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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: IV R 63/01
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG a.F. § 3 Nr. 66 |
Gründe:
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) waren zusammen mit Herrn L Gesellschafter einer 1979 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck der Erwerb, die Renovierung und die anschließende Verwaltung und Nutzung des mit dem denkmalgeschützten A-Haus bebauten Grundstücks B war. Die Nutzung bestand in der Verpachtung an eine Hotelbetriebs GmbH & Co. KG, an der Herr L und die Klägerinnen beteiligt waren. Außerdem erwarb die GbR ein Apartmenthaus, das nach Umbau in Eigentumswohnungen geteilt und veräußert werden sollte.
Nachdem 1984 der Gesellschafter L seine Vermögenslosigkeit eidesstattlich versichert hatte, geriet auch die nur noch aus den Klägerinnen bestehende GbR in wirtschaftliche Schwierigkeiten. In der Bilanz auf den 31. Dezember 1985 wurden Bankschulden von ca. 9,6 Mio. DM ausgewiesen, wovon 4,6 Mio. DM auf Darlehen des Hauptgläubigers, der X-Bank, entfielen. Nachdem laufende Zins- und Tilgungsleistungen nicht mehr erbracht worden waren, kündigte die X-Bank im April des Streitjahrs (1986) sämtliche Darlehen mit einer Gesamthöhe von 4 710 530 DM und drohte unter Fristsetzung die Zwangsvollstreckung an. Auch andere Gläubiger kündigten ihre Kredite.
Zusammen mit der Y-Bank erarbeiteten die Klägerinnen einen Sanierungsplan. Er sah vor, dass die Klägerinnen weitere Einlagen von je 400 000 DM leisten und die Y-Bank einen weiteren Kredit von 1,4 Mio. DM gewähren sollten. Die X-Bank sollte einen Teilerlass bis auf 3,7 Mio. DM gewähren. Erlassverhandlungen wurden auch mit einer Z-Bank geführt.
Im Oktober 1986 erklärte sich dann die X-Bank zu dem gewünschten Teilerlass unter der Voraussetzung bereit, dass der restliche Kredit von 3,7 Mio. DM zurückgezahlt würde. Nach dem Teilerlass verminderten sich die Verbindlichkeiten in der Bilanz auf den 31. Dezember 1986 auf 6 525 177 DM. Trotz Veräußerung des Grundvermögens blieb der hohe Schuldenstand auch in den Folgejahren bestehen. Später wurde die GbR nach Zuführung von weiterem Eigenkapital abgewickelt.
Die Klägerinnen behandelten den Teilerlass von 1 026 302,92 DM als steuerfreien Sanierungsgewinn i.S. des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, es liege kein steuerfreier Sanierungsgewinn vor, weil die X-Bank nicht mit Sanierungsabsicht erlassen habe. Außerdem sei ein Teilerlass von 1 Mio. DM nicht geeignet gewesen, die Ertragsfähigkeit des Unternehmens wieder herzustellen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 203 abgedruckt.
Mit der Revision rügen die Klägerinnen einen Verstoß gegen § 3 Nr. 66 EStG a.F. sowie Verfahrensfehler.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Unrecht die Sanierungsabsicht der Gläubigerbank verneint.
1. Nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, von der Einkommensteuer befreit. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setzt danach im Einzelnen voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und der Schulderlass sanierungsgeeignet ist. Fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2002 IV R 11/01, BFHE 199, 278, BStBl II 2002, 854, m.w.N.).
2. Das Erfordernis der Sanierungsabsicht folgt --anders als die Merkmale der Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungseignung-- aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 66 EStG a.F. "Zum Zweck der Sanierung" wird eine Schuld in der Regel erlassen, wenn der Schuldner sanierungsbedürftig und der Erlass geeignet ist, die Sanierung herbeizuführen. Eigennützige Motive des Gläubigers, wie etwa die Rettung eines Teils der Restforderung, sind unschädlich, sofern nur die Sanierungsabsicht mitentscheidend war (BFH-Urteile vom 24. April 1986 IV R 282/84, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672; vom 26. Februar 1988 III R 257/84, BFH/NV 1989, 436, und vom 19. März 1993 III R 79/91, BFH/NV 1993, 536). Die Rechtsprechung hat daher das Vorliegen der Sanierungsabsicht unterstellt, wenn sich mehrere Gläubiger an einem Schulderlass beteiligen (BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810). In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass das gleichgerichtete Vorgehen mehrerer nicht allein von deren jeweiligen Interessen geleitet wird. Aber auch im Falle des Erlasses durch nur einen Gläubiger ist nicht schlechthin ausgeschlossen, dass dieser in Sanierungsabsicht gehandelt hat. Es ist dann lediglich anhand anderer Indizien zu prüfen, ob dem Schulderlass die Absicht zugrunde gelegen hat, den Schuldner vor dem Zusammenbruch zu bewahren (BFH-Urteile vom 26. November 1980 I R 52/77, BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181, und in BFHE 199, 278, BStBl II 2002, 854).
3. Im Streitfall hat das FG die Sanierungsabsicht der X-Bank verneint, weil diese den Teilerlass ihrer Forderungen allein deshalb ausgesprochen habe, um den verbleibenden Teil ihrer Forderungen vorzeitig zu erhalten und damit zugleich die Geschäftsbeziehungen mit der GbR so schadlos wie möglich zu beenden. Dieser Auffassung pflichtet der erkennende Senat nicht bei.
Nach den genannten Rechtsprechungsgrundsätzen bedarf es bereits dann keiner besonderen Prüfung der Sanierungsabsicht, wenn sich mehrere Gläubiger an einem Schulderlass beteiligen. Diese Voraussetzung ist nicht nur dann erfüllt, wenn der Verzicht aller Gläubiger im Laufe eines Wirtschaftsjahrs erfolgt. Wird unter Mitwirkung mehrerer Gläubiger ein Plan zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufgestellt, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, innerhalb dessen die Gläubiger schrittweise auf Forderungen verzichten, ergibt sich aus diesem Plan ebenfalls, dass nicht allein die Interessen eines Gläubigers für den Schulderlass maßgebend waren (vgl. zur gestuften Sanierung auch Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 3 Nr. 66 EStG Anm. 56). Das FG hat deshalb zu Unrecht allein auf den im Streitjahr erfolgten Forderungsverzicht der X-Bank abgestellt. Es hätte dem Vorbringen der Klägerinnen Bedeutung beimessen müssen, dass der Verzicht im Zusammenhang mit einem Sanierungsplan stand, in dessen Rahmen auch noch spätere Forderungsverzichte durch andere Gläubiger erfolgt sind. Der Sachverhalt ist insoweit nicht vollständig aufgeklärt worden.
Selbst bei einer isolierten Betrachtung des Forderungsverzichts der X-Bank muss von deren Sanierungsabsicht ausgegangen werden, wenn der Sanierungsplan den von den Klägerinnen behaupteten Inhalt hatte. Wird ein Sanierungsplan aufgestellt, der die Ablösung eines alten Kreditgebers durch Beschaffung neuen Fremd- und Eigenkapitals vorsieht, kann der Verzicht des ausscheidenden Kreditgebers auf einen gewichtigen Teil seiner Forderung nur mit der Herstellung der dauerhaften Zahlungsfähigkeit und damit der Sanierung des Unternehmens erklärt werden. Es reicht dabei aus, dass diese Sanierung nur ein Nebenziel des Gläubigers ist, das erreicht werden muss, damit das Kapital zur Ablösung des Restkredits beschafft werden kann.
4. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zum Sanierungsplan nachholen müssen, wenn es nicht bei einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommt, dass schon gar keine Sanierungsbedürftigkeit der GbR vorlag.
Ein Unternehmen ist als sanierungsbedürftig anzusehen, wenn ohne die Sanierung die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden könnte (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122). Wird das Unternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführt, liegt Sanierungsbedürftigkeit nur vor, wenn der erforderliche Finanzbedarf im Zeitpunkt des Schulderlasses auch aus dem Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter nicht gedeckt werden konnte (BFH-Urteile in BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122; vom 22. November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472; vom 20. Februar 1986 IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493, und vom 27. Januar 1998 VIII R 64/96, BFHE 186, 12, BStBl II 1998, 537).
Den Feststellungen der Vorentscheidung lassen sich Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Klägerinnen nicht entnehmen. Das FG wird durch die Zurückverweisung in die Lage versetzt, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Dies gilt auch, soweit trotz der zunächst ermöglichten Fortführung des Unternehmens Zweifel an der Sanierungseignung des Forderungsverzichts bestehen sollten.
Ende der Entscheidung
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