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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.05.1998
Aktenzeichen: IV R 58/97
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 370 Abs. 1 | |
AO 1977 § 378 Abs. 1 | |
FGO § 76 | |
FGO § 81 | |
FGO § 95 | |
FGO § 96 | |
FGO § 105 Abs. 5 | |
FGO § 115 Abs. 1 | |
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5 | |
FGO § 119 Nr. 6 |
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsanwalt und Notar. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1987 zunächst erklärungsgemäß auf 0 DM festgesetzt hatte, führte er im Jahr 1989 eine Außenprüfung durch, die die Streitjahre 1982 bis 1988 erfaßte. Die bei der Außenprüfung getroffenen Feststellungen ergaben nach Auffassung des FA, daß in zahlreichen Fällen einerseits zu Unrecht Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit und Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen worden waren und andererseits Einnahmen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung entweder zu niedrig oder überhaupt nicht erklärt worden waren. Auch die Umsatzsteuer war Gegenstand der Außenprüfung, zu der in entsprechender Weise Feststellungen getroffen wurden.
Unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des Klägers zu dem Betriebsprüfungsbericht erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für 1982 bis 1987, einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1988 sowie geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1983 bis 1988. Die dagegen erhobenen Einsprüche hatten nur teilweise Erfolg.
Mit der Klage erhob der Kläger eine Fülle von Einwendungen gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerfestsetzungen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur zu einem geringen Teil betreffend die Einkommensteuer 1983 und 1984 sowie die Umsatzsteuer 1983 bis 1988 statt. In seinem 65 Seiten umfassenden Urteil stellte es den nach der mündlichen Verhandlung verbliebenen Streitstand gegliedert nach Sachverhaltskomplexen dar, wobei jeweils die Feststellungen des Prüfers sowie Behauptungen und Rechtsansichten des Klägers und des FA wiedergegeben wurden. In den Urteilsgründen führte das FG aus, daß den Änderungsbescheiden für 1982 und 1983 die Festsetzungsfrist nicht entgegengestanden habe. Für 1982 sei von einer zehnjährigen Frist wegen Steuerhinterziehung auszugehen, für 1983 zumindest von einer fünfjährigen Frist wegen fahrlässiger Steuerverkürzung. Dazu machte das FG Ausführungen zum subjektiven und objektiven Tatbestand der §§ 370 Abs. 1, 378 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Sodann verwies das FG wegen der weiteren Entscheidungsgründe gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Einspruchsentscheidungen des FA, schloß daran aber über 14 Seiten Ausführungen zu den einzelnen Sachverhaltskomplexen an.
Seine --vom FG nicht zugelassene-- Revision stützt der Kläger auf die Überschreitung der Streitwertgrenze nach § 115 Abs. 1 FGO. Im einzelnen macht er folgendes geltend:
1. Absoluter Revisionsgrund
Das Urteil sei nach §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen. Die Urteilsgründe erschöpften sich in einer Bezugnahme auf die Sach- und Rechtsauffassung des FA und enthielten keine ausreichende eigene Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Klägers. Zu einzelnen Streitpunkten enthielten die Urteilsgründe überhaupt keine Ausführungen.
2. Verfahrensmängel
Das FG habe §§ 76, 81 und 96 FGO verletzt:
- Bei der Feststellung der Tatsachen in bezug auf die Tatbestandsmerkmale der §§ 370, 378 AO 1977 sei das FG seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen. Es habe nicht den Behauptungen und Schlußfolgerungen des FA folgen dürfen, sondern hätte entweder von Amts wegen oder aufgrund der vom Kläger gestellten Beweisanträge Beweis erheben müssen. Prozeßleitend hätte das FG auch auf ggf. noch fehlende Beweisanträge hinwirken müssen. Das Gericht habe geltendes Recht verletzt, weil es verkannt habe, daß die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung oder fahrlässigen Steuerverkürzung bei dem FA gelegen habe. Damit sei auch der Grundsatz in dubio pro reo verletzt worden. Zugleich liege ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, weil aus den Prüfungsfeststellungen jeweils Fallgestaltungen konstruiert würden, die die höchste Steuer ergäben. Bei richtigem Verfahren und richtiger Subsumtion hätte das FG weder den objektiven noch erst recht den subjektiven Tatbestand einer Steuerverkürzung als verwirklicht ansehen können.
- Aufgrund substantiierten und unter Beweis gestellten Klägervortrags habe sich ein von den Feststellungen des FA abweichender Sachverhalt ergeben. Es hätten deshalb von Amts wegen, aufgrund von gestellten Beweisanträgen oder aufgrund von anzuregenden Beweisanträgen Beweise zu bestimmten Sachverhaltsfragen erhoben werden müssen.
- Dem FG seien Auslegungs- und Subsumtionsfehler unterlaufen, weil der konkrete Sachverhalt nicht die Merkmale der angewendeten Norm erfülle bzw. die Gesetzesanwendung einen Verstoß gegen die Denkgesetze darstelle.
- Das Urteil entscheide nicht über alle Klagepunkte, wodurch § 95 FGO verletzt sei. Es fehle eine Entscheidung zu Erhaltungsaufwendungen gemäß § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), die von der Prüfung als anschaffungsnah behandelt worden seien, sowie zu mit der Klage geltend gemachten Bankzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.
3. Grundsätzliche Bedeutung
Entscheidungserhebliche Rechtsfragen berührten das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.
4. Divergenz
Das FG-Urteil weiche von dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Dezember 1986 I B 49/86 (BFHE 148, 218, BStBl II 1988, 213) ab.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und
1. unter Abänderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide die Einkommensteuer wie folgt zu bemessen: ... DM.
2. unter Abänderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide die Umsatzsteuer nach einem um ... DM reduzierten Umsatz zu bemessen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Es trägt vor, die Streitwertrevision sei durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) abgeschafft worden. Soweit die Revision zulassungsfrei auf Verfahrensmängel i.S. des 116 Abs. 1 FGO gestützt werden könne, seien solche Mängel nicht schlüssig gerügt. Insbesondere berechtige die Rüge, ein Urteil sei zu kurz, lücken- oder fehlerhaft nicht zu einer zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Auch aus der Verweisung auf die Einspruchsentscheidung ergebe sich kein Begründungsmangel, denn diese sei nach § 105 Abs. 5 FGO zulässig und begegne nach der Rechtsprechung des BFH keinen rechtsstaatlichen Bedenken.
Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluß zu verwerfen.
1. Nach Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zuvor zugelassen hat. Im übrigen ist die Revision dann zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i.S. von § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- einen der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (Senatsbeschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568).
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO schlüssig gerügt. Ein solcher Mangel liegt nicht nur dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung überhaupt nicht begründet. Ein Urteil ist auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351) oder wenn sich die Begründung in inhaltslosen oder unverständlichen Wendungen erschöpft, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 12. Juni 1996 IV R 45/95, BFH/NV 1996, 918). Ein Urteil ist aber nicht bereits deshalb ohne Gründe i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ergangen, weil seine Begründung lücken- oder fehlerhaft ist.
Die Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung des FA bezüglich der einzelnen streitigen Sachverhaltskomplexe, ergänzt durch jeweils eigene Ausführungen des Gerichts, stellt keinen Begründungsmangel dar. Nach § 105 Abs. 5 FGO kann das FG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in dem Urteil feststellt. Nur für neues Vorbringen im Klageverfahren kommt eine Bezugnahme auf die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht in Betracht (Senatsbeschluß vom 27. Februar 1996 IV R 41/95, BFH/NV 1996, 623, m.w.N.).
Der Kläger hat nicht vorgetragen, neues Klagevorbringen zu einem selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel sei durch die Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidungen einschließlich der ergänzenden Begründung des FG unberücksichtigt geblieben. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Urteilsgründe sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel des Klägers erfassen. Ob die --zulässigerweise-- in Bezug genommene Begründung des FA oder die ergänzende eigenständige Begründung des Gerichts zu den einzelnen Streitpunkten unvollständig oder fehlerhaft ist, kann deshalb unerörtert bleiben, denn daraus würde sich ein Verfahrensfehler i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht ergeben.
3. Das weitere Revisionsvorbringen betrifft keinen der Gründe des § 116 Abs. 1 FGO für eine zulassungsfreie Revision.
Ende der Entscheidung
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