Verarbeitung errechnet werden. Dann hätten sie keine weiteren rechtlichen Überlegungen über die Betriebsbezogenheit des Höchstbetrags angestellt, so daß von einem mechanischen Versehen gesprochen werden könnte. Es verstößt aber weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze, wenn das FG es ebenso für möglich hält, daß der Bearbeiter infolge unrichtiger Auslegung des § 34e EStG den Ehegatten jeweils einen vollen Höchstbetrag zubilligen wollte. Dies könnte bei oberflächlicher Lektüre des Gesetzestextes aus der sprachlich wenig geglückten Formulierung des § 34e Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 1733; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 34e EStG Anm. 52) entnommen worden sein. Auch die Häufung entsprechender Fehler in verschiedenen FÄ wird vom FG zu Recht als Beleg dafür genommen, daß die konkrete Möglichkeit einer fehlerhaften Auslegung der komplizierten Vorschrift besteht. Nicht fernliegend ist zudem die von den Klägern geäußerte Vermutung, es könne die Verdoppelung des Freibetrags nach § 13 Abs. 3 EStG für zusammenveranlagte Ehegatten zu der Annahme geführt haben, entsprechend sei auch bei § 34e EStG zu verfahren. Die Eintragungen im Eingabewertbogen wären dann gezielt zu dem Zweck erfolgt, den Klägern im maschinellen Verfahren jeweils den vollen Höchstbetrag zu gewähren.

Ende der Entscheidung

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