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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: IV R 55/04
Rechtsgebiete: AO 1977, GewStG


Vorschriften:

AO 1977 § 119 Abs. 1
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AO 1977 § 171 Abs. 4
AO 1977 § 184 Abs. 1 Satz 3
AO 1977 § 196
GewStG § 5
1. Geht das Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter über, so sind für das Jahr des Formwechsels zwei Gewerbesteuermessbescheide, jeweils für die Zeit vor und nach dem Wechsel zu erlassen (Anschluss an Abschn. 35 Abs. 1 Satz 3 und 4 GewStR).

2. In einem solchen Fall ist eine Prüfungsanordnung, die an die erloschene Personengesellschaft adressiert ist, nicht infolge Unbestimmtheit nichtig, wenn der das Geschäft als Einzelunternehmer fortführende Gesellschafter weiterhin unter der Firma der Gesellschaft auftritt und (andererseits) beim FA darauf hinweist, dass das Unternehmen ab dem Zeitpunkt des Formwechsels eine "Scheingesellschaft" darstellt.


Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsnachfolger der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Klägerin des erstinstanzlichen Verfahrens (Klägerin), die als persönlich haftende Gesellschafterin an der A KG beteiligt war. Am 6. Juli 1992 war bereits die einzige weitere Gesellschafterin (Kommanditistin) verstorben. Ihr Erbe hatte den geerbten Kommanditanteil mit Wirkung vom selben Tag unentgeltlich auf die Klägerin übertragen. Das Unternehmen hatte weiterhin die ins Handelsregister eingetragene Firma der KG geführt und auch unter dieser Bezeichnung Steuererklärungen abgegeben.

Die Gewerbesteuererklärungen des Unternehmens für die Streitjahre (1991 bis 1993) wurden am 3. März 1993 (1991), am 18. März 1993 (1992) und am 18. August 1995 (1993) abgegeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide, die in den Jahren 1993 bis 1995 zugestellt wurden. Sie waren adressiert an die Klägerin "als Empfangsbevollmächtigte für Firma A KG".

Unter dem Datum vom 3. November 1995 ordnete das FA eine Betriebsprüfung für die Streitjahre an. Die Prüfungsanordnung wies als Adressatin die "Firma A KG" aus. Aufgrund dieser Prüfung erließ das FA unter dem Datum vom 16. April 1996 Änderungsbescheide, die --wie die Ursprungsbescheide-- an die Klägerin als Empfangsbevollmächtigte der KG adressiert waren. Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin Klage, die sie wieder zurücknahm, nachdem das FA die den Klagen zugrunde liegenden Einspruchsentscheidungen aufgehoben hatte. Zur Begründung für die Aufhebung führte das FA aus, die an die Klägerin als Empfangsbevollmächtigte der KG gerichteten Gewerbesteuermessbescheide seien nicht wirksam bekannt gegeben worden, da die KG nach der Übertragung des zweiten Gesellschaftsanteils auf die Klägerin nicht mehr bestanden habe.

Anschließend erließ das FA unter dem Datum vom 5. Juli 2000 erneut Änderungsbescheide, die auf § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gestützt waren. Diese Bescheide trugen dem Vorbringen der Klägerin Rechnung, dass ihr Bruder nicht als Mitunternehmer anzusehen und sein Gehalt daher dem Gewinn nicht zuzurechnen sei. Sie waren adressiert an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG.

Gegen die Bescheide vom 5. Juli 2000 erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Klage. Sie machte geltend, die Bescheide seien rechtswidrig, weil zur Zeit ihres Erlasses die Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sei. Die im Jahre 1995 angeordnete und durchgeführte Betriebsprüfung habe nicht zur Hemmung der Festsetzungsfrist führen können, weil die Prüfungsanordnung mangels zutreffender Adressierung unwirksam gewesen sei.

Nach Erledigung eines weiteren, hilfsweise zur Entscheidung gestellten Streitpunktes durch dem Finanzgericht (FG) am 8. Mai 2002 zugesandte Änderungsbescheide wies dieses die Klage ab. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 161 abgedruckt.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil, die Gewerbesteuermessbescheide des FA für die Jahre 1991 bis 1993 und die Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2000 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist insoweit begründet, als der Gewerbesteuermessbetrag 1992 betroffen ist; im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

I. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Erlass der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide vom 5. Juli 2000 nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung --AO 1977--) entgegenstand. Es greift vielmehr die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO 1977 ein. Nach dieser Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist für Steuern, die Gegenstand einer Außenprüfung gewesen sind, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt zwar nur dann ein, wenn der Verwaltungsakt, mit dem die Prüfung angeordnet wurde, wirksam ist. Angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls war die Prüfungsanordnung vom 3. November 1995 jedoch nicht nichtig.

1. Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts; dieser muss gemäß § 119 Abs. 1 AO 1977 hinreichend bestimmt angeben, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120). Der Regelungsinhalt einer Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) besteht darin, dass dem Steuerpflichtigen aufgegeben wird, die Prüfung in dem in der Anordnung näher umschriebenen Umfang zu dulden (BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21). Die Prüfungsanordnung ist daher an denjenigen als Inhaltsadressaten zu richten, der die Prüfung zu dulden verpflichtet ist. Das ist der Steuerschuldner.

2. Geht das Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter über, so führt das zwar nicht zu einem Unternehmerwechsel (Güroff in Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl. § 2 Anm. 226). Gleichwohl endet die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft. Steuerschuldner (§ 5 GewStG) wird nunmehr der verbleibende Gesellschafter als Einzelunternehmer. Das gilt auch für Steuern, die durch den Betrieb der Gesellschaft entstanden sind. Die Gewerbesteuermessbescheide für die Zeit vor dem Formwechsel sind zu adressieren an den das Unternehmen fortführenden Gesellschafter (Einzelunternehmer) als Rechtsnachfolger der Gesellschaft, die Gewerbesteuermessbescheide für die Zeit nach dem Formwechsel an den Einzelunternehmer ohne Zusatz. Für das Jahr des Formwechsels geht die Finanzverwaltung mit der herrschenden Meinung davon aus, dass zwei Gewerbesteuermessbescheide jeweils für die Zeit vor und nach dem Wechsel zu erlassen sind. (Abschn. 37 Abs. 2 Satz 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1990, --GewStR--, jetzt Abschn. 35 Abs. 1 Satz 3 und 4 GewStR 1999; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 2 Anm. 228; Glanegger, Finanz-Rundschau --FR-- 1990, 469, 475). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Dafür sprechen nicht nur Gründe der Bestimmtheit des Bescheides (Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 2 Anm. 228, unter Aufgabe der früheren Auffassung), sondern auch der Umstand, dass für das Jahr des Formwechsels in jedem Fall zwei Gewinne i.S. des § 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln sind, die nach § 7 GewStG auch den jeweiligen Gewerbeertrag bestimmen (Glanegger, FR 1990, 469, 475).

Da die Steuerschuld mit der Verpflichtung, die Betriebsprüfung zu dulden, übereinstimmt, muss das, was für die Unternehmenssteuerbescheide gilt, im Prinzip auch für Prüfungsanordnungen gelten (Wüllenkemper, EFG 2005, 161). Es sind zwei Prüfungsanordnungen zu erlassen, eine für die Zeit vor dem Formwechsel und eine für die Zeit danach, die allerdings in einem Bescheid zusammengefasst werden können.

3. Im Streitfall war die KG nicht mehr zur Duldung der Prüfung verpflichtet, da sie am 6. Juli 1992 infolge des Ausscheidens der zweiten Gesellschafterin erloschen war. Vielmehr musste von diesem Zeitpunkt an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin die Ansprüche und Verpflichtungen, die aus der Unternehmertätigkeit der KG abgeleitet wurden, auch verfahrensrechtlich abwickeln (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. September 1980 V R 175/74, BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293, und vom 17. Dezember 1992 V R 135/89, BFH/NV 1994, 354, m.w.N.). Dazu gehörte auch die Verpflichtung, die Prüfung für den Zeitraum, während dessen die KG noch bestanden hatte, zu dulden. Hätte die Klägerin mithin das Unternehmen unter einem anderen Namen als der Firma der KG fortgeführt, wäre die Prüfungsanordnung dem BFH-Urteil vom 10. April 1987 III R 202/83 (BFHE 150, 1, BStBl II 1988, 165) zufolge nichtig gewesen (vgl. auch Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO--, § 122, Nr. 2.12.2).

4. Der Streitfall weist indessen die Besonderheit auf, dass die Klägerin das Einzelunternehmen unter der Firma der KG weitergeführt hat. Einerseits reicht die fortgeführte Firma allein nicht aus, um den neuen Steuerschuldner eindeutig zu bezeichnen (vgl. auch Blümich/Hofmeister, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 14 GewStG, Rz. 16). Auf der anderen Seite war die Bezeichnung des Inhaltsadressaten nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig. Da die Klägerin nach außen unter der Firma der KG --ohne Nachfolgezusatz-- auftrat, war die Mehrdeutigkeit auch für Außenstehende erkennbar (zu diesem Erfordernis BFH-Urteil vom 16. Juni 1999 II R 36/97, BFH/NV 2000, 170). Das gilt unabhängig davon, ob die Fortführung der Firma der KG ohne einen entsprechenden Zusatz handelsrechtlich zulässig war (hierzu Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 31. Aufl., § 24 Rn. 9, m.w.N.). Mithin war die Prüfungsanordnung nicht ohne weiteres nichtig. Vielmehr ist bei Mehrdeutigkeit der Adressatenbezeichnung zunächst zu versuchen, durch Auslegung klarzustellen, wer Inhaltsadressat eines Steuerverwaltungsaktes ist (BFH-Urteile vom 28. Januar 1998 II R 40/95, BFH/NV 1998, 855; vom 23. März 1998 II R 7/95, BFH/NV 1998, 1329; in BFH/NV 2000, 170; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 157 AO, Tz. 11). Bei der Auslegung kommt es --anders als bei der Frage der Mehrdeutigkeit-- nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen musste; entscheidend ist vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, m.w.N.). In diesem Sinne hat der BFH verschiedentlich mehrdeutig adressierte Prüfungsanordnungen für wirksam gehalten (BFH-Urteile vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612, und in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120).

5. Für die Klägerin war der Regelungsinhalt der Betriebsprüfungsanordnung vom 3. November 1995 mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar. Das folgt zum einen daraus, dass die Klägerin alle Steuererklärungen der Streitjahre unter dem Namen der KG abgegeben und selbst darauf hingewiesen hat, wie diese Bezeichnung zu verstehen sei. Sie hat nämlich auf Blatt 1 der Erläuterungen zum Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1992 darauf hingewiesen, dass es sich bei der KG ab dem Zeitpunkt des Todes der Kommanditistin am 6. Juli 1992 "um eine Schein-KG" handle. Mithin ist die Klägerin selbst davon ausgegangen, dass mit der Bezeichnung "A Kommanditgesellschaft" sie selbst gemeint war, und zwar für die Zeit bis zum Tod der Kommanditistin als Rechtsnachfolgerin der KG. Außerdem war für die Klägerin ohne weiteres erkennbar, dass die Prüfung für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 6. Juli 1992 die Steuern betreffen sollte, die durch den Betrieb der KG veranlasst waren, und für die Zeit danach diejenigen, die im Einzelunternehmen der Klägerin entstanden waren.

II. Demnach sind der während des Klageverfahrens und die am 5. Juli 2000 sowie am 16. April 1996 ergangenen Gewerbesteuermessbescheide für das Jahr 1991 rechtmäßig. Das gleiche gilt für die entsprechenden Gewerbesteuermessbescheide für das Jahr 1993. Zwar sind Letztere an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG adressiert, obwohl sie Steuern betrafen, die durch den Betrieb der Klägerin als Einzelgewerbetreibende entstanden sind. Indessen lässt sich auch bei diesen Bescheiden der Adressat im Wege der Auslegung ermitteln. Anders verhält es sich dagegen bei den Gewerbesteuermessbescheiden für das Jahr 1992. Für dieses Jahr hätten --wie unter I.2. ausgeführt-- zwei Gewerbesteuermessbescheide ergehen müssen. Es fehlt hier insbesondere an der Feststellung der jeweiligen Gewerbesteuermessbeträge für die Zeit vor und nach dem Formwechsel. Sie lassen sich nicht durch Auslegung ermitteln. Insoweit sind an Gewerbesteuermessbescheide einerseits und Prüfungsanordnungen andererseits unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Für die Prüfungsanordnungen genügt die Angabe des jeweiligen Prüfungszeitraums, der sich im Streitfall --wie unter I.5. dargelegt-- durch Auslegung ohne weiteres ermitteln ließ.

Der Senat hat den Antrag des Klägers dahin gehend ausgelegt, dass er auch die Aufhebung des durch die Aufhebung des Änderungsbescheides vom 5. Juli 2000 wieder auflebenden Bescheids vom 16. April 1996 begehrt. Das FA ist jedoch mangels Unwirksamkeit der Prüfungsanordnung nicht gehindert, für das Jahr 1992 neue, zutreffende, Gewerbesteuermessbescheide zu erlassen.

Ende der Entscheidung

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