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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: IV R 29/00
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 126 Abs. 1
AO 1977 § 126 Abs. 2
AO 1977 § 152
FGO § 46
1. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist grundsätzlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn das FA die Veranlagung erst ein halbes Jahr nach Abgabe der Steuererklärung vornimmt, der Steuerpflichtige zuvor aber eine großzügig gewährte Fristverlängerung um mehr als ein halbes Jahr überzogen hatte (Anschluss an BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 83/98, BStBl II 2001, 618).

2. Formmängel i.S. von § 126 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AO 1977 können durch eine Einspruchsentscheidung auch dann noch geheilt werden, wenn der Einspruchsführer zuvor eine Untätigkeitsklage erhoben hat.


Gründe:

Trotz Ablehnung einer begehrten weiteren Fristverlängerung reichte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1993) erst am 12. Juli 1996 ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte die Frist zur Abgabe der Erklärung nur bis zum 31. Dezember 1995 verlängert. Die Erklärung und die beigefügte Einnahmen-Überschussrechnung, die unter Mitwirkung des jetzigen Prozessbevollmächtigten erstellt worden waren, trugen jeweils das Datum vom 22. November 1995.

Das FA setzte mit Bescheid vom 21. Januar 1997 die Einkommensteuer 1993 auf 51 026 DM, Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von 3 622 DM und einen Verspätungszuschlag in Höhe von 1 780 DM fest. Der Kläger musste 34 504 DM Einkommensteuer nachzahlen. Mit dem Einspruch machte er insbesondere geltend, die Festsetzung des Verspätungszuschlages leide unter einer Vielzahl von Formmängeln und sei auch deshalb völlig überzogen, weil das FA die Erklärung ein halbes Jahr nicht bearbeitet habe.

Mit der am 24. März 1998 erhobenen Untätigkeitsklage brachte der Kläger außerdem vor, der festgesetzte Verspätungszuschlag sei auch angesichts seines Einkommens überhöht.

In der --nicht aufgrund einer Fristsetzung gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangenen-- Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 1998 verminderte das FA den Verspätungszuschlag auf 750 DM. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus: Die Frist zur Abgabe der Erklärung sei um 225 Tage und damit außerordentlich lang überschritten worden. Die Verspätung sei geradezu unentschuldbar, weil die Erklärung bereits im November 1995 fertig gestellt gewesen sei. Der Verspätungszuschlag sei das richtige Mittel, weil die Nachzahlung in Höhe von 67,5 v.H. der vollen Steuer außerordentlich hoch sei. Die Bearbeitungsdauer im FA von sieben Monaten sei nicht zu beanstanden. Es, das FA, sei nicht verpflichtet, derart verspätet abgegebene Erklärungen vorrangig zu behandeln. Bei der Bemessung des Zuschlags seien der Jahresgewinn 1995 von rd. 30 000 DM und die Umsatzsteuervoranmeldung des 1. Quartals 1998 mit rd. 8 000 DM zugrunde gelegt worden. Der Zuschlag bewege sich mit 1,47 v.H. der festgesetzten Steuer im unteren Bereich. Entschuldigungsgründe seien nicht nachgewiesen. Formelle Fehler seien durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden.

Dagegen brachte der Kläger vor, das FA könne wegen des Zeitablaufs und des Wechsels der an der Entscheidung beteiligten Personen nicht mehr begründen, was seinerzeit für die Festsetzung des Zuschlags maßgebend gewesen sei. Das FA arbeite nicht objektiv, sondern lasse Frust und Hass am Betroffenen aus. Es habe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht berücksichtigt. Die zu versteuernden Einkommen der folgenden Jahre seien mit 18 488 DM (1994) und 19 032 DM (1995) deutlich geringer. Nach Abzug eines Existenzminimums von 15 000 DM verblieben ihm, dem Kläger, nur noch 3 670 DM pro Jahr. Das FA verlange daher als Strafe das Nettoeinkommen von 73 Kalendertagen. Das FA verschweige zudem das Einkommen des Jahres 1996. Entgegen der Datierung sei die Steuererklärung am 22. November 1995 auch noch nicht fertig gestellt gewesen; es seien Rückfragen notwendig gewesen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 607 teilweise veröffentlicht.

Das FG gelangte zu der Auffassung, die Verfahrensverstöße des FA seien im Einspruchsverfahren geheilt worden. Das gelte für die unterbliebene Anhörung wie für die fehlende Begründung der ersten Festsetzung des Verspätungszuschlages. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger eine Untätigkeitsklage erhoben habe. Ziel einer solchen Klage sei nicht, die Behörde zu einer Entscheidung zu zwingen, sondern die Aufhebung des Verwaltungsaktes zu erreichen. Helfe die Behörde ab, müsse sie die Kosten des Verfahrens tragen. Werde die Klage nach Erlass der Einspruchsentscheidung weiter verfolgt, geschehe dies auf eigenes Risiko.

Weiter kam das FG zu dem Ergebnis, das FA habe von dem bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages eingeräumten Ermessen keinen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Der Kläger habe seinen Vortrag, das FA arbeite nicht objektiv, nicht belegt. Er werde vielmehr durch die Teilabhilfe widerlegt. Das FA habe sich nicht von unsachlichen Motiven leiten lassen, wenn es auf den Abschreckungseffekt abstelle. Es habe die hohen Abschlusszahlungen berücksichtigen können ebenso wie die Tatsache, dass die Steuererklärung offensichtlich bewusst mehrere Monate zurückgehalten worden sei. Die Notwendigkeit von Rückfragen vor der (endgültigen) Abgabe der Erklärung sei nicht weiter konkretisiert worden. Gleiches gelte für den Vorwurf, das FA habe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht berücksichtigt bzw. das Einkommen 1996 verschwiegen. Der Kläger übersehe, dass der Einkommensteuerbescheid 1995 zu einer Steuererstattung von 18 857,63 DM geführt habe. Unter diesen Umständen wäre sogar ein höherer Verspätungszuschlag möglich gewesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht.

Er beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Verspätungszuschlag auf null DM herabzusetzen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet. Das FA hat bei der Festsetzung der Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 1993 von seinem Ermessen nicht fehlerhaft Gebrauch gemacht (§ 102 FGO). Etwaige anfängliche Formmängel sind geheilt worden.

1. Nach § 152 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden, es sei denn, die Versäumnis erscheint entschuldbar.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, gegeben. In Bezug auf diese Feststellungen sind keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum das FG von sich aus, weil nicht ausdrücklich beantragt, Beweis über die behauptete Überlastung seines Prozessbevollmächtigten hätte erheben sollen. Auch hat er zu den angeblich übergangenen Beweisanträgen nicht vorgetragen, wann und mit welchem Schriftsatz er diese gestellt habe. Mit dem allgemeinen Einwand, das FG habe die vom Kläger vorgetragenen Entschuldigungsgründe nicht in gebotener Form gewürdigt, wird kein Verfahrensmangel geltend gemacht; es ist jedenfalls nicht erkennbar, worin insoweit ein Verfahrensfehler des FG liegen soll, der die getroffenen tatsächlichen Feststellungen beeinflusst haben könnte.

2. Durch die Verwendung des Wortes "kann" in § 152 Abs. 1 AO 1977 kommt zum Ausdruck, dass das FA einen Verspätungszuschlag nicht festsetzen muss, auch wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Es steht vielmehr im Ermessen des FA, ob (Entschließungsermessen) und in welcher Höhe (Auswahlermessen) ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. November 1986 VIII R 183/84, BFH/NV 1987, 416; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Tz. 19). Entschließungs- und Auswahlermessen hat das FA entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung auszuüben und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens zu beachten (§ 5 AO 1977). Der gesetzliche Zweck des eingeräumten Ermessens zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer zu sichern. Der Verspätungszuschlag hat insoweit zugleich repressiven als auch präventiven Charakter und ist ein Druckmittel eigener Art (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 152 AO 1977 Rz. 10), um ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren zu sichern (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642, zu II. 2. a, und vom 26. April 2001 V R 9/01, BFHE 194, 541, BStBl II 2001, 1167). Dieses Druckmittel ist auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten (Begründung zum Entwurf einer Abgabenordnung, BTDrucks 6/1982 S. 129 zu § 97). Die gesetzlichen Grundlagen des Ermessens ergeben sich aus § 152 Abs. 1 und 2 AO 1977.

3. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Festsetzung nicht zu beanstanden.

a) § 149 Abs. 2 AO 1977 ist die --vom Kläger vermisste-- gesetzliche Grundlage der Abgabefrist. Dass der Kläger zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet war, steht außer Zweifel (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. § 56 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--).

Der Kläger hat die vom FA eingeräumte Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1993 nicht eingehalten. Die von den Angehörigen der steuerberatenden Berufe für den Veranlagungszeitraum 1993 grundsätzlich einzuhaltende Frist war bereits am 30. September 1994 abgelaufen (vgl. gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 3. Januar 1994, BStBl I 1994, 43).

Obwohl das FA die Abgabefrist nach § 109 Abs. 1 AO 1977 über den 30. September 1994 und sogar über den in den gleichlautenden Erlassen der Finanzbehörden für zwingende Ausnahmefälle genannten Zeitpunkt (28. Februar 1995 bzw. 31. Mai 1995) hinaus bis zum 31. Dezember 1995 verlängert hatte, hat der Kläger auch diese Frist nicht eingehalten. Da außerdem Gründe, welche das Versäumnis entschuldbar erscheinen ließen, vom FG nicht festgestellt worden sind, kommt die Möglichkeit, von der Festsetzung eines Verspätungszuschlages abzusehen, nicht in Betracht (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 83/98, BFHE 195, 558, BStBl II 2001, 618, sowie Senatsbeschluss vom 10. August 2000 IV B 130/99, BFH/NV 2001, 146, unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 19/83, BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929). Eventuelle Rückfragen, die hier jedenfalls nicht zur Änderung der vorbereiteten Erklärung und Gewinnermittlung geführt haben, könnten die Versäumung der Abgabefrist nicht rechtfertigen oder entschuldigen (vgl. Senatsurteil vom 18. April 1991 IV R 127/89, BFHE 164, 185, BStBl II 1991, 675, Nr. 3 der Gründe). Ein mögliches Verschulden seines steuerlichen Beraters müsste sich der Kläger zudem zurechnen lassen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 146). Ungeachtet dessen hatte sein jetziger Prozessbevollmächtigter die Erklärung bereits im November 1995 vorbereitet. Da das FA die Frist bis zum 31. Dezember 1995 verlängert hatte, wäre deswegen auch der geltend gemachte Ausfall von Personal des Prozessbevollmächtigten wegen Mutterschaft oder längerer Krankheit bedeutungslos.

b) Das FA hat auch hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Verspätungszuschlages sowohl den Zweck der Ermächtigung zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen als auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet. Die Kriterien, denen es dabei gefolgt ist, sind auch hinlänglich in der Einspruchsentscheidung dargelegt. Ohnehin ist es nicht möglich, jedem einzelnen Kriterium einen bestimmten Teilbetrag zuzuordnen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 146).

Das FA hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kläger die Einkommensteuererklärung 1993 erst rd. sechseinhalb Monate nach Ablauf der bis zum 31. Dezember 1995 gewährten Fristverlängerung eingereicht hatte, die Erklärung bereits im November 1995 fertig vorbereitet war und der Nachzahlungsbetrag mehr als zwei Drittel der festgesetzten Steuer betrug. Dabei ist es nicht einmal erforderlich, dass der Steuerpflichtige aus seinem Verhalten einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil gezogen hat (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 146, sowie BFH-Urteil vom 31. Juli 1987 VI R 193/85, BFH/NV 1988, 282). Nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ist auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Denn nur so ist es möglich, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung in Zukunft anzuhalten (Edukativ- und Präventiveffekt).

Unter solchen Umständen kann in den Grenzen des § 152 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 (10 v.H. der festgesetzten Steuer) sogar ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden, der über den Betrag des durch die verspätete Abgabe erlangten Vorteils hinausgeht (BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 416). Der Kläger verkennt, dass das FA den insoweit möglichen Rahmen bei weitem nicht ausgeschöpft hat. Denn dieses hatte 51 026 DM Einkommensteuer festgesetzt. Insbesondere waren 34 504 DM Einkommensteuer nachzuzahlen, so dass der schließlich festgesetzte Verspätungszuschlag in Höhe von 750 DM eher eine fast nur noch symbolische Bedeutung hat. Er entspricht nur 2,17 v.H. des nachzuzahlenden Betrages. Das FA hatte zudem die Abgabefrist überaus großzügig über den sonst nur in "zwingenden Ausnahmefällen" geltenden Zeitrahmen hinaus mehrfach --im Einvernehmen mit dem Kläger letztlich noch um 15 Monate bis zum 31. Dezember 1995-- verlängert. Außerdem war --wie gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt-- die Steuererklärung zumindest vorbereitet. Die geltend gemachte Arbeitsüberlastung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten durch personelle Engpässe (Mutterschaft und Krankheit) erklärt --wie oben bereis ausgeführt-- ebenfalls nicht, warum die vorbereitete Erklärung dem FA erst sieben Monate später eingereicht wurde, und zwar unverändert. Unter solchen Umständen konnte das FA auch auf den Abschreckungseffekt des § 152 AO 1977 abstellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 416).

c) Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags von 2,17 v.H. des Nachzahlungsbetrages wäre nicht einmal dann zu beanstanden, wenn dadurch der mögliche Zinsvorteil --neben den nach § 233a AO 1977 in Höhe von 0,5 v.H. pro Monat anfallenden Nachzahlungszinsen-- gleichsam noch einmal abgeschöpft würde (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60, sowie BFH-Beschluss vom 1. September 1993 X B 200/92, juris). Davon kann hier jedoch nicht einmal ausgegangen werden, weil in den Jahren 1994 bis 1997 die Sollzinsen für vergleichbare Kontokorrentkredite typischerweise nicht unter 9 v.H. pro Jahr lagen (vgl. Statistisches Jahrbuch 1998, Wiesbaden 1998, 343 unter Nr. 14.12 zu Krediten von 200 000 DM bis zu 1 Mio. DM). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Zinslauf für die Nachzahlungszinsen grundsätzlich erst 15 Monate nach Entstehung der Steuer einsetzt, hier also erst mit Ablauf des Monats März des Jahres 1995, und somit die Nachzahlungszinsen den möglichen Zinsvorteil ohnehin nicht voll abschöpfen. Zudem waren dem FA durch die verspätete Abgabe der Einkommensteuererklärung die korrekte Anpassung der Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 EStG und die Einziehung der geschuldeten Steuern wesentlich erschwert. Deshalb durfte das FA --legitimerweise-- den Abschreckungseffekt des Verspätungszuschlages betonen.

d) Allerdings ist für die Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages grundsätzlich auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ein wesentliches Kriterium (§ 152 Abs. 2 AO 1977; vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642, Abschn. II Nr. 2 d). Da dem Kläger jedoch wie dargelegt ein Teil des möglichen Zinsvorteils verblieb, handelte das FA auch nicht etwa deshalb ermessensfehlerhaft, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nach dem Streitjahr (1993) deutlich verschlechtert hatten. Dies hat das FA im Übrigen berücksichtigt; es hat sich mit dem Gewinn des Jahres 1995 auseinander gesetzt. Soweit der Kläger einwendet, dem FA habe auch schon die Einkommensteuererklärung 1996 vorgelegen, trägt er nicht vor, welchen Gewinn bzw. welches Einkommen er im Jahr 1996 zu versteuern hatte.

4. a) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Einkommensteuerbescheid 1993 erst rd. ein halbes Jahr nach dem verspäteten Eingang der Erklärung ergangen ist.

Das Verhalten des FA gehört nicht zu den in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 (ausdrücklich) genannten Kriterien für die Bemessung des Verspätungszuschlages. Andererseits haben die Vorschriften über die Abgabefristen keinen Selbstzweck (so zutreffend Tipke/ Kruse, a.a.O., § 152 AO 1977 Rz. 21); sie sollen ein geordnetes Veranlagungsverfahren sichern. Das ändert aber (wiederum) nichts an dem präventiven Charakter des Verspätungszuschlages, der den Steuerpflichtigen zu künftig fristgerechter Abgabe der Erklärungen anhalten will. Auch muss das FA verhindern, dass sich Steuerpflichtige allein durch ihr Verhalten eine Verlängerung der Abgabefrist ertrotzen, die den in "zwingenden Ausnahmefällen" gewährten Spielraum (Ende Februar bzw. Ende Mai des zweiten Jahres nach dem Erhebungszeitraum) --wie hier-- weit überschreiten. Der Senat folgt insoweit dem Urteil des X. Senats des BFH in BFHE 195, 558, BStBl II 2001, 618. Im dort entschiedenen Fall war eine verspätet eingegangene Steuererklärung erst nach rund zwei Monaten bearbeitet worden. Wie der X. Senat lässt auch der erkennende Senat dahin gestellt, ob die Festsetzung eines Verspätungszuschlages grundsätzlich dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn die Veranlagung bei einer nur geringfügig verspätet abgegebenen Erklärung unverhältnismäßig spät nachfolgt (so aber z.B. Mösbauer in Koch/Scholz, Abgabenordnung, § 152 Rz. 6 für einen Zeitraum von sechs Monaten). Im Streitfall handelt es sich nämlich --mit sechseinhalb Monaten-- nicht um eine solche nur geringfügige Verspätung (zu diesem Fall siehe Mösbauer in Koch/Scholz, a.a.O., § 152 Rz. 12/1, und Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, § 152 Rz. 23 a.E.). Zudem war die Steuererklärung bereits seit langem (über sieben Monate) und innerhalb der zuletzt gewährten Frist vorbereitet.

b) Ob ein zögerliches Verhalten der Finanzverwaltung bei der Veranlagung dazu führen kann oder sogar muss, aus Billigkeitsgründen von der Erhebung von Nachzahlungszinsen abzusehen (§ 233a AO 1977; ablehnend z.B. BFH-Urteile vom 5. Juni 1996 X R 234/93, BFHE 180, 240, BStBl II 1996, 503, und vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446), kann hier dahinstehen.

5. Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass das FG unter Hinweis auf § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 darauf abgestellt hat, dass die vom Kläger geltend gemachten Formmängel durch die erst nach Klageerhebung (am 24. März 1998) ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 1998 geheilt seien. Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, dass die Einspruchsentscheidung die --möglichen-- Formmängel nicht habe heilen können, weil sie erst geraume Zeit nach Erhebung der Klage ergangen sei. § 126 Abs. 2 AO 1977 bestimmt, dass Handlungen nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 5 AO 1977 nur bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens oder, falls ein Einspruchsverfahren nicht stattfindet, bis zur Erhebung der finanzgerichtlichen Klage nachgeholt werden dürfen. Indes hat ein Einspruchsverfahren stattgefunden. Der Kläger hat nicht etwa Sprungklage (§ 45 FGO) gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages erhoben, sondern Einspruch eingelegt. Den am 29. Januar 1997 und damit rechtzeitig beim FA eingegangenen Einspruch hat das FA auch beschieden. Mit der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 1998 wurde der Verspätungszuschlag auf 750 DM herabgesetzt und damit dem Begehren des Klägers teilweise stattgegeben.

Dem Wortlaut nach sind danach die Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 AO 1977, die die Heilung von Formmängeln ausschlössen, nicht gegeben. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren war zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, dass es ihm nicht zuzumuten sei, sich erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren gegen die Annahmen und Unterstellungen der Finanzverwaltung zu wehren. Zum einen hatte das FA den Kläger bereits am 7. Februar 1998 angehört, also noch vor Klageerhebung (am 24. März 1998). Der Kläger konnte sich daher äußern und nahm auch mit Schriftsatz vom 8. März 1998 gegenüber dem FA erneut Stellung. Zum anderen geht es nicht darum, dass das FA sich erst auf den Druck des FG hin mit den angegebenen Formmängeln befasst hätte (s. dazu Tipke/Kruse, a.a.O., § 126 AO 1977 Tz. 3); vielmehr hat das FA ohne weiteres Zutun des Gerichts das Einspruchsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen. Es war ja auch weiter verpflichtet geblieben, über den eingelegten Einspruch zu entscheiden; an seiner Verantwortung für den erlassenen Bescheid hatte sich ohnehin nichts geändert (vgl. Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 126 AO 1977 Anm. 3).

Das FG hat daher zu Recht entschieden, dass etwaige Formmängel geheilt wurden. Der erkennende Senat schließt sich der im Schrifttum zu § 126 AO 1977 von Tipke/Kruse (a.a.O.) vertretenen Auffassung an. Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 1. Juli 1986 2 B 65/85, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1986, 913) nimmt --zu § 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)-- eine Heilung an, weil die Untätigkeitsklage die Fortführung des Vorverfahrens nicht ausschließt. Das FA wäre zudem nicht gehindert gewesen, den Verspätungszuschlag erneut festzusetzen. Mit der ersatzlosen Aufhebung eines zu spät begründeten Bescheides ist im Übrigen den Interessen des Steuerpflichtigen meist nicht gedient.

Allerdings muss der Steuerpflichtige, zumal bei einer Ermessensentscheidung, zur richtigen Einschätzung seines Risikos bereits vor Erhebung der Klage die Gründe kennen, auf die sich die Finanzbehörde für ihre Auffassung stützt (siehe die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes zu § 45 VwVfG bei Förster in Koch/Scholz, a.a.O., 5. Aufl., § 126 Rdnr. 9). Darauf stellt indes der Wortlaut des Gesetzes bei einer Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nicht ab; ihr Ziel ist es nicht, die Behörde zu einer Einspruchsentscheidung zu zwingen. Selbst bei einer zulässigen, weil nicht zu früh erhobenen Untätigkeitsklage kommt es für den Erfolg nur darauf an, ob die (Anfechtungs- oder Verpflichtungs-)Klage als solche begründet ist. Die Untätigkeitsklage macht es lediglich entbehrlich, weiter auf den Abschluss des Vorverfahrens zu warten. Unerheblich ist es insbesondere, ob das FA zureichende Gründe für sein Untätigbleiben hatte oder nicht.

Ende der Entscheidung

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