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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: IV R 31/04
Rechtsgebiete: EStG i.d.F. des HBegleitG 1983, EStG i.d.F. des StRG 1990, EStG i.d.F. des StÄndG 1992


Vorschriften:

EStG i.d.F. des HBegleitG 1983 § 2a Abs. 1
EStG i.d.F. des StRG 1990 § 10d Abs. 2
EStG i.d.F. des StRG 1990 § 52 Abs. 13b
EStG i.d.F. des StÄndG 1992 § 2a Abs. 1
Negative ausländische Einkünfte (hier: Verluste aus Land- und Forstwirtschaft), die in den Veranlagungszeiträumen 1985 bis 1991 entstanden und bis zum Veranlagungszeitraum 1991 einschließlich nicht ausgeglichen worden sind, dürfen nach § 2a EStG i.d.F. des StÄndG 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden.
Gründe:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte in den Jahren 1983 bis 1989 aus einer Beteiligung an einer Farmergemeinschaft in Paraguay jeweils Verluste und seit 1990 Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft. Mit Bescheid vom --zuletzt-- 28. Januar 2004 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die verbleibenden Verluste des Klägers aus dieser Beteiligung am 31. Dezember 1992 nach § 2a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 77 627 DM fest. Für die Streitjahre (1993 bis 1996) erließ das FA jeweils unter dem Datum vom 27. Mai 1999 Feststellungen über die verbleibenden Verluste am Schluss des jeweiligen Veranlagungszeitraums. Dabei ging es gemäß § 2a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) davon aus, dass die Altverluste bis zum Veranlagungszeitraum 1991 einschließlich nur sieben Jahre vortragsfähig waren. Die Verlustfeststellungen der Streitjahre wurden daher jeweils um die vor mehr als sieben Jahren entstandenen Verluste gekürzt.

Hiergegen wandte sich der Kläger und begehrte den zeitlich unbegrenzten Vortrag der noch nicht verbrauchten Altverluste ab dem Veranlagungszeitraum 1985, wie dies in § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 (im Folgenden: EStG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) ab 1992 vorgesehen ist.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1665 veröffentlichten Gründen statt.

Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es trägt vor: Die Regelung des § 2a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des HBegleitG 1983 sei stark an § 10d EStG angelehnt, der ebenfalls einen auf sieben Jahre beschränkten Verlustabzug mit zwei Rücktrags- und fünf Vortragsjahren vorgesehen habe. Daher könne auch die zur Ermittlung der Verluste und deren Abzugsfähigkeit bei § 10d EStG ergangene Rechtsprechung zur Auslegung des § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG 1992 herangezogen werden. Zwar werde über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes erst im Abzugsjahr entschieden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 1974 VIII R 118/69, BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336); für die Ermittlung des Verlusts seien aber die Vorschriften des Verlustentstehungsjahrs maßgebend (BFH-Urteil vom 15. Februar 1979 I R 12/76, BFHE 128, 40, BStBl II 1979, 584). Dies müsse auch für die zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags gelten. Daher habe der Gesetzgeber zu § 10d EStG die Übergangsregelung des § 52 Abs. 13b EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes --StRG-- 1990 (im Folgenden: EStG 1988) vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) eingefügt, die den unbeschränkten Verlustvortrag für Altverluste eröffne. Denn ohne diese Regelung wäre der unbeschränkte Verlustvortrag erst vom Entstehungsjahr der Verluste, für die der geänderte § 10d EStG gegolten hat, möglich. Da der Gesetzgeber bei § 2a EStG 1992 auf eine entsprechende Übergangsregelung verzichtet habe, komme der zeitlich unbegrenzte Verlustvortrag auch erst für die Verluste des Veranlagungszeitraums 1992 in Betracht.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG die vor 1992 entstandenen, aber bis zu diesem Veranlagungszeitraum noch nicht abgezogenen Altverluste des Klägers gemäß § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung in die Verlustfeststellungen jeweils zum 31. Dezember 1993 bis 1996 mit einbezogen.

1. Nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dürfen negative ausländische Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte nur mit positiven ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden. Für die im Verlustentstehungsjahr nicht ausgeglichenen Verluste sah Satz 2 dieser Vorschrift i.d.F. des HBegleitG 1983 einen auf sieben Jahre zeitlich begrenzten Verlustabzug durch Verrechnung mit positiven ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat vor. Mit § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG in der ab 1992 geltenden Fassung des StÄndG 1992 ist die zeitliche Begrenzung des noch möglichen Verlustvortrags auf sieben Jahre entfallen. Nach Satz 5 der Vorschrift in dieser Fassung sind die am Schluss eines Veranlagungszeitraums noch verbleibenden negativen Einkünfte gesondert festzustellen.

In diese gesonderten Feststellungen sind auch die vor dem 1. Januar 1992 entstandenen Verluste (Altverluste), die bis zum 31. Dezember 1991 noch nicht ausgeglichen waren, ohne zeitliche Begrenzung mit einzubeziehen. Dies folgt aus § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG 1992, der nach § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StÄndG 1992 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1992 anzuwenden ist. Denn auch die zum 31. Dezember 1991 festgestellten Altverluste sind negative Einkünfte, die nach Satz 1 des § 2a Abs. 1 EStG nicht ausgeglichen werden konnten.

2. Dieser Rechtsfolge steht § 2a Abs. 1 Satz 2 EStG vor 1992, der eine zeitliche Begrenzung des eingeschränkten Verlustvortrags auf sieben Jahre vorsah, nicht entgegen. Der erkennende Senat folgt insoweit der Vorentscheidung und der herrschenden Meinung im Schrifttum, wonach die zeitliche Befristung in § 2a Abs. 1 Satz 2 EStG vor 1992 mit dem In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung durch das StÄndG 1992 auch für die sog. Altverluste entfallen ist (Blümich/Wied, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 2a EStG Rz. 93; Frotscher, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 2a Rz. 27 a.E.; Leingärtner/Zaisch, Besteuerung der Landwirte, Kap. 2 Rz. 31; Mössner in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 2a Rdnr. B 87 a; Probst in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 2a EStG Anm. 144; Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 2a Anm. 139 a.E.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 2a Rz. 44; Weinreich, Probleme des Verlustausgleichs über die Grenze, 1994, S. 143 f.; s. auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12. Oktober 2004 1 K 464/00, EFG 2005, 876).

a) Für diese Auffassung ist --anders als das FA meint-- nicht maßgebend, dass nach früher ständiger Rechtsprechung des BFH über die Höhe des abzugsfähigen Verlusts erst im Abzugsjahr entschieden wird (s. etwa Senatsurteil vom 29. April 1970 IV R 259/69, BFHE 99, 365, BStBl II 1970, 714; zuletzt BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757, II. 2. Abs., und das vom FA zitierte Urteil in BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336). Denn diese Rechtsprechung hat durch die Einführung gesonderter Verlustfeststellungen, die auch für die Auslandsverluste nach § 2a Abs. 1 Satz 5 EStG 1992 seit 1992 vorzunehmen sind, an Bedeutung verloren. Entscheidend ist vielmehr die Auslegung des § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG 1992 i.V.m. der dazu ergangenen Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 EStG 1992.

Der Verwaltungsanweisung in H 5 "Verlustverrechnung" Amtliches Einkommensteuer-Handbuch (EStH) 1993 folgend und in Anlehnung an eine Auffassung im Schrifttum (Bordewin in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 2a Rz. 116; Portner in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 2a Anm. 78) schließt das FA aus dem Fehlen einer dem § 52 Abs. 13b EStG 1988 entsprechenden Übergangsvorschrift, dass der Gesetzgeber des StÄndG 1992 die Altverluste bewusst und abweichend von seiner Behandlung der Verluste nach § 10d EStG vom unbegrenzten Vortrag ausschließen wollte. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Zwar wurde bereits durch das StRG 1990 ein zeitlich unbeschränkter Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG eingeführt und diese Rechtsfolge durch § 52 Abs. 13b EStG 1988 ausdrücklich auch rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 1985 angeordnet. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber des StÄndG 1992 eine vergleichbare Regelung zu § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG 1992 unterlassen hat, ohne dies näher in den Gesetzesmaterialien zu erläutern, folgt jedoch nur, dass die einzig vorhandene Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 EStG 1992 auslegungsbedürftig ist.

Verstünde man die Regelung des § 52 Abs. 13b EStG 1988 dahin gehend, dass sie mit konstitutiver Wirkung nur die unbegrenzte Berücksichtigung nicht ausgeglichener Verluste ausschließen sollte, für die der Sieben-Jahres-Zeitraum (mit zwei Rücktrags- und fünf Vortragsjahren) bei In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung 1990 bereits abgelaufen war, so wäre diese Vorschrift für den Streitfall von vornherein ohne Bedeutung, in dem es nur um den Abzug der Verluste geht, für die die Befristung bei In-Kraft-Treten des StÄndG 1992 noch nicht abgelaufen war. Allerdings ergibt sich aus dem Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines StRG 1990, dass sich "die Ausschußmehrheit aus Vereinfachungsgründen für die Anwendung des § 10d Abs. 1 und 2 EStG auf Verluste ab Veranlagungszeitraum 1985 entschieden" hatte, "um eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Verlusten vor und ab Veranlagungszeitraum 1990 zu vermeiden" (BTDrucks 11/2536, 87). Diese Äußerung mag auf eine klarstellende Regelung durch diese spezielle Anwendungsvorschrift hindeuten. Jedenfalls kann aus dem stillschweigenden Unterlassen einer entsprechenden Regelung für die Anwendung des § 2a Abs. 1 Satz 3 EStG 1992 nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe den zeitlich unbegrenzten Vortrag nur für die ab 1992 entstandenen Auslandsverluste regeln wollen. Das Gegenteil ist der Fall.

b) Mit der zeitlich unbegrenzten Abziehbarkeit der Auslandsverluste wollte der Gesetzgeber die bei Änderung des allgemeinen Verlustabzugs durch das StRG 1990 unterlassene Anpassung des § 2a EStG nachholen (BTDrucks 12/1506, 155). Ob dies seinerzeit auf einem Versehen beruhte (so Paus, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1991, 342, 343), mag dahinstehen. Allerdings wurde auch die spätere Anpassung des § 2a Abs. 1 EStG an die Regelung des § 10d EStG erst auf Vorschlag des Finanzausschusses in das Gesetzgebungsverfahren zum StÄndG 1992 eingeführt. Dabei mag die Einfügung einer dem § 52 Abs. 13b EStG 1988 entsprechenden Anwendungsvorschrift übersehen worden sein. Jedenfalls kann aus diesem Unterlassen nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe zwar die zeitliche Begrenzung des Verlustabzugs aus Gründen der Besteuerungsgleichheit aufgegeben, zugleich aber mit der Anwendungsvorschrift eine gleichheitswidrige Regelung schaffen wollen. Die Bemerkung des Finanzausschusses zur Aufgabe der Sieben-Jahres-Begrenzung in BTDrucks 12/1506, 155 "Damit wird der Verlustvortrag in diesem Bereich an die Regelung des allgemeinen Verlustausgleichs angepaßt" spricht im Gegenteil dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung --ebenso wie bei der Änderung des § 10d EStG durch das StRG 1990-- auch die Altverluste unbegrenzt vortragen lassen wollte und dass das für die Regelung des § 52 Abs. 13b EStG 1988 angeführte Vereinfachungsargument (s. oben unter 2.a) gleichermaßen gelten sollte. Eine davon abweichende Regelung hätte einer sachlichen Rechtfertigung bedurft und eine ausdrückliche Regelung erfordert (ebenso FG Baden-Württemberg in EFG 2005, 876).

c) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des BFH in BFHE 128, 40, BStBl II 1979, 584, wonach für die Ermittlung des Verlustes jeweils die Vorschriften des Zeitraums der Verlustentstehung maßgebend sind. Das FA folgert hieraus zu Unrecht, dass grundsätzlich auch die Verlustabzugsregelung im Zeitraum der Verlustentstehung (hier des § 2a EStG vor 1992) für das Abzugsjahr gilt. Die Ausführungen des BFH in BFHE 128, 40, BStBl II 1979, 584 bezogen sich allein auf die eher selbstverständliche Aussage, dass der Verlust nach den jeweils geltenden Gewinnermittlungsvorschriften (dort den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes) auszuweisen ist. Für den hier streitigen Verlustabzug gibt diese Bemerkung nichts her. Insoweit bezieht sich auch das Urteil in BFHE 128, 40, BStBl II 1979, 584 auf die ständige Rechtsprechung des BFH, wonach über die Höhe des abzugsfähigen Verlusts erst im Abzugsjahr entschieden wird (s. unter 2.a).

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