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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: IV R 42/03
Rechtsgebiete: GewStG, LStDV, EStG, FGO


Vorschriften:

GewStG § 29 Abs. 1 a.F.
GewStG § 33 Abs. 1 a.F.
GewStG § 29 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
LStDV § 1 Abs. 2
EStG § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
FGO § 135 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt den Transport von Paketen. Zu diesem Zweck unterhält sie Betriebsstätten in verschiedenen Städten und Gemeinden, die das Finanzgericht (FG) zum Verfahren beigeladen hat, nämlich in A, B, C, D, E und auf dem Gebiet der Beigeladenen und Revisionsklägerin, der Stadt F. Die Geschäftsleitung befindet sich in A.

Die Klägerin beschäftigte in den Streitjahren (1992 bis 1994) in erheblichem Umfang Arbeitnehmer ihrer Schwestergesellschaft S-KG, die ihren Sitz ebenfalls in A hat. Beide Unternehmen arbeiten wirtschaftlich sehr eng zusammen. Ausdruck hierfür ist unter anderem der einheitliche integrierte Güter- und Paketumschlag beider Unternehmen in der Betriebsstätte A.

In der Betriebsstätte B wurden bereits seit 1976 Mitarbeiter der S-KG für Aufgaben der Klägerin eingesetzt, die deshalb auch alle Arbeitnehmer einstellte.

Anfang 1990 beschlossen die Klägerin und die S-KG, aus betriebsverfassungsrechtlichen und organisatorischen Gründen die in den Standorten B und A beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer zentral bei der S-KG anzustellen. Mit Wirkung vom 1. Mai 1990 wurden die entsprechenden Arbeitsverträge auf die S-KG übergeleitet. Lediglich die kaufmännischen Arbeitnehmer der Betriebsstätten A und B verblieben bei der Klägerin. Der Aufwand für die Mitarbeiter wurde nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung den jeweiligen Kostenstellen der Gesellschaften zugerechnet, für die sie tätig waren. Der Aufwand der so ausschließlich für die Klägerin tätigen Arbeitnehmer wurde von der S-KG ohne Aufschläge an sie weiterberechnet. An den übrigen Standorten beschäftigte die Klägerin nur eigene Arbeitnehmer.

Ihrer Erklärung für die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages legte die Klägerin zunächst nur die bei ihr selbst angestellten, bei den jeweiligen Betriebsstätten beschäftigten, Arbeitnehmer zugrunde.

Der Beklagte und Beteiligte des Revisionsverfahrens (das Finanzamt --FA--) erließ am 25. Mai 1994, 30. Mai 1995 und 22. Juli 1996 Bescheide für die Streitjahre über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag. Der für die Bescheide 1992 und 1993 bestehende Vorbehalt der Nachprüfung wurde am 22. Juli 1996 aufgehoben. Die Verwaltungsakte wurden bestandskräftig.

Unter den gleichen Daten erließ das FA Bescheide für 1992 bis 1994 über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags. Den Zerlegungsmaßstab übernahm das FA aus den jeweiligen Erklärungen.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, weil sie mittlerweile zu der Auffassung gelangt war, die bei der S-KG angestellten, aber in ihren Betriebsstätten in A und B beschäftigten Arbeitnehmer seien bei der Zerlegung mit zu berücksichtigen.

Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Hiergegen wendet sich die Stadt F mit der Revision.

Sie beantragt,

das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen und das FA haben keine Anträge gestellt.

1. Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die die Klägerin betreffenden einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre in der Weise zerlegt, dass die Arbeitslöhne der bei der S-KG angestellten, jedoch bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer in den Zerlegungsmaßstab einbezogen werden. Nach Auffassung des Senats folgt dieses Ergebnis bereits daraus, dass der Arbeitnehmerbegriff des § 29 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG a.F.) nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen ist. Eines Rückgriffs auf die in § 33 Abs. 1 GewStG a.F. geregelte abweichende Zerlegung zur Vermeidung eines offenbar unbilligen Ergebnisses bedarf es nicht.

2. Arbeitnehmer i.S. des § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG a.F. sind nur die Personen, die in einem Dienstverhältnis i.S. des § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) zu dem Unternehmen stehen, für das der zu zerlegende Steuermessbetrag festgesetzt worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Februar 1992 I R 16/90, BFH/NV 1992, 836, m.w.N.). Ein solches Dienstverhältnis setzt jedoch nicht voraus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag miteinander geschlossen haben (BFH-Urteil vom 24. März 1999 I R 64/98, BFHE 190, 74, BStBl II 2000, 41, m.w.N.). Der BFH hat mit Beschluss vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U (BFHE 66, 469, BStBl III 1958, 182) entschieden, dass bei der Zerlegung von Gewerbesteuermessbeträgen nach dem Maßstab der Arbeitslöhne die Frage nach der Zugehörigkeit von Arbeitnehmern zu dem Gewerbebetrieb nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmen sei. Er hat demzufolge unständig beschäftigte Hafenarbeiter, die von einem "Gesamthafenbetrieb" als Annahme- und Lohnzahlungsstelle täglich für verschiedene Unternehmen eingestellt wurden, als Arbeitnehmer der sie beschäftigenden Unternehmen angesehen. Auf der anderen Seite geht der BFH bei sog. Leiharbeitsverhältnissen davon aus, dass die dem Entleiher überlassenen Beschäftigten auch im Bereich der Gewerbesteuerzerlegung Arbeitnehmer des Verleihers sind (BFH-Beschluss vom 3. Juli 1956 I B 114/54, auszugsweise wiedergegeben bei Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 29 Anm. 6; BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 836, m.w.N.). Er hat das in einem Fall angenommen, in dem die Arbeitnehmer nicht wirtschaftlich eindeutig und ausschließlich der Betriebsstätte der Steuerpflichtigen zugeordnet werden konnten, weil sie nicht von vornherein für die Tätigkeit in der Betriebsstätte der Steuerpflichtigen und für deren Rechnung eingestellt waren (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 836).

3. Das wirft die Frage auf, nach welchen Kriterien sich die Zuordnung von Arbeitnehmern in Fällen der Gewerbesteuerzerlegung richtet, wenn das Beschäftigungsunternehmen nicht mit dem Unternehmen identisch ist, das die Vergütung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zahlt (im Folgenden Anstellungsunternehmen).

a) Das FG hat die Frage dahin gehend beantwortet, dass die Arbeitnehmer regelmäßig dem Anstellungsunternehmen zuzurechnen sind. Nach seiner Auffassung betrifft der Beschluss in BFHE 66, 469, BStBl III 1958, 182 nur den Ausnahmefall, dass das Beschäftigungsunternehmen dem Anstellungsunternehmen die Löhne im Voraus zur Verfügung gestellt hat. Für diese Auffassung könnte sprechen, dass der BFH in seinem Urteil in BFHE 190, 74, BStBl II 2000, 41 als Arbeitgeber i.S. des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur denjenigen ansieht, der den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar an die Arbeitnehmer auszahlt. Dieses Urteil ist indessen zu der Frage ergangen, wer als Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verpflichtet ist. Insoweit ist das Abstellen auf die tatsächliche Lohnzahlung sinnvoll, weil die Auszahlung des Lohns dem Arbeitgeber zugleich seine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug vor Augen führt.

b) Im Bereich der Gewerbesteuerzerlegung geht es demgegenüber darum, dass die Gemeinden, denen durch die Ansässigkeit der Arbeitnehmer einer Betriebsstätte auf ihrem Gebiet Lasten erwachsen, am Gewerbesteueraufkommen des Unternehmens beteiligt werden (BFH-Beschluss in BFHE 66, 469, BStBl III 1958, 182). Es handelt sich um einen ähnlichen Konflikt wie bei der Frage, welchem Staat bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung das Besteuerungsrecht zusteht. Auch in dem letztgenannten Bereich vertritt der BFH die Auffassung, dass Arbeitgeber derjenige ist, der die Vergütung für die geleisteten Dienste wirtschaftlich trägt (BFH-Urteil vom 21. August 1985 I R 63/80, BFHE 144, 428, BStBl II 1986, 4; BFH-Beschluss vom 4. September 2002 I R 21/01, BFHE 200, 265, BStBl II 2003, 306).

4. Der Senat ist deshalb mit dem Beschluss in BFHE 66, 469, BStBl III 1958, 182 der Auffassung, dass auch in Gewerbesteuerzerlegungsfällen die Zugehörigkeit von Arbeitnehmern zum Betrieb des Beschäftigungs- oder des Anstellungsunternehmens nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmen ist. Es bedarf dazu einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Die Arbeitnehmer sind jedenfalls dann dem Beschäftigungsunternehmen und nicht dem Anstellungsunternehmen zuzurechnen, wenn (kumulativ)

- ihr vertraglicher und tatsächlicher Tätigkeitsbereich --anders als im Fall des BFH-Urteils in BFH/NV 1992, 836-- ausschließlich im Betrieb des Beschäftigungsunternehmens liegt,

- sie in den geschäftlichen Organismus dieses Unternehmens eingegliedert und dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sind,

- das Anstellungsunternehmen vom Beschäftigungsunternehmen lediglich die Lohnaufwendungen erstattet erhält, ohne Verwaltungskosten oder gar einen Gewinnaufschlag zu berechnen.

Liegen --wie im Streitfall-- diese Voraussetzungen vor, kann es nicht darauf ankommen, ob das Beschäftigungsunternehmen dem Anstellungsunternehmen die Lohnkosten im Voraus oder nachträglich erstattet hat.

Das gefundene Ergebnis führt dazu, dass im Bereich der Gewerbesteuerzerlegung eine Zurechnung beim Anstellungsunternehmen in der Regel nur dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmerüberlassung an das Beschäftigungsunternehmen ein echter --auf Gewinnerzielung des Verleihers gerichteter-- Arbeitnehmerverleih zugrunde liegt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die außergerichtlichen Kosten der (übrigen) vom FG Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO), da die einzige Beigeladene, die sich im Revisionsverfahren geäußert hat, der unterlegenen Stadt F beigetreten ist.

Ende der Entscheidung

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