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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: IV R 29/03
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG
Vorschriften:
AO 1977 § 164 Abs. 2 | |
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 | |
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 | |
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b | |
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 |
Gründe:
I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin) ist auf dem Gebiet der Organisations- und Personalentwicklung mit den Schwerpunkten Beratung, Konzeptentwicklung und Training selbständig tätig.
Im Streitjahr (1998) machte sie in ihrer Einkommensteuererklärung Aufwendungen in Höhe von 8 520,02 DM für ihr Arbeitszimmer, welches sie mehr als 50 v.H. ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit nutzte, bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach einer Betriebsprüfung änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung 1998 mit Bescheid vom 25. Januar 2001 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO 1977) und setzte die Einkommensteuer auf 15 836 DM fest. Dabei vertrat das FA die Ansicht, dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer lediglich mit einem Betrag von 2 400 DM zu berücksichtigen seien, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde. Des Weiteren erkannte das FA mangels zeitnaher Dokumentation in den Aufzeichnungen weder die Auflösung von Ansparrücklagen noch deren Bildung an und erhöhte den Gewinn im Jahre 1998 insoweit um 18 500 DM. Den Einspruch der Klägerin wies das FA als unbegründet zurück.
Im Rahmen der hiergegen gerichteten Klage reichte die Klägerin die ihren Kunden im Streitjahr erteilten Rechnungen sowie Aufstellungen über ihre Arbeitszeiten ein, denen zu entnehmen ist, dass sie im Jahre 1998 Trainings, Coaching Workshops sowie Teamworkshops und Workshopmoderationen bei Kunden durchführte und Vorträge hielt. Darüber hinaus erstellte die Klägerin im Rahmen eines Auftrags eine Selbstlernbroschüre und bezüglich eines weiteren Auftrags nach anfänglicher Recherchearbeit einen Bericht.
Im Arbeitszimmer arbeitete sie bei 260 Arbeitstagen an insgesamt 187 Tagen, wovon 107 Tage auf im Streitjahr erteilte Aufträge entfielen und 80 Tage auf konzeptionelle Vor- und Nachbereitung von Unternehmensberatungs- und Fortbildungsprojekten, die zu keiner Auftragserteilung führten. An 8 weiteren Tagen betrieb sie außerhäuslich Fortbildung und Akquisition.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als es die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer über den bereits durch das FA berücksichtigten Betrag von 2 400 DM hinaus unbeschränkt zum Abzug zuließ und unter Abänderung des Bescheides die Einkommensteuer für 1998 auf 13 698 DM festsetzte. Im Übrigen wies es die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1523 veröffentlichten Gründen ab.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FG habe bei der Ermittlung des Mittelpunktes der beruflichen und betrieblichen Betätigung ein unzutreffendes Kriterium angewandt. Es habe die vom Bundesfinanzhof (BFH) geforderte Wertung der Gesamttätigkeit unterlassen und stattdessen allein darauf abgestellt, wo der wesentliche schöpferische Teil erarbeitet werde. Diese Auslegung berücksichtige nicht, dass für die Annahme des Mittelpunktes der Gesamttätigkeit im Arbeitszimmer dort diejenigen Handlungen vorgenommen und diejenigen Leistungen erbracht werden müssten, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend seien. Insbesondere bei einer Beratungs- und Schulungstätigkeit könne nicht allein auf den Ort des schöpferischen Teils der Tätigkeit abgestellt werden. Eine solche Betrachtungsweise würde außer Acht lassen, dass zu den für den konkret ausgeübten Beruf wesentlichen Leistungen nicht nur die Vorbereitung, sondern auch die Ausführung der Beratung und Schulung gehörten, die jedoch meist außerhalb des Arbeitszimmers erfolgten. Dieser Teil der Tätigkeit sei aber so bedeutend, dass ihm eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung zukomme, wo diejenigen Handlungen vorgenommen und diejenigen Leistungen erbracht würden, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend seien. Das FG habe nicht ermittelt, wo diese Handlungen und Leistungen vorgenommen und erbracht wurden, und damit keine Feststellungen dazu getroffen, wo sich der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit befinde.
Das FA beantragt,
das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nur noch,
die Revision des FA zurückzuweisen;
hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Die zunächst eingelegte (unselbständige) Anschlussrevision wegen Versagung der Ansparabschreibung hat die Klägerin zurückgenommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
1. Die Auffassung des FG, das Arbeitszimmer bilde bereits deshalb den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung, weil der wesentliche schöpferische Teil der beruflichen Betätigung dort erbracht werde, verstößt gegen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
2. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt; die Beschränkung der Höhe gilt gemäß Satz 3 Halbsatz 2 der Norm nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
a) Der Begriff "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Es handelt sich um einen eigenständigen Rechtsbegriff, zu dessen Auslegung nur auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zurückgegriffen werden kann (Senatsurteil vom 28. August 2003 IV R 34/02, BFHE 203, 157, BStBl II 2004, 53, m.w.N.).
b) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige berufliche (betriebliche) Tätigkeit ausübt und dieser Betätigung teilweise in seinem Arbeitszimmer und teilweise außer Haus nachgeht, ist Mittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf prägend sind. Der "Mittelpunkt" bestimmt sich dabei nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen (betrieblichen) Betätigung des Steuerpflichtigen (s. zuletzt Senatsurteil vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212, unter 3.a., m.w.N., zur Rechtsprechung anderer Senate). Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit festgestellt werden. Die Würdigung der Umstände des Einzelfalles obliegt in erster Linie den FG. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu (Senatsurteil in BStBl II 2005, 212).
c) Der Gesichtspunkt, dass im häuslichen Arbeitszimmer geschäftsleitende Ideen entwickelt und unternehmensbezogene Entscheidungen getroffen werden, ist nur dann von Bedeutung, wenn die Entwicklung der Ideen und das Fällen von Entscheidungen für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt prägend ist. Dienen sie lediglich der Vorbereitung und Unterstützung der eigentlichen Tätigkeit, die außer Haus verrichtet wird, sind sie allein nicht prägend für die gesamte berufliche (betriebliche) Tätigkeit (Senatsurteil in BStBl II 2005, 212, m.w.N.).
3. a) Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Das vorinstanzliche Urteil war daher aufzuheben. Das FG hat es für die Bejahung des Arbeitszimmers als dem Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung genügen lassen, dass der wesentliche schöpferische Teil sowie die inhaltliche Vor-, Nachbereitungs- und Durchführungsphase der Projekte --ungeachtet der umfangreichen Außentätigkeit-- im häuslichen Arbeitszimmer geleistet und erarbeitet werden. Diese Definition des Mittelpunkts lässt außer Betracht, dass entscheidungserheblich auf die den Beruf prägenden Tätigkeiten abzustellen ist. Nur wenn diese sämtlich im Arbeitszimmer ausgeübt werden, kann dort der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung der Klägerin liegen (Senatsurteil in BFHE 203, 157, BStBl II 2004, 53).
b) Die Sache ist spruchreif. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG wurde das Arbeitszimmer zwar zur Vor- und Nachbereitung, häufig auch zur Durchführung der Projekte der Klägerin sowie zur Erstellung einer Selbstlernbroschüre und eines Berichts genutzt. Ihre Dienstleistungen selbst erbrachte die Klägerin aber vor Ort im Rahmen einer umfangreichen Außentätigkeit in Form von Trainingsveranstaltungen, sog. Coaching- sowie Teamworkshops, Workshopmoderationen und Vorträgen beim Kunden. Die Tätigkeit der Klägerin kann deshalb keinem konkreten Tätigkeitsschwerpunkt zugeordnet werden, so dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit der Klägerin bildet. Das FA hat mithin zutreffend die Aufwendungen der Klägerin für das häusliche Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG nur in Höhe von 2 400 DM zum Abzug zugelassen.
4. Da die Vorentscheidung bereits aus anderen Gründen aufzuheben war, musste über die Verfahrensrüge unzureichender Sachaufklärung nicht mehr entschieden werden.
Ende der Entscheidung
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