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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: IV R 61/01
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 13 | |
EStG § 14 | |
EStG § 14a | |
EStG § 16 | |
EStG § 34 |
Gründe:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewirtschaftete bis zum März 1987 einen Milchviehbetrieb, veräußerte danach die Milchlieferrechte, gab die zugepachteten Flächen (8,5 ha) zurück und verpachtete die Hofstelle samt den bis dahin noch selbst bewirtschafteten Eigentumsflächen (ca. 13,9 ha); ein Teil dieser Eigentumsflächen (ca. 5,7 ha Grünland) war bereits 1984 verpachtet worden.
Nachdem im November 1992 das Wohn- und die Wirtschaftsgebäude --mit Ausnahme eines 1985 errichteten Bullenstalls-- abgebrannt waren, wurde der 1987 abgeschlossene Pachtvertrag vorzeitig aufgelöst und der Kläger veräußerte die zerstörte Hofstelle mit Hauskoppel für 40 000 DM; die restlichen Flächen verpachtete er als Stückländereien erneut. Die Versicherung zahlte dem Kläger eine Entschädigung von 228 920 DM.
Da der Kläger keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen und erließ für die Streitjahre (1992 und 1993) Einkommensteuerbescheide. Nachdem der Kläger darauf das FA über den Brand aufgeklärt hatte, ermittelte dieses für das Wirtschaftsjahr 1992/93 einen Gewinn von 228 000 DM und änderte die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 am 19. März 1997 entsprechend. Der Kläger erhob dagegen keinen Einspruch, sondern beantragte nach Ablauf der Einspruchsfrist mit Schreiben vom 30. Juli 1997 und vom 5. Januar 1998, die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 zu ändern, damit der Aufgabegewinn begünstigt besteuert werde. Dies lehnte das FA ab, minderte aber den Gewinn auf den Einspruch des Klägers und berücksichtigte für das Jahr 1992 zusätzlich noch einen Verlustvortrag aus dem Jahr 1985. Im Übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg.
Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und beantragte außerdem die Berücksichtigung eines Freibetrages von 90 000 DM nach § 14a Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Kläger habe seinen Betrieb weder aufgegeben, noch sei von einer Zwangsbetriebsaufgabe auszugehen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 82 veröffentlicht.
Mit der --vom FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen-- Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 14, 14a sowie 16 und 34 EStG und trägt im Wesentlichen vor: Das Senatsurteil vom 18. März 1999 IV R 65/98 (BFHE 188, 310, BStBl II 1999, 398) habe eine große Verunsicherung bewirkt, die durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur einkommensteuerlichen Behandlung der Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Ganzen vom 1. Dezember 2000 (BStBl I 2000, 1556) noch verstärkt worden sei. Im Streitfall sei schon deshalb eine Zwangsbetriebsaufgabe im Zeitpunkt des Schadensereignisses anzunehmen, weil die Wiederaufnahme eines derart kleinen Milchviehbetriebs ohne Hofstelle, entsprechende Stallgebäude und Milchlieferrechte unter den besonderen Boden- und Klimaverhältnissen Schleswig-Holsteins undenkbar sei.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 1999 dahin zu ändern, das für das Jahr 1992 ein Aufgabegewinn in Höhe von 49 870 DM und für das Wirtschaftsjahr 1992/93 ein laufender Gewinn in Höhe von 8 000 DM zugrunde gelegt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zu Recht erkannt, dass der vom Kläger als Verpachtungsbetrieb fortgeführte landwirtschaftliche Betrieb weder durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung noch im Wege einer Zwangsbetriebsaufgabe aufgegeben wurde.
1. Unstreitig gehen die Beteiligten davon aus, dass der Kläger seinen Betrieb weder anlässlich der Verpachtung im Jahre 1987 noch nach dem Untergang der Hofgebäude durch eine ausdrückliche oder auch nur konkludente Erklärung aufgegeben hat. Das FG hat daher zu Recht erkannt, dass der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb, wenn auch in anderer Form, jedenfalls bis zum Untergang der Hofgebäude bzw. der Veräußerung der abgebrannten Hofstelle fortgeführt hat (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- seit dem Urteil des Großen Senats vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; s. zuletzt Senatsurteil vom 12. September 2002 IV R 28, 29/01, BFHE 200, 279, BStBl II 2002, 813 zu 2.a der Entscheidungsgründe). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger bereits im Jahr 1984 einen Teil seiner Flächen an einen anderen Landwirt verpachtet hatte und der Betrieb nur im Wege der parzellenweisen Verpachtung aufrechterhalten wurde, auf die die Verpachtungsgrundsätze nach der Rechtsprechung des Senats in gleicher Weise Anwendung finden (seit dem Urteil vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; zuletzt Senatsurteil vom 22. August 2002 IV R 57/00, BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16, m.w.N.).
2. Auch der in den Schreiben des Klägers vom 30. Juli 1997 und vom 5. Januar 1998 enthaltene Antrag, den "Aufgabegewinn" im Wirtschaftsjahr 1992/93 begünstigt zu besteuern, kann nicht als eine auf den Zeitpunkt des Brandschadens zurückwirkende Betriebsaufgabeerklärung gewertet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine rückwirkende Erklärung der Betriebsaufgabe nicht möglich (Senatsurteil vom 28. September 1995 IV R 39/94, BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276 zu 1. a.E. der Entscheidungsgründe). Denn gibt der Steuerpflichtige erst während der Verpachtung eine Betriebsaufgabeerklärung ab, so ist aus Nachweisgründen davon auszugehen, dass er erst im Zeitpunkt der Abgabe der Aufgabeerklärung seine ursprünglichen Absichten geändert und den Plan der Betriebsfortführung aufgegeben hat. In diesem Fall ist die Betriebsaufgabe, sofern ihre Verwirklichung keine weiteren Handlungen erfordert, mit dem Zugang der Betriebsaufgabeerklärung beim FA vollzogen und abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456).
3. Entgegen der Auffassung des Klägers führte weder die Zerstörung der verpachteten Hofgebäude noch die spätere Veräußerung der Hofstelle zu einer Zwangsaufgabe seines Betriebs.
a) Die Zerstörung der Wirtschaftsgebäude und die im Zusammenhang damit vorgenommene vorzeitige Auflösung des 1987 abgeschlossenen Pachtvertrags bewirkten allenfalls eine kurzzeitige Betriebsunterbrechung. Beabsichtigt der Steuerpflichtige bei Einstellung seiner werbenden betrieblichen Tätigkeit den Betrieb innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in gleichartiger oder ähnlicher Weise wieder aufzunehmen, so dass der stillgelegte und der eröffnete Betrieb als identisch anzusehen sind, so liegt eine nicht als Betriebsaufgabe zu beurteilende Betriebsunterbrechung vor, die deshalb auch nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven führt (s. etwa Senatsurteil in BFHE 179, 75, BStBl II 1996, 276, m.w.N.). Diese Grundsätze hat der erkennende Senat auch auf einen Verpachtungsbetrieb übertragen und die Absicht der Wiederaufnahme einer gleichartigen Tätigkeit konsequent darauf bezogen, dass der Verpächter die wesentlichen, wieder hergestellten Betriebsgrundlagen ohne Betriebsaufgabeklärung erneut zu verpachten gedenkt (Senatsurteil vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392 zu II.2. der Entscheidungsgründe). So ist es im Streitfall mit der erneuten Verpachtung der Stückländereien tatsächlich auch geschehen.
b) Ebenso führte die Veräußerung der Hofstelle nicht zu einer Zwangsbetriebsaufgabe. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 188, 310, BStBl II 1999, 398 deutlich gemacht, dass es schon immer land- und forstwirtschaftliche Betriebe ohne Hofstelle gab, es namentlich bei der Bewirtschaftung von Stückländereien einer Hofstelle nicht bedarf und dass die Betriebsverpachtungsgrundsätze auch dann anzuwenden sind, wenn die Hofstelle nicht mitverpachtet wird (s. auch Senatsurteile vom 18. Mai 2000 IV R 84/99, BFHE 191, 547, BStBl II 2000, 470 zu 1. der Entscheidungsgründe, und vom 21. September 2000 IV R 29/99, BFH/NV 2001, 433, m.w.N.). Ist aber eine Hofstelle nicht unabdingbare Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, so kann auch deren Veräußerung nicht zu einer Zwangsaufgabe eines kurzzeitig unterbrochenen oder verpachteten Betriebs führen. Infolge der Veräußerung (oder Entnahme) eines einzelnen Wirtschaftsguts aus dem unterbrochenen Betrieb entfallen nicht die Voraussetzungen für die Fortführung der vom Verpächter getroffenen steuerlichen Wahl (BFH-Beschluss vom 8. Mai 2000 X B 142/99, BFH/NV 2001, 16). So lange er keine eindeutige Erklärung der Betriebsaufgabe abgibt, ist der Verpächter eines Betriebs grundsätzlich frei, den Verpachtungsbetrieb in einem Umfang umzustrukturieren, der einer Wiederaufnahme der Eigenbewirtschaftung nicht entgegensteht. Der Kläger konnte daher insbesondere die Hofstelle veräußern.
c) Nach alledem ist kein rechtlicher Grund dafür ersichtlich, die zu Recht strengen Anforderungen an die Eindeutigkeit der Betriebsaufgabeerklärung des Verpächters eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einzuschränken. Hiervon geht inzwischen auch das BMF in seinem Schreiben in BStBl I 2000, 1556 aus. Die klare Aussage, wonach im Bereich der Land- und Forstwirtschaft eine Betriebsaufgabe nur noch anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige seinen Aufgabewillen in unmissverständlicher Weise gegenüber dem FA durch Abgabe einer Aufgabeerklärung zum Ausdruck bringt, ist entgegen der Auffassung des Klägers kaum geeignet, die Steuerpflichtigen zu verunsichern; im Gegenteil dient dieses Schreiben der Rechtssicherheit aller Beteiligten. Soweit allerdings der in der Überschrift enthaltene und im Text des Schreibens wiederholte Hinweis auf die "Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Ganzen" --wie der Kläger meint-- darauf hindeuten könnte, das die parzellierte Verpachtung von der Regelung nicht erfasst werden sollte, könnte der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Eine derartige Einschränkung, die die Finanzverwaltung für die parzellenweise Verpachtung auch sonst nicht vertritt (s. H 139 --Abs. 5-- des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2002 "Parzellenweise Verpachtung"), wäre sachlich nicht gerechtfertigt.
4. Das FA hat daher zu Recht die realisierten stillen Reserven als laufenden Gewinn erfasst. Ob der möglicherweise nicht oder unzureichend beratene Kläger einen auf die versagte Steuerbegünstigung beschränkten Billigkeitserlass beanspruchen könnte, war nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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