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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.08.2000
Aktenzeichen: IV R 46/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1
EStG § 13
BUNDESFINANZHOF

Auch einen sog. Generationenbetrieb muss der Steuerpflichtige mit Gewinnerzielungsabsicht bewirtschaften, andernfalls Liebhaberei vorliegt. Handelt der Rechtsnachfolger in einem Liebhabereibetrieb wieder mit Gewinnerzielungsabsicht, so sind die von ihm erzielten Verluste als Anfangsverluste eines neu eröffneten Betriebs anzuerkennen.

EStG § 2 Abs. 1, § 13

Urteil vom 24. August 2000 - IV R 46/99 -

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1999, 895)


Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin der 1995 verstorbenen Frau X, die ein Weingut aus dem ... Jahrhundert --seit ... im Familienbesitz-- betrieb. In den Streitjahren (1985 bis 1991) erzielte die Verstorbene Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung. Ohne Berücksichtigung der Verluste aus dem Weinbaubetrieb betrug das zu versteuernde Einkommen in den Streitjahren zwischen mehreren Hunderttausend und mehreren Millionen DM. Die Einkünfte aus dem Weinbaubetrieb bestanden in den Wirtschaftsjahren 1967/68 bis 1994/95 mit Ausnahme der 3 Wirtschaftsjahre 1968/69, 1971/72 und 1972/73 überwiegend aus Verlusten zwischen etwa 14 000 DM und 460 000 DM pro Wirtschaftsjahr, die sich in diesem Zeitraum saldiert mit den Gewinnen auf 3 836 909 DM beliefen. In den Wirtschaftsjahren 1979/80 bis 1994/95 überstiegen die Kosten regelmäßig nicht nur die Erlöse aus Weinverkäufen, sondern auch die Erträge aus Land- und Forstwirtschaft insgesamt.

Ein landwirtschaftlicher Sachverständiger kam im Oktober 1990 zu dem Ergebnis, dass der Betrieb einen jährlichen Reingewinn von 78 718 DM erwirtschaften und damit eine Kapitalverzinsung von 4,6 % erzielen könne. Das Gutachten enthält keine Ermittlung des Totalgewinns.

Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1986 bis 1988 kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter Hinzuziehung des Weinbausachverständigen der Oberfinanzdirektion (OFD) zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der steuerlichen Buchwerte zum 30. Juni 1985 ein Totalverlust von 786 974,31 DM erzielt werden würde. Das FA erließ für die Jahre der Betriebsprüfung und die nachfolgenden Jahre 1989 bis 1991 geänderte Einkommensteuerbescheide auf der Grundlage fehlender Gewinnerzielungsabsicht.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 895 veröffentlicht.

Mit ihrer dagegen vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor, das FG habe zu Unrecht isoliert auf die Verlustphase während der Inhaberschaft von X abgestellt und damit verkannt, dass eine generationsübergreifende Totalgewinnprognose erforderlich sei. Diese Totalgewinnprognose sei im Streitfall positiv. Im Übrigen seien die betreffenden Verluste unzutreffend ermittelt worden. Schließlich habe das FG unzureichend untersucht, inwiefern die Tätigkeit der X auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht habe.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuerbescheide 1985 bis 1991 dahin zu ändern, dass folgende Verluste aus Land- und Forstwirtschaft anerkannt werden: ...

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die weinbauliche Betätigung der X in den Streitjahren zu Recht als sog. Liebhaberei beurteilt.

1. a) Gewinne und Verluste, die einem Steuerpflichtigen aus einer Betätigung erwachsen, sind nur dann bei der Bemessung seiner Einkommensteuer zu berücksichtigen, wenn sie sich einer der in § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Einkunftsarten zurechnen lassen. Deshalb setzt die Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Verluste voraus, dass sie aus der Unterhaltung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i.S. von § 13 Abs. 1 EStG erwachsen sind. Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb setzt eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung für eine einkommensteuerrelevante Tätigkeit ergibt sich aus § 15 Abs. 2 EStG.

b) Die Absicht der Gewinnerzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens des Betriebs, d.h. von seiner Gründung bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation aufs Ganze gesehen einen Gewinn zu erzielen. Ob der Steuerpflichtige eine derartige Absicht hatte, lässt sich als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen. Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob der Betrieb bei objektiver Betrachtung nach seiner Art, der Gestaltung der Betriebsführung und den gegebenen Ertragsaussichten einen "Totalgewinn" in dem beschriebenen Umfang erwarten lässt. Ist danach bei objektiver Betrachtung ein positives Ergebnis nicht zu erwarten, kann der Steuerpflichtige gleichwohl nachweisen, dass er die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet habe, zunächst angefallene Verluste im Laufe der weiteren Entwicklung des Betriebs durch Gewinne ausgleichen und insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielen zu können. Gelingt ihm auch dieser Nachweis nicht, so folgt daraus, dass er die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638, m.w.N.).

2. a) Nach den Feststellungen des FG war der Betrieb des Weinguts unter der Führung von X von einer durchgehenden Verlustperiode geprägt, wobei die in den Wirtschaftsjahren 1968/69, 1971/72 und 1972/73 erzielten Gewinne von 39 704 DM, 5 964 DM und 17 449 DM angesichts des in den 28 Wirtschaftsjahren von 1967/68 bis 1994/95 erzielten Gesamtverlusts von 3 836 909 DM nicht ins Gewicht fallen. Nach der gutachtlichen Stellungnahme des Weinbausachverständigen der OFD standen diesen Verlusten zum Stichtag des 1. Juli 1985 nur stille Reserven gegenüber, die nicht annähernd ausreichten, die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Verluste zu kompensieren. Auch unter Berücksichtigung der stillen Reserven ergab sich danach zum Stichtag am 1. Juli 1985 nur ein Totalverlust, und zwar von ./. 786 974,31 DM. Das FG hat daher zu Recht diese nachhaltigen Verluste als sicheres Beweisanzeichen für mangelnde Gewinnerzielungsabsicht in den Streitjahren beurteilt.

b) Dem hat die Klägerin zwar entgegengehalten, die stillen Reserven hätten sich in den Folgejahren aus unterschiedlichen Gründen, nämlich der Minderung der Buchwerte bei den Gebäuden bei ansteigenden Teilwerten und der erhöhten Werte der Weinbestände, derart erhöht, dass eine Totalgewinnprognose positiv ausfallen müsse. Dieser unsubstantiierte Vortrag ist zudem insofern unschlüssig, als es die Klägerin versäumt hat, den angeblich erhöhten stillen Reserven zu einem späteren Stichtag die zu diesem Stichtag auch weiter aufgelaufenen Verluste gegenüberzustellen. In den Wirtschaftsjahren 1986/87 bis 1994/95 wurden allein Verluste in einem Gesamtbetrag von 2 370 230 DM ermittelt.

c) Für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht können nach der Rechtsprechung des Senats entscheidende Schlüsse auch daraus gezogen werden, wie der Steuerpflichtige auf die längere Zeit hindurch erwirtschafteten Verluste reagiert hat (Senatsurteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, 468, BStBl II 1985, 205, 207, m.w.N.). Dazu hat das FG allerdings festgestellt, dass X auf die nachhaltigen Verluste nicht reagiert habe. Es hat daraus zu Recht gefolgert, dass Dauer und Umfang der erzielten Verluste das entscheidende Kriterium bei der Gesamtbeurteilung der Gewinnerzielungsabsicht sind (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1991 X R 10/88, BFH/NV 1992, 108). Dass X selbst keine Maßnahmen mit dem Ziel traf, eine günstigere Totalgewinnprognose zu erreichen, wird im Übrigen durch die objektiven Umstände des Streitfalls belegt. Danach sind die Verluste nach dem dem Sachverständigengutachten zugrunde liegenden Stichtag des 1. Juli 1985 fast kontinuierlich von 85 857 DM auf 459 265 DM jährlich angewachsen.

3. a) Die Klägerin hat hiergegen eingewandt, dass namentlich bei einem Generationenbetrieb, wie dem von X geführten Weingut, von einer längeren, mehrere Generationen einbeziehenden Totalgewinnperiode auszugehen sei. Derartige Betriebe gingen ohne Veräußerung oder Aufgabe auf einen Rechtsnachfolger über, so dass auch die während einer Generation erwirtschafteten Verluste durch Gewinne der nächsten Generation kompensiert würden und letztlich zur Erzielung eines Totalgewinns führen könnten. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Totalgewinnperiode bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mehr als nur eine Generation umfassen muss. Dafür sprechen schon die in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Hofübergabeverträge und anderen Gestaltungen zur Vorbereitung der Betriebsübertragung. In diesem Sinne geht die Rechtsprechung auch bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben von einem längeren objektbezogenen Beurteilungszeitraum aus, der sich nach der Art des Betriebs unterscheidet. Daher ist etwa bei forstwirtschaftlichen Betrieben unter Umständen die gesamte Umtriebszeit, die Zeit zwischen Aufforstung und Holzernte, die oft mehr als 100 Jahre beträgt, zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 26. Juni 1985 IV R 149/83, BFHE 144, 67, BStBl II 1985, 549). Für Generationenbetriebe bestehen insofern keine Besonderheiten.

b) Allerdings entbindet diese objektive Sicht der Totalgewinnperiode nicht von einer Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht, die notwendigerweise auf den einzelnen Steuerpflichtigen bezogen ist. Nach Auffassung des Senats ist eine längere Totalgewinnperiode bestimmter Betriebe danach nur als Grundlage für die erforderliche Totalgewinnprognose geeignet, für die die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten (BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767). Eine längere Totalgewinnperiode ermöglicht es also, die Verhältnisse vergangener Zeiträume zu berücksichtigen. Das FG hat daher im Streitfall zu Recht alle von X seit dem Wirtschaftsjahr 1967/68 erzielten Verluste in die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht einbezogen.

c) Eine längere Totalgewinnperiode kann aber auch den Rechtsnachfolger des Steuerpflichtigen einbeziehen, wenn der dem Beurteiler vorliegende Beurteilungszeitraum auch diesen Zeitraum mitumfasst. So können etwa Reaktionen des Steuerpflichtigen auf eine längere Verlustperiode erst bei seinem Rechtsnachfolger zu einem nachhaltigen Abbau der Verluste führen, der damit als sicheres Beweisanzeichen für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht beim Steuerpflichtigen heranzuziehen ist. Dies ist im Streitfall anders, weil erst die Klägerin Umstrukturierungsmaßnahmen ergriffen hat, die nach ihrem Vortrag zu einer Steigerung der Erträge nach dem Tod der X geführt haben. Nach den für die Streitjahre vorliegenden Feststellungen jedenfalls konnte das FG zu der Überzeugung gelangen, dass der Betrieb in den Streitjahren nicht mit Gewinnerzielungsabsicht geführt wurde. Diese Feststellung liegt im Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1976 IV R 113/73, BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485; ferner BFH-Urteil vom 14. Dezember 1976 VIII R 99/72, BFHE 121, 50, BStBl II 1977, 305). Ist diese Feststellung in einwandfreier Weise getroffen worden, so ist der BFH an sie nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Dies ist vorliegend der Fall, weil das FG den für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht maßgeblichen Sachverhalt unter Einbeziehung aller wesentlichen tatsächlichen Umstände festgestellt hat.

d) Gelingt der Klägerin in den folgenden Veranlagungszeiträumen der Nachweis, dass sie den Betrieb ab dessen Übernahme im Jahre 1995 mit Gewinnerzielungsabsicht geführt hat, dann können die von ihr erzielten Verluste unter Umständen als (neuerliche) Anlaufverluste anerkannt werden. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, haben die dargelegten zahlreichen Aktivitäten der Klägerin für die Beurteilung der Streitjahre allerdings keine Bedeutung.

4. Zu Unrecht hat die Revision schließlich eingewandt, das FG habe die einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motive der X nur unzureichend untersucht, denn ein Weinbaubetrieb sei kein typischer Liebhabereibetrieb. Ausgehend von der Rechtsprechung des Senats, wonach im Falle einer landwirtschaftlichen Betätigung der Beweis des ersten Anscheins nicht für eine Gewinnerzielungsabsicht spricht (Urteil vom 3. März 1988 IV R 90/85, BFH/NV 1989, 90), hat das FG festgestellt, dass X umfangreiche Mittel unter Verzicht auf eine ertragbringende Anlage zur Unterhaltung des Weinguts eingesetzt hat. Diese Feststellungen des FG reichen aus, um den Schluss zuzulassen, dass X das von ihrem verstorbenen Ehegatten übernommene Gut aus im Bereich ihrer Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen bewirtschaftet hat.

Der Umstand, dass ein Landwirt, dem keine laufenden Geldzuflüsse von außen für den Betrieb zur Verfügung stehen, diesen wegen andauernder hoher Verluste nicht über einen längeren Zeitraum geführt hätte und hätte führen können, während dies einem Steuerpflichtigen möglich ist, der über andere Geldmittel verfügt, bringt regelmäßig eine vom wirtschaftlichen Erfolg unabhängige persönliche Passion einer gehobenen Lebenshaltung zum Ausdruck (BFH-Urteile vom 22. Juli 1982 IV R 74/79, BFHE 136, 459, BStBl II 1983, 2; in BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205, und in BFH/NV 1989, 90, a.E.). Dass der Betrieb der Lebensführung in Form von Erholung und Freizeitgestaltung dient, ist insoweit nicht erforderlich (Senatsurteil in BFHE 136, 459, BStBl II 1983, 2; ferner BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289). Der wiederholte Hinweis der Klägerin auf den besonderen Charakter des Weinguts als Generationenbetrieb lässt darüber hinaus den Schluss zu, dass das verlustbringende Weingut von X nur weitergeführt wurde, um es der Familie zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Erwägung aber nicht betrieblicher, sondern privater Natur (vgl. Senatsurteile vom 25. August 1966 IV 299/62, BFHE 86, 797, BStBl III 1966, 675; vom 30. November 1967 IV 1/65, BFHE 91, 81, BStBl II 1968, 263, und in BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289).

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