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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: IV R 61/05
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 6b
EStG § 6b Abs. 1
EStG § 6b Abs. 3
EStG § 6b Abs. 4
AO § 41 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob eine Rücklage zu Recht mit der Begründung aufgelöst worden ist, ein Grundstück sei nicht veräußert sondern unentgeltlich übertragen worden.

Die verheirateten Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörte ein Grundstück, welches mit einer Teilfläche von ca. 4 000 qm als Bauland ausgewiesen war.

In 1997 schloss sich die Klägerin mit vier weiteren Grundstückseigentümern zu einer Interessengemeinschaft (IG) zusammen, deren Zweck die Erschließung des Baugebietes "S" war.

Mit notariellem Vertrag vom 3. September 1997 veräußerte der Kläger das Grundstück zu einem Gesamtkaufpreis von 160 000 DM an die Klägerin. Als Kaufpreis vereinbarten die Kläger 35 DM/qm, soweit das Grundstück als Bauland ausgewiesen war und im Übrigen 3,50 DM/qm. Die Besitzübergabe war nach dem Kaufvertrag bereits zum 1. Mai 1997 erfolgt. Die Kaufpreiszahlung sollte zum 1. Oktober 1997 erfolgen.

Zur Kaufpreisfinanzierung nahm die Klägerin ein Darlehen bei der R-Bank in Höhe von 160 000 DM auf. Das Darlehen war mit 5,5 % jährlich zu verzinsen und in voller Höhe am 9. Dezember 2000 zurückzuzahlen. Der Kläger zeichnete bei der R-Bank am 9. Dezember 1997 einen Sparbrief ebenfalls mit einer Laufzeit bis zum 9. Dezember 2000 über 160 000 DM (Verzinsung 4 %). Der Darlehensbetrag wurde dem Konto der Klägerin gutgeschrieben und sofort wieder zugunsten des Sparbriefkontos des Klägers abgebucht. Die Forderungen aus dem Sparbrief verpfändete der Kläger hinsichtlich der Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Klägerin an die R-Bank.

Der Kläger stellte den Veräußerungsgewinn in Höhe von 106 392 DM in eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein.

In der Folgezeit wurde das Grundstück in mehrere Bauplätze aufgeteilt und von der Klägerin unter Einschaltung der IG veräußert. Die Kaufpreise beliefen sich auf 120 DM/qm für das Bauland einschließlich der Erschließungskosten und auf 12 DM/qm für das Gartenland und standen der Klägerin zur freien Verfügung.

Das Darlehen wurde am Ende der Laufzeit mit den fällig gewordenen Mitteln aus dem Sparbrief getilgt. Die laufenden Zinszahlungen hatte der Kläger durch vierteljährliche Überweisungen auf das Konto der Klägerin ausgeglichen.

Nach Kenntnisnahme der Veräußerungs- und Finanzierungsvorgänge im Rahmen einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zunächst davon aus, dass der Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht standhalte und deshalb eine Entnahme vorliege. Die Rücklage sei daher aufzulösen.

In dem Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr (1997) vom 5. Juli 2000 erfasste das FA für das Wirtschaftsjahr 1997/98 --ausgehend von den erzielten Fremdverkaufspreisen-- einen Entnahmegewinn in Höhe von 237 310 DM. Gleichzeitig löste es die Rücklage in voller Höhe gewinnerhöhend auf.

In der Einspruchsentscheidung hielt das FA im Ergebnis an dem Änderungsbescheid fest. Es ging aber nunmehr davon aus, dass eine Entnahme deshalb zu bejahen sei, weil der Grundstücksübertragungsvertrag als verschleierte Schenkung zu würdigen sei. Tatsächlich habe die Klägerin keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung erbracht. Das Darlehen sei durch den Sparbrief des Klägers getilgt worden. Auch habe dieser die Mittel für die Begleichung der Darlehenszinsen zur Verfügung gestellt.

Die dagegen erhobene Klage, mit der die Kläger die Anerkennung einer Rücklage nach § 6b EStG in Höhe von 106 392 DM für das Wirtschaftsjahr 1997/98 beantragten, hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus: Die Rücklage sei zu Recht gewinnerhöhend aufgelöst worden, da es an einer entgeltlichen Veräußerung i.S. des § 6b EStG fehle. Der Kaufvertrag stelle ein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung dar. Mit ihm habe eine unentgeltliche Grundstücksübertragung verdeckt werden sollen. Die Klägerin habe im Ergebnis weder den Kaufpreis für das Grundstück noch die Zinsen für das Darlehen entrichten müssen. Der Sparbrief, der mit den Darlehensmitteln erworben worden sei, habe nicht nur zur Sicherung des Darlehens der Klägerin, sondern auch zu dessen Tilgung gedient. Der Kaufpreis sei daher im wirtschaftlichen Ergebnis nicht im Vermögen des Klägers geblieben. Dieses Ergebnis beruhe auf einer von den Klägern von Anfang an geplanten Vertragsgestaltung, die konzepttypisch zu dem gewünschten Erfolg geführt habe. Die Klägerin habe wirtschaftlich nicht nur keine Zins- und Tilgungsleistungen für das Darlehen erbracht, sondern darüber hinaus über die durch die Weiterveräußerung der Grundstücke erzielten Erlöse frei verfügen können, statt diese zumindest teilweise zur Zahlung der Zinsen und zur Tilgung des Darlehens einsetzen zu müssen.

Mit der (vom FG) zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe nicht ausreichend gewürdigt, dass die Klägerin den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis tatsächlich erbracht habe. Für die steuerliche Anerkennung des Kaufvertrags sei unerheblich, ob der Veräußerer gleichzeitig als Sicherungsgeber aufgetreten sei. Ebenfalls unbeachtlich sei, dass die Darlehensverbindlichkeit der Klägerin aus der fällig gewordenen Geldanlage des Klägers getilgt worden sei. Ehegatten sei es grundsätzlich freigestellt, ihre Vermögensverhältnisse untereinander zu regeln. Insoweit sei zu beachten, dass die Klägerin aus den Grundstücksverkäufen über entsprechende Geldmittel verfügt habe. Schon bei Abschluss des Kaufvertrags habe festgestanden, dass die Grundstücke kurzfristig veräußert werden sollen. Es seien daher keine Anhaltspunkte für eine Einigung der Kläger bei Vertragsschluss ersichtlich, wonach der Ehemann das Darlehen bei der R-Bank habe tilgen sollen. Eine Bereicherung der Klägerin sei daher nicht durch den Kaufvertrag sondern erst im Zeitpunkt der Tilgung des Darlehens eingetreten.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 5. Juli 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2001 dahin abzuändern, dass für das Wirtschaftsjahr 1997/98 eine Rücklage nach § 6b EStG in Höhe von 106 392 DM anerkannt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Kläger eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 EStG im Zusammenhang mit der Übertragung des Grundstücks an die Klägerin nicht bilden kann, da es an einer Veräußerung i.S. des § 6b Abs. 1 EStG fehlt.

1. Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 EStG genannten, im Streitfall aber nicht streitigen Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von den Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG).

2. Veräußerung im Sinne dieser Vorschrift ist die Übertragung zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut gegen Entgelt auf einen anderen Rechtsträger (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 1992 VIII R 24/91, BFH/NV 1993, 461, und vom 29. Juni 1995 VIII R 2/94, BFHE 179, 13, BStBl II 1996, 60). Diese Voraussetzungen sind regelmäßig bei der Übereignung aufgrund eines Kaufvertrags erfüllt. Nicht nach § 6b EStG begünstigt sind aber Gewinne, die anlässlich der Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen anfallen. Eine nicht nach § 6b EStG begünstigte Entnahme liegt u.a. vor, wenn ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens aus außerbetrieblichen, insbesondere privaten Gründen im Wege der Schenkung übereignet wird und dadurch aus dem Betriebsvermögen ausscheidet (BFH-Urteil vom 27. August 1992 IV R 89/90, BFHE 170, 21, BStBl II 1993, 225, m.w.N.). Allerdings ist für die Beurteilung der Entgeltlichkeit des Verschaffungsvorgangs nicht allein auf die zivilrechtliche Qualifikation eines Rechtsgeschäftes zurückzugreifen. Ausgehend von der im Steuerrecht herrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. u.a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212) ist vielmehr auf das von den Parteien gewollte wirtschaftliche Ergebnis, das durch die zivilrechtliche Gestaltung bewirkt wird, abzustellen.

3. Davon ausgehend lassen die Feststellungen des FG nur den Schluss zu, dass die Grundstücksübertragung unentgeltlich i.S. des § 6b Abs. 1 EStG erfolgt ist.

a) Das FG hat mangels entsprechender Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass die Darlehensvaluta noch am Tag des Eingangs auf dem Konto der Klägerin zum Erwerb eines Sparbriefs in gleicher Höhe auf ein Konto des Klägers bei demselben Bankinstitut, der R-Bank, weitergeleitet worden ist. Die Laufzeit dieses Sparbriefs entsprach dabei exakt der Laufzeit des Darlehens. Bereits im Darlehensvertrag, den die Klägerin mit der R-Bank abgeschlossen hatte, war die Besicherung der Darlehensforderung durch die Verpfändung des Sparbriefs vereinbart worden. Das fällige Guthaben aus dem Sparbrief wurde schließlich nach Ablauf der Darlehensvereinbarung in voller Höhe zur Tilgung des Darlehens verwendet. Zudem hat der Kläger die der R-Bank geschuldeten Darlehenszinsen vierteljährlich auf das Konto der Klägerin überwiesen.

b) Ungeachtet der zivilrechtlichen und auch steuerrechtlichen Wirksamkeit kann der Kaufvertrag für die Beurteilung der Entgeltlichkeit i.S. des § 6b Abs. 1 EStG daher nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr sind die Darlehens- und Besicherungsabreden sowie die Modalitäten hinsichtlich der Zinszahlungen und der Darlehensrückführung in die wirtschaftliche Beurteilung des Übertragungsvorgangs miteinzubeziehen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung tritt aber deutlich zutage, dass die Klägerin von vornherein mit der Kaufpreiszahlung wirtschaftlich nicht belastet werden sollte. Der Übertragungsvorgang stellt sich daher ausgehend von dem wirtschaftlichen Gehalt sämtlicher Absprachen als eine unentgeltliche Verschaffung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Grundstück dar.

c) Demgegenüber können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 15. Oktober 2002 IX R 46/01 (BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243) berufen, denn Gegenstand dieser Entscheidung war eine andere Rechtsfrage. In BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243 war zu beurteilen, ob der zwischen den Ehegatten abgeschlossene Kaufvertrag einem Fremdvergleich standhält. Insoweit hat der BFH ausgeführt, dass für den Fremdvergleich lediglich auf das Rechtsverhältnis abzustellen ist, um dessen steuerrechtlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart es geht. Für die Beurteilung des Kaufvertrags unter dem Aspekt des Fremdvergleichs hat der BFH daher dem Darlehensvertrag, der zur Finanzierung des Kaufpreises daneben mit der Bank abgeschlossen worden war, keine Bedeutung beigemessen. Im Streitfall geht es indes nicht um den Fremdvergleich des Kaufvertrags, sondern vielmehr um die Frage, welcher wirtschaftliche Gehalt diesem im Kontext mit anderen vertraglichen Abreden beizumessen ist.

d) Der Würdigung steht deshalb ebenfalls nicht entgegen, dass die Klägerin aus den Grundstücksverkäufen über ausreichend finanzielle Mittel verfügt hatte, um die Darlehensvaluta sowie die anfallenden Darlehenszinsen zu tilgen. Anknüpfungspunkt für die steuerrechtliche Beurteilung ist nicht der hypothetische, sondern der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt. Nach den oben dargelegten Feststellungen des FG ist das von der Klägerin aufgenommene Darlehen ausschließlich mit den Mitteln des Klägers aus der Kaufpreiszahlung getilgt worden.

e) Auch der weitere, indes nicht näher begründete Einwand, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags habe noch nicht festgestanden, dass die Darlehensvaluta mit der Sparbriefforderung beglichen werden solle, dieser Tilgungsbestimmung habe vielmehr erst ein späterer Entschluss des Klägers zugrunde gelegen, kann eine abweichende Würdigung nicht rechtfertigen. Diesem Vorbringen steht die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG entgegen. Das FG hat die von ihm getroffenen Feststellungen dahin gewürdigt, dass die Kläger bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vereinbart hatten, dass sowohl das zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommene Darlehen als auch die damit zusammenhängenden Zinsen allein aus den Mitteln des Klägers bedient werden sollten. Diese Würdigung ist jedenfalls möglich und deshalb für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Für die Würdigung spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der Kläger die von der Klägerin geschuldeten Darlehenszinsen vierteljährlich auf deren Konto überwiesen hat. Hat der Kläger damit von vornherein die laufenden Darlehensverpflichtungen aus seinem Vermögen bestritten, ist angesichts der engen zeitlichen Verzahnung von Darlehen und Sparbrief auch die weitergehende Schlussfolgerung des FG möglich, dass eine Tilgung der Darlehensforderung mit der zeitgleich fällig werdenden Forderung aus dem Sparbrief ebenfalls von Anfang an geplant war.

Ende der Entscheidung

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