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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.03.1998
Aktenzeichen: IV R 23/97
Rechtsgebiete: GewStG
Vorschriften:
GewStG § 2 Abs. 1 |
Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt bei einem Leasingunternehmen nicht bereits mit der Beschaffung des Leasinggegenstandes. Das gilt auch dann, wenn der Leasinggeber den Leasinggegenstand vom Leasingnehmer erwirbt, sofern es sich bei dem Leasingvertrag nicht um einen verdeckten Ratenkauf handelt.
GewStG § 2 Abs. 1
Urteil vom 5. März 1998 - IV R 23/97 -
Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1997, 363)
Gründe
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde am 31. Januar 1985 in der Rechtsform einer GmbH & Co. OHG durch den Zusammenschluß zweier Kapitalgesellschaften gegründet. Die beiden Kapitalgesellschaften waren ihrerseits Tochterunternehmen der Z-AG, die Stranggießanlagen herstellt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war dem Gesellschaftsvertrag zufolge u.a. der Erwerb, die Vermietung und die technische Assistenz beim Betrieb von Stranggießanlagen.
Am 28. Februar 1985 schloß die Z-AG mit der A-Ltd. einen Liefervertrag über eine Brammenstranggießanlage. Zur Finanzierung dieses Vorgangs war eine Leasingkonstruktion folgenden Inhalts vorgesehen: Das Eigentum an der Anlage sollte zunächst sukzessive mit der Auslieferung auf die A-Ltd. übergehen, von dieser jedoch auf die Klägerin weiterübertragen werden. Die Klägerin sollte sodann die Einrichtung an die A- Ltd. vermieten. Der A-Ltd. stand ein Kaufoptionsrecht zu, das frühestens am Ende des vierten und spätestens am Ende des neunten Vertragsjahres ausgeübt werden konnte.
Dementsprechend schlossen die Klägerin und die A-Ltd. am 28. Juni 1985 einen Ankaufs- und einen Leasingvertrag. Außerdem verpflichete sich die Klägerin zur Wartung der Anlage.
Die Lieferung und Montage der Anlage erforderte rd. 18 Monate. Die Auslieferungen begannen im Jahre 1985. Entsprechend ihrem Fortschritt leistete die Klägerin an die A-Ltd. Anzahlungen auf den Kaufpreis, die sie durch Kredite finanzierte. Die bis zum 31. Dezember 1985 aufgenommenen Kredite beliefen sich auf 12 Mio. US Dollar.
Am 10. Dezember 1986 erklärte die A-Ltd. die Abnahme der gesamten Anlage. Anschließend begann sie mit der Zahlung der vereinbarten Leasingraten.
In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr (1986) vertrat die Klägerin die Auffassung, daß zu dem für die Gewerbekapitalsteuer maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem 1. Januar 1986, noch keine Gewerbesteuerpflicht bestanden habe. Diese habe erst mit Übergabe der fertigen Anlage und der zu diesem Zeitpunkt beginnenden Nutzungsüberlassung begonnen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Rechtsauffassung nicht, sondern berücksichtigte bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages einen Meßbetrag nach dem Gewerbekapital unter Hinzurechnung von Dauerschulden in Höhe von rd. 12,3 Mio. DM.
Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 363).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung sowie zur Herabsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1986 auf 0 DM.
Der Senat kann FA und FG nicht darin folgen, daß die Klägerin bereits zum 1. Januar 1986 gewerbesteuerpflichtig war.
1. a) Nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer nur der stehende Gewerbebetrieb. Danach beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebes erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung --GewStDV--; ab 1983 § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1984) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist. Während die Einkommensteuer als Personensteuer sämtliche betrieblichen Vorgänge von der ersten Vorbereitungshandlung zur Eröffnung eines Betriebes an erfaßt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Dezember 1992 XI R 45/88, BFHE 170, 487, BStBl II 1993, 538, 541; vom 7. April 1992 VIII R 34/91, BFH/NV 1992, 797), ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, so daß das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 30/90, BFH/NV 1993, 264; vom 17. April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527; Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762; Urteil vom 26. März 1985 VIII R 260/81, BFHE 143, 368, BStBl II 1985, 433, 434). Zu den bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen werden z.B. die Anmietung eines Geschäftslokals, die Errichtung eines Fabrikgebäudes oder eines Hotels, mit dessen Betrieb erst nach dessen Fertigstellung begonnen wird, gezählt (vgl. BFHE 143, 368, BStBl II 1985, 433, 434; BFH-Urteil vom 5. November 1957 I 325/56 U, BFHE 65, 559, BStBl III 1957, 448). Im Urteil vom 22. November 1994 VIII R 44/92 (BFHE 176, 138, BStBl II 1993, 900) hielt der BFH die Herstellung eines Wasserspeicherbeckens seitens eines Unternehmens, das sich gegenüber einem Kernkraftwerk zur Kühlwasserlieferung verpflichtet hatte, nicht für ausreichend, um den Beginn der Gewerbesteuerpflicht zu begründen.
Der Zeitpunkt des Beginns bzw. der Einstellung der werbenden Tätigkeit kann nicht weitergehend generell definiert werden. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten ebenfalls unterschiedlich zu bestimmen sein (BFH-Urteile vom 20. März 1990 VIII R 47/86, BFH/NV 1990, 799, 800; vom 19. August 1977 IV R 107/74, BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23; vom 30. Januar 1981 III R 116/79, BFHE 133, 217, 220, BStBl II 1981, 560; BFH-Urteil in BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900).
b) Diese Rechtsgrundsätze gelten gleichermaßen für Einzelgewerbetreibende wie für Personengesellschaften, und zwar unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter. Maßgebend für den Beginn des rechtsformunabhängigen Gewerbebetriebes nach dem GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit (Urteile in BFHE 143, 368, BStBl II 1985, 433, 434; in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762; vom 11. März 1982 IV R 25/79, BFHE 136, 204, BStBl II 1982, 707; vom 24. April 1980 IV R 68/77, BFHE 131, 70, BStBl II 1980, 658).
Die Handeslsregistereintragung einer --wie im Streitfall-- ausschließlich aus Kapitalgesellschaften bestehenden Personengesellschaft führt deshalb nicht --wie bei einer Kapitalgesellschaft-- bereits zum Beginn der Gewerbesteuerpflicht (BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527; ebenfalls Abschn. 21 Abs. 1 Satz 4 der Gewerbesteuer-Richtlinien --GewStR-- 1990). Auch ist weder die den Umfang der gewerblichen Tätigkeit von Personengesellschaften betreffende Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (vgl. BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527) noch die sog. Geprägerechtsprechung (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 762; § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, § 36 Abs. 2 GewStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986) geeignet, den Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht zeitlich vorzuverlegen (vgl. BFHE 143, 368, BStBl II 1985; 433, 434; BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900; Obermeier in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 2 GewStG Tz. 777; anders die Finanzverwaltung in Abschn. 21 Abs. 1 Satz 5 GewStR 1990).
2. Legt man diese Erwägungen zugrunde, so hat die Klägerin ihren Gewerbebetrieb vor Abnahme der Stranggießanlage am 10. Dezember 1986 noch nicht in Gang gesetzt.
Nach dem Gesellschaftsvertrag war Gegenstand des Unternehmens der Klägerin der Erwerb, die Vermietung und die technische Assistenz beim Betrieb von Stranggießanlagen. Die beiden letztgenannten Tätigkeiten hat die Klägerin erst ab dem 10. Dezember 1986 (Datum der Abnahme der Anlage) ausgeübt. Insbesondere kann daraus, daß die A-Ltd, bereits vor der Abnahme den Besitz über die bis dahin sukzessive gelieferten Teile ausübte, nicht geschlossen werden, daß ihr die Nutzung bereits zu einem früheren Zeitpunkt überlassen worden sei. Nutzbar war die Anlage erst nach ihrer Vervollständigung.
a) Die Überlassung des Besitzes an der noch nicht gebrauchsfähigen Anlage könnte nur dann bereits eine mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellen, wenn der Leasingvertrag nach Art eines Ratenkaufs wirtschaftlich darauf gerichtet gewesen wäre, dem Leasingnehmer das wirtschaftliche Eigentum zu verschaffen (sog. Finanzierungsleasing, Budde/Karig, Beck'scher Bilanzkommentar, § 246 Rdnr. 28). Das war vorliegend indessen nicht der Fall. Zwar war vorgesehen, daß der A-Ltd. nach Ende der für beide Seiten unkündbaren Grundmietzeit ein Optionsrecht zum Kauf der Anlage zustehen sollte. Angesichts des hierfür vorgesehenen Preises von 25 v.H. der Anschaffungskosten nach neunjähriger Nutzung (bei früherer Ausübung des Optionsrechts entsprechend höher) konnte bei Vertragsschluß jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, daß das Optionsrecht tatsächlich ausgeübt werden würde (vgl. hierzu Senatsurteil vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264, 273). Dieser Preis lag deutlich über dem Restbuchwert, geschweige denn einem niedrigeren Zeitwert. Er kann nicht mehr als "eine Art Anerkennungsgebühr" bezeichnet werden. Die Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums kann auch nicht mit der Begründung als Ziel des Leasingvertrages angesehen werden, daß die Grundmietzeit der in den amtlichen AfA-Tabellen mit 10 Jahren angegebenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer entsprochen habe. Schließlich gehen die Beteiligten auch übereinstimmend davon aus, daß der Leasinggegenstand nicht lediglich für die A-Ltd. nutzbar gewesen sei. Die Oberfinanzdirektion Düsseldorf hat denn auch der Z-AG unter dem Datum vom 7. Juni 1985 eine verbindliche Zusage erteilt, daß der Leasinggegenstand nicht dem Leasingnehmer zuzurechnen sei.
b) Stellte sich der Leasingvertrag demnach wirtschaftlich primär als Nutzungsüberlassung dar (sog. Operating-Leasing, Budde/Karig, a.a.O., § 246 Rdnr. 27), so ging der Erwerb des Leasinggegenstandes, der sich bei der Klägerin sukzessiv im Laufe der Jahre 1985 und 1986 vollzog, nicht über den Bereich bloßer Vorbereitungshandlungen hinaus.
Durch die Beschaffung des späteren Vermietungsobjektes beteiligt sich der Vermieter genausowenig mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, wie eine Baureederei (BFH-Urteile in BFHE 65, 559, BStBl III 1957, 448, und in BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527) oder ein Unternehmen, das die Aufnahme und Bereitstellung von Wasser betreibt und das hierzu erforderliche Speicherbecken errichtet (BFH-Urteil in BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900). Die Beschaffung des Vermietungsobjekts obliegt dem Vermieter als Eigenverpflichtung, um Leistungsstörungen zu vermeiden (BFH-Urteil in BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900). Entsprechendes gilt für den Leasinggeber beim Operating-Leasing.
c) Handelte es sich --wie vorstehend ausgeführt-- demnach nicht um einen Fall des Finanzierungsleasings, so kann ein vor dem Abnahmedatum liegender Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht nicht damit begründet werden, daß die Klägerin bereits in diesem Zeitraum der A-Ltd. die Finanzierung des mit der Z-AG abgeschlossenen Lieferungsgeschäfts abgenommen habe. Die Klägerin hat der A-Ltd. keinen Kredit gewährt. Wenn die A-Ltd. die von ihr genutzte Anlage nicht selbst finanzieren mußte, so lag das daran, daß sie sie --abgesehen von dem formalrechtlichen Zwischenerwerb-- nicht zu Eigentum erworben, sondern nur gemietet hatte.
d) Der sukzessive Erwerb der Anlage kann auch nicht wegen der von den Vertragsschließenden gewählten "sale-and-lease-back"-Konstruktion als Beginn einer mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr angesehen werden.
Allerdings unterscheidet sich der Streitfall aufgrund dieser Konstruktion von anderen Leasingfällen dadurch, daß eine rechtliche Verpflichtung des Leasinggebers gegenüber dem Leasingnehmer zum Erwerb des Leasinggegenstandes bestand. Anders als in den Fällen, in denen der Leasinggegenstand von einem Dritten besorgt wird, beschränkte sich das Interesse des Leasingnehmers an der Beschaffung nicht darauf, daß der Leasinggeber durch den Erwerb des Leasinggegenstandes in die Lage versetzt wurde, seinen Verpflichtungen zur Nutzungsüberlassung nachzukommen. Es ging der A-Ltd. vielmehr auch darum, die bereits erworbenen Teile der Anlage an den Leasinggeber weiterzuverkaufen. Ohne die vorhergehende Veräußerung des Leasinggegenstandes war auch die spätere Nutzungsüberlassung --etwa einer anderen, gleichwertigen Anlage-- für den Leasingnehmer ohne Interesse. Der Verkauf des Leasinggegenstandes vom Leasingnehmer an den Leasinggeber war somit untrennbar mit der Nutzungsüberlassung verbunden.
Gleichwohl handelte es sich aus der hier maßgeblichen Sicht der Klägerin um ein reines Beschaffungsgeschäft. Sie erzielte Gewinne ausschließlich durch die Nutzungsüberlassung und nicht durch den vorangegangenen Erwerb der überlassenen Anlage. Daher ist es nicht gerechtfertigt, sie gewerbesteuerlich anders zu behandeln, als einen Leasinggeber, der den Leasinggegenstand von einem Dritten erworben hat.
Ende der Entscheidung
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