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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.11.1997
Aktenzeichen: IV R 18/97
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 3 | |
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2 | |
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2 |
Ist bei einer zweigliedrigen Gesellschaft für den Fall des Todes eines Gesellschafters die Übernahme aller Vermögensgegenstände und Schulden durch den Überlebenden vereinbart, so führt der Todesfall zur Veräußerung eines Mitunternehmeranteils. Muß wegen der bisher praktizierten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein Übergangsgewinn ermittelt werden, so ist dieser anteilig dem verstorbenen Gesellschafter zuzurechnen, auch wenn er im wesentlichen auf der Zurechnung nicht beglichener, auf den Überlebenden übergehender Honorarforderungen beruht.
EStG § 4 Abs. 3, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2
Urteil vom 13. November 1997 - IV R 18/97
Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 534)
G r ü n d e
Die Klägerin ist die Witwe des im April 1990 verstorbenen Steuerberaters X. Dieser hatte seine Steuerberaterpraxis zusammen mit dem Beigeladenen und Revisionskläger (Beigeladener), dem Steuerberater Y betrieben. Nach dem Sozietätsvertrag waren die Partner am Überschuß der Sozietät zu je 50 v.H. beteiligt. Bei Beendigung der Sozietät infolge des Todes seines Partners sollte die gemeinsame Praxis von dem überlebenden Partner unter Übernahme aller Vermögensgegenstände und Schulden fortgesetzt werden. Weiter heißt es in dieser Vertragsbestimmung, daß beim Tod eines Partners an die Witwe als Abfindung eine monatliche Rente in Höhe von 3 000 DM zu zahlen sei.
Im November 1990 trafen die Klägerin und der Beigeladene eine Vereinbarung folgenden Inhalts:
"Der Gewinnanteil des verstorbenen X für das Jahr 1990 beläuft sich auf 64 740 DM. Abgerechnet sind darauf 34 740 DM. Der Restbetrag von noch 30 000 DM wird von Herrn Y am 15. Dezember 1990 an Frau X gezahlt." Des weiteren wurde vereinbart, daß die Klägerin die im Sozietätsvertrag vorgesehene Rente erhalten sollte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte im Gewinnfeststellungsbescheid 1990 erklärungsgemäß die Einkünfte der Sozietät in Höhe von 446 818 DM fest. In diesem Betrag war außer dem laufenden Gewinn ein "Übergangsgewinn" wegen fingierten Übergangs zum Betriebsvermögensvergleich (R 16 Abs. 7, R 17 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--) in Höhe von 293 132 DM enthalten, von dem das FA die Hälfte (146 566 DM) dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zurechnete. Außerdem ermittelte das FA in der Anlage zum Feststellungsbescheid für die Klägerin einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 80 768 DM.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß der Übergangsgewinn allein dem Beigeladenen zuzurechnen sei. Das FG stützte sich im wesentlichen darauf, daß nach dem Sozietätsvertrag der überlebende Partner die Praxis unter Übernahme aller Vermögensgegenstände und Schulden fortsetze. Nach Lage der Dinge hätten die Vertragspartner unter "Vermögensgegenständen" nur die noch offenen und nicht unerheblichen Forderungen der Sozietät verstanden. Damit habe der überlebende Partner alleiniger Forderungsinhaber werden und zum Einzug berechtigt sein sollen. Eine irgendwie geartete Zuordnung dieser Forderungen beim Ausscheidenden bzw. seinem Erben sei danach zivilrechtlich ausgeschlossen gewesen. Die Forderungen dürften dem Ausscheidenden somit auch steuerlich nicht zugerechnet werden.
Wegen der Abhängigkeit des Kapitalanteils von der Zurechnung des Forderungsbestands führe die alleinige Zurechnung des Übergangsgewinns zu den Einkünften des Beigeladenen zu einer Erhöhung des Aufgabegewinns. Der Aufgabegewinn sei jedoch nicht streitbefangen.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beigeladenen.
Der Beigeladene beantragt sinngemäß, unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Das FA hat keinen Antrag gestellt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Zu Recht hat das FA einen sogenannten "Übergangsgewinn" wegen fingierten Übergangs zum Betriebsvermögensvergleich (R 16 Abs. 7, R 17 Abs. 1 EStR) ermittelt und diesen dem Beigeladenen und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin je zur Hälfte zugerechnet.
1. Ist --wie im Streitfall-- im Gesellschaftsvertrag einer zweigliedrigen Gesellschaft vereinbart, daß beim Tode eines Gesellschafters das Unternehmen vom überlebenden Gesellschafter allein fortgeführt wird, scheidet der Gesellschafter mit seinem Tode in der Weise aus, daß seine Beteiligung untergeht, das Gesamthandseigentum sich in Alleineigentum des Übernehmers verwandelt und der Erbe gegen den Übernehmer einen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch erwirbt (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 16 Rdnr. 661, 412). Steuerlich handelt es sich um die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Veräußerungsgewinn bemißt sich nach der Differenz zwischen der Höhe der Abfindung und dem Buchwert des Kapitalanteils des Verstorbenen. Der Buchwert ist nach allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen auf den Zeitpunkt der Veräußerung zu ermitteln (Schmidt, a.a.O., Rdnr. 463).
Hat die Gesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, ist sie zur Feststellung der für die Berechnung des Veräußerungsgewinns erforderlichen Buchwerte so zu behandeln, als wäre sie im Augenblick des Todes des einen Gesellschafters (Veräußerung) zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen. Es gelten mithin die in R 16 Abs. 7 EStR aufgestellten Grundsätze, die der Senat in seinem Urteil vom 23. November 1961 IV 98/60 S (BFHE 74, 535, BStBl III 1962, 199) gebilligt hat.
2. Der hierbei infolge der Zurechnung noch nicht beglichener Honorarforderungen entstehende Übergangsgewinn ist dem verstorbenen Gesellschafter und dem Übernehmer --entsprechend der Gewinnverteilungsvereinbarung im Gesellschaftsvertrag-- je zur Hälfte zuzurechnen. Das ergibt sich daraus, daß dieser Gewinn von beiden Gesellschaftern während des Bestehens der Gesellschaft gemeinsam erwirtschaftet worden ist (s. auch Senatsurteil vom 24. Oktober 1996 IV R 90/94, BFHE 181, 476, BStBl II 1997, 241, zur Verteilung von Mehrgewinnen, die sich aufgrund einer nach Ausscheiden eines Gesellschafters durchgeführten Betriebsprüfung ergeben). Aus der Vereinbarung in § 12 des Gesellschaftsvertrags läßt sich entgegen der Auffassung des FG nichts anderes herleiten. Es handelt sich um eine vielfach gebräuchliche sog. Fortsetzungsklausel (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Januar 1993 IV B 2 -S 2242- 86/92, BStBl I 1993, 62, Tz. 78). Wenn dort bestimmt ist, daß die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens auf den Überlebenden übergehen, so kann das nicht bedeuten, daß die Gewinne, die zur Entstehung dieser Wirtschaftsgüter geführt haben, abweichend von der Gewinnverteilungsabrede lediglich dem Übernehmer zur Versteuerung zuzuweisen wären. Das wird deutlich, wenn man zum Vergleich eine Gesellschaft heranzieht, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 oder § 5 EStG) ermittelt. Bei ihnen kann es nicht zweifelhaft sein, daß die realisierten aber noch nicht beglichenen Forderungen auf den Übernehmer übergehen, jedoch zuvor den beiden Gesellschaftern gemeinschaftlich zuzurechnenden Gewinn erhöht haben.
Entgegen der Auffassung der Klägerin führt dieses Ergebnis nicht dazu, daß sie etwas versteuern müßte, was sie nicht erhalten hätte. Die im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes bestehenden, aber noch nicht beglichenen Mandantenforderungen erhöhten dessen Kapitalanteil. Wirtschaftlich gesehen wurden diese Forderungen an den Beigeladenen veräußert. Ihr Wert mindert daher den in der Person des verstorbenen Ehemannes entstandenen Veräußerungsgewinn. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die nach ihrer Meinung bescheidene Höhe der Abfindung (Rente) dagegen spreche, daß die offenen Mandantenforderungen mitveräußert seien. Falls der Wert des veräußerten Praxisanteils deutlich höher sein sollte als der Barwert der an die Klägerin zu zahlenden Rente, so hängt das ausschließlich damit zusammen, daß die beiden Gesellschafter bei Gründung der Sozietät, als die Entwicklung des Praxiswertes noch nicht absehbar war, bewußt eine pauschale Abfindung vereinbart hatten.
3. Auch die zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin getroffene Vereinbarung vom 2. November 1990 kann nicht dazu führen, daß dem Ehemann der Klägerin der streitige Übernahmegewinn nicht zur Hälfte zuzurechnen ist. § 12 des Gesellschaftsvertrags kann so verstanden werden, daß auch die Kontenbestände der Sozietät (nicht entnommene Gewinne) auf den Übernehmer übergehen. In der Vereinbarung vom 2. November 1990 haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, daß der Klägerin für die Zeit bis zum Tod ihres Mannes über die tatsächlich entnommenen Beträge hinaus weitere Entnahmen zustehen sollten und zwar bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 64 740 DM (der Hälfte des nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinns).
Das entsprach der Regelung in § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags, derzufolge sich die Partner über die Höhe der monatlichen Entnahmen und der Auszahlung von Restüberschüssen abstimmen sollten. Demgegenüber gibt es entgegen dem Vorbringen der Klägerin keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beteiligten mit dieser Vereinbarung für das Kalenderjahr 1990 eine abweichende Gewinnverteilung treffen wollten. Hiergegen spricht zum einen, daß die in § 12 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene Rente der Klägerin nur dann in voller Höhe von 3 000 DM zustand, wenn sich der Gewinnanteil ihres verstorbenen Ehemannes im Zeitpunkt seines Todes auf 50 v.H. belief. Zum anderen standen die noch offenen Honorarforderungen dem Beigeladenen nach § 12 des Gesellschaftsvertrags ohnehin zu. Eine abweichende Gewinnverteilungsabrede hätte nur den Sinn haben können, die Steuerbelastung insoweit von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes auf den Beigeladenen zu verschieben. Der Beigeladene hatte keinen Grund, sich hierauf einzulassen.
Ende der Entscheidung
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