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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.11.1998
Aktenzeichen: IV R 32/98
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 14a Abs. 4
EStG § 6b Abs. 3
EStG § 12
EStG § 14a Abs. 4 Nr. 2
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1
HöfeO § 13
GrdstVG § 12
BGB § 312 Abs. 2
BGB § 2348
AO 1977 § 41
BUNDESFINANZHOF

Zuwendungen in Erfüllung eines Nachabfindungsanspruchs aus der Übergabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, die im Zusammenhang mit der Veräußerung einzelner Hofgrundstücke entstehen, sind nicht nach § 14a Abs. 4 EStG begünstigt.

EStG § 14a Abs. 4

Urteil vom 5. November 1998 - IV R 32/98 -

Vorinstanz: FG München (EFG 1998, 941)


Gründe

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) leben als Ehegatten in Gütergemeinschaft und wurden im Streitjahr 1991 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie unterhalten einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb von ca 21 ha, den der Kläger im Dezember 1984 von seiner verwitweten Mutter übernommen hatte. Die zu diesem Zeitpunkt 29, 26 und 22 Jahre alten Brüder des Klägers erklärten sich hinsichtlich ihrer erbrechtlichen Ansprüche nach dem Tod ihres Vaters für abgefunden und verzichteten, wie der Kläger, auf Pflichtteilsansprüche am Nachlaß der Mutter. Gegenüber dem Kläger verzichteten die Brüder auch auf Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Übergabevertrag. Dem jüngeren der drei Brüder wurde ein bis 1988 befristetes Wohnrecht eingeräumt und ein Betrag von 35 000 DM zugesprochen. Schließlich erklärten sich alle durch die bisher bereits erhaltenen und die im Übergabevertrag vereinbarten Leistungen als erbrechtlich gleichgestellt, so daß bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge keine weiteren Ausgleichsleistungen anfallen sollten. Der nur von den Klägern und der Mutter des Klägers unterschriebene notarielle Vertrag vom 13. Dezember 1984 wurde von den Brüdern des Klägers am 28. Dezember 1984 formlos genehmigt; eine Abschrift der Urkunde haben die Brüder nicht erhalten.

Im Jahre 1989 veräußerten die Kläger ca. 2,2 ha ihrer land- und forstwirtschaftlichen Flächen für ca. 1,5 Mio. DM und im August 1991 weitere 6,9 ha für ca. 6,5 Mio. DM als Bauland an die Stadt P und den Landkreis P. Ersatzweise erwarben sie ca. 5,9 ha für 587 900 DM und 3 ha für 236 934 DM landwirtschaftlicher Flächen hinzu.

Von seinen Brüdern unter Druck gesetzt, überwies der Kläger jedem von ihnen einen Betrag von 120 000 DM zur Abgeltung etwaiger weiterer Ansprüche aufgrund der Grundstücksveräußerungen. In den Einkommensteuererklärungen 1991 und 1992 wurde der den Abfindungen entsprechende Gewinn als laufender, nach § 14a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedoch steuerfreier Gewinn erfaßt. Die darüber hinausgehenden Veräußerungsgewinne wurden zum größten Teil einer Reinvestitionsrücklage nach § 6b Abs. 3 EStG zugeführt.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) in den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheiden 1991 und 1992 die Auffassung, der Kläger habe die Zahlungen ohne Rechtspflicht geleistet; sie seien daher nach § 12 EStG einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, den Klägern stehe der Freibetrag nach § 14a Abs. 4 EStG zu, weil die Zahlungen in der Absicht geleistet worden seien, die Brüder des Klägers abzufinden. Der sachliche Zusammenhang der Leistungen mit der Hofübernahme sei zu bejahen, weil Zweifel an der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Erbverzichts der Brüder bestünden und es daher unbillig wäre, diese an ihren Erklärungen festzuhalten. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 941 veröffentlicht.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, auch das FA hätte eine steuerfreie Abfindung weichender Erben anerkannt, wenn der Notar nur eine Nachabfindungsklausel in den Übergabevertrag aufgenommen hätte. Abfindung i.S. des § 14a Abs. 4 EStG sei alles was der Hofübernehmer den weichenden Erben in der Absicht zahle, sie für die Aufgabe ihrer Rechte zu entschädigen.

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG im Streitfall die Freibeträge des § 14a Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gewährt. Der Kläger gewährte die von ihm geleisteten Abfindungen nicht an weichende Erben im Sinne dieser Vorschrift.

1. Veräußert oder entnimmt ein Steuerpflichtiger nach dem 31. Dezember 1979 und vor dem 1. Januar 1992 Teile des zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grund und Bodens, so wird der bei einer Veräußerung oder Entnahme entstehende Gewinn auf Antrag nur insoweit zur Einkommensteuer herangezogen, als er den Betrag von 120 000 DM übersteigt. Dies gilt nach § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1990 allerdings nur, wenn der Steuerpflichtige den Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten oder den entnommenen Grund und Boden innerhalb von 12 Monaten nach der Veräußerung oder Entnahme in sachlichem Zusammenhang mit der Hoferbfolge oder Hofübernahme zur Abfindung weichender Erben verwendet und ferner die unter § 14a Abs. 4 Nr. 2 EStG näher bezeichneten Einkommensgrenzen nicht überschritten werden.

a) Im Streitfall zahlte der Kläger seinen drei Brüdern, die bei der Hofübernahme im Jahr 1984 weichende Erben waren, Abfindungen von jeweils 120 000 DM, weil er nach der Hofübernahme in großem Umfang betriebliche Grundstücke veräußerte und daraus erhebliche Gewinne erzielte. Nach Auffassung des Senats sind diese Abfindungen nicht nach § 14a Abs. 4 EStG begünstigt, weil sie nicht zur Abfindung weichender Erben, also in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Erbfolge gezahlt wurden. Dabei kann dahinstehen, ob Ansprüche auf eine Ergänzungsabfindung im Streitfall tatsächlich bestanden und gegenüber dem Kläger hätten durchgesetzt werden können. Entscheidend ist, daß die Ergänzungsabfindung auf eine Beteiligung der schon vorher "gewichenen Erben" an dem realisierten Veräußerungsgewinn zielt. Die Ergänzungsabfindung soll jedoch nicht mehr "das Weichen" von Erben ermöglichen. Deshalb hatten auch im Streitfall die Nachabfindungsansprüche keinen Einfluß mehr auf die Hofübergabe; diese war bereits im Jahr 1984 vollzogen worden. Nachdem die Brüder des Klägers im Dezember 1984 auf alle erbrechtlichen Ansprüche verzichtet hatten, weil sie entweder bereits von den Eltern abgefunden worden waren oder --wie der jüngste Bruder-- vom Kläger bei Übernahme des Hofes ausgezahlt wurden, waren sie im Streitjahr nicht mehr weichende Erben.

Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die Beteiligten nach den vorinstanzlichen Feststellungen weder eine Anrechnungspflicht noch eine sonstige Vereinbarung vorsahen, die einen Zusammenhang der neuerlichen Zahlungen mit den bereits erhaltenen Abfindungen und den etwaigen an einem Nachlaß der Mutter entstehenden Erbansprüchen hergestellt hätte. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch eine der Voraussetzungen für die Annahme des nach § 14a Abs. 4 EStG erforderlichen sachlichen Zusammenhangs (Urteil vom 21. März 1985 IV R 249/83, BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614).

b) Die Rechtslage ist insoweit vergleichbar mit der Nachabfindungsregelung des § 13 der Höfeordnung (HöfeO), die der Senat nicht anders behandeln würde. Zwar gilt die HöfeO nicht in Bayern. Aber auch in Bundesländern, in denen außer der Zuweisungsregelung des Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG) --§§ 13 ff.-- keine gesetzliche Anerbenregelung besteht, ist die Anerbensitte einschließlich der vorweggenommenen Erbfolge durch Übergabe des Hofes an den Anerben zu Lebzeiten des Erblassers weit verbreitet (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 1994 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346). Dies gilt insbesondere für Bayern (vgl. Kreuzer, Agrarrecht 1990, Beilage II, S. 12, 13 f.; Kroeschell, Agrarrecht 1978, 147 f.). Der Kläger selbst hat vorgetragen, daß es auch in der notariellen Praxis in Bayern durchaus üblich sei, Nachbesserungsklauseln in Anlehnung an die höferechtliche Regelung des § 13 HöfeO zu vereinbaren.

Entgegen der Auffassung der Revision hätte im Streitfall indessen auch die Vereinbarung einer solchen Nachabfindungsklausel zu keinem anderen Ergebnis geführt. Eine solche Vereinbarung ist im Streitfall unterblieben; aber auch in einem solchen Fall können Nachabfindungsansprüche entstehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies für den Bereich der HöfeO entschieden. Danach schließt ein Erbverzichtsvertrag zwar auch Nachabfindungsansprüche nach § 13 HöfeO aus. Der dem Verzichtsvertrag zugrundeliegende Abfindungsvertrag kann jedoch nach den Grundsätzen über die Änderung und den Wegfall der Geschäftsgrundlage u.U. dann angepaßt werden, wenn die Vertragsteile mit dem Vertrag den Zweck nicht erreichen können, den sie angestrebt haben, ohne ihn zum Vertragsinhalt zu machen (Beschluß des BGH vom 29. November 1996 BLw 16/96, BGHZ 134, 152). Die Vorstellung vom Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt nicht zuletzt auch jeder Nachabfindungsregelung zu Grunde, sei sie vertraglich vereinbart oder gesetzlich vorgesehen. Der Anspruch auf eine Ergänzungsabfindung beruht gerade auf dem Grundgedanken, wonach der Zusammenhang mit der Hoferbfolge dadurch unterbrochen ist, daß der Hoferbe den Hof oder einzelne Hofgrundstücke veräußert. In diesem Fall ist der Zweck, zu dessen Erreichung den weichenden Erben Opfer zugemutet worden sind, entfallen. Die Billigkeit erfordert es, "die weichenden Erben so zu behandeln, als wenn die Hoferbfolge nicht eingetreten und die Miterben infolgedessen am Hof dinglich beteiligt geblieben wären" (BTDrucks 7/1443 S. 26).

Mit diesen Erwägungen stimmt der Zweck der Freibetragsregelung des § 14a Abs. 4 EStG überein. Erschien es ursprünglich nur zweckmäßig, den Freibetrag zur Abfindung weichender Erben nach Einführung der Bodengewinnbesteuerung zu gewähren (BTDrucks VI/1901 S. 12), so wurde die Wiedereinführung der Vergünstigung durch das Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte (vom 25. Juni 1980, BGBl I, 732, BStBl I, 400) damit begründet, daß der für den Betrieb unausweichliche Vorgang der Abfindung weichender Erben deshalb eine Milderung der Belastung erfordere, weil dem Steuerpflichtigen "keine Geldmittel zur direkten Begleichung der Steuerschuld im Gegensatz zu einer Veräußerung zufließen" (BTDrucks 8/3854 S. 5). Während Abfindungen nach § 12 HöfeO ebenso wie andere durch Übergabevertrag oder Verfügung von Todes wegen bestimmte Leistungen zur Abfindung weichender Erben den Hoferben zwangsläufig belasten, entstehen Nachabfindungsansprüche aufgrund freiwilliger Verfügungen über den Hof oder einzelne Hofgrundstücke. Diese Veräußerungen führen zu Erlösen, die für die Steuerzahlung zur Verfügung stehen. Eine Steuerbefreiung für diese Abfindungen ist daher auch nach dem Zweck der Regelung des § 14a Abs. 4 EStG nicht geboten. Eine mehrfache Entstehung von Nachabfindungsansprüchen könnte im Ergebnis sogar zur Betriebseinstellung führen, einem Ergebnis, das mit der Steuerermäßigung nach § 14a Abs. 4 EStG gerade vermieden werden sollte. In diesem Fall wäre eine bereits gewährte Steuerbefreiung rückgängig zu machen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. März 1993 IV R 110/92, BFHE 171, 381, BStBl II 1993, 788).

2. Entgegen der Auffassung der Kläger folgt aus der Entscheidung des Senats vom 22. September 1994 IV R 82/93 (BFHE 176, 27, BStBl II 1995, 371) nichts anderes. Dort hatte der Senat entschieden, daß Leistungen zur Abfindung weichender Erben auch insoweit nach § 14a Abs. 4 EStG begünstigt sind, als sie den Betrag übersteigen, der den weichenden Erben nach der HöfeO zusteht. Zwar lagen auch in jenem Fall Grundstücksveräußerungen durch den Hofübernehmer vor, die die Höhe der Abfindungsleistungen beeinflußten. Allerdings handelte es sich dabei um erstmalige Abfindungen; die Abgefundenen waren daher weichende Erben i.S. des § 14a Abs. 4 EStG, obgleich die Hofübergabe einige Zeit zurücklag. In diesem Fall fehlte es zwar an dem nach der Rechtsprechung des Senats entbehrlichen zeitlichen Zusammenhang mit der Hofübergabe (Urteil in BFHE 143, 461, BStBl II 1985, 614); der sachliche Zusammenhang mit der Hofübergabe bestand indessen noch.

Im Streitfall waren hingegen die zu Erben berufenen Brüder des Klägers bereits vor und im Zusammenhang mit der Hofübergabe abgefunden worden. Daß für diese Abfindungsleistungen u.U. eine Steuerbefreiung nach § 14a Abs. 4 EStG nicht beantragt oder gewährt wurde, ist ohne Bedeutung. Auch in anderen Fällen der Abfindung weichender Erben ist eine Steuerbefreiung häufig ausgeschlossen, weil etwa die Einkommensgrenzen des § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 EStG überschritten sind.

Unbeachtlich sind auch die Erwägungen, die die Kläger und das FG zur zivilrechtlichen Wirksamkeit des Erbverzichts im Jahre 1984 angestellt haben. Allerdings soll der Grundsatz der formfreien Zustimmung nach einer im Zivilrecht verbreiteten Auffassung nicht für solche Fälle gelten, in denen dem Formerfordernis --wie insbesondere beim Erbverzicht (§§ 312 Abs. 2, 2348 des Bürgerlichen Gesetzbuches)-- in erster Linie eine Warnfunktion zukommt und der Zustimmende der eigentlich von dem Rechtsgeschäft Betroffene ist (zum Meinungsstreit vgl. nur Staudinger/Gursky, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl. 1995, § 182 Rz. 19, m.w.N.). Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, würden die abgefundenen Brüder nicht wieder zu weichenden Erben i.S. des § 14a Abs. 4 EStG. In diesem Fall fände --worauf das FA zutreffend hingewiesen hat-- § 41 der Abgabenordnung (AO 1977) Anwendung, wonach die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Nach den Feststellungen des FG haben aber weder der Kläger noch seine Brüder die bei Hofübergabe getroffenen Vereinbarungen zu irgendeinem Zeitpunkt angefochten. Die Beteiligten sind daher von der Wirksamkeit des Erbverzichts ausgegangen.

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

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