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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.06.2000
Aktenzeichen: IV R 63/99
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 16 | |
EStG § 18 Abs. 3 Satz 1 | |
EStG § 16 Abs. 2 | |
EStG § 16 Abs. 3 | |
EStG § 16 Abs. 4 | |
EStG § 34 Abs. 1 |
Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger ist selbständiger Steuerberater, der seiner Tätigkeit bis zum Streitjahr 1990 in gemieteten Praxisräumen in A nachging, daneben aber seit März 1987 eine kleine Praxis in dem nahe gelegenen B aufgebaut hatte. Der Umsatz aus der gesamten freiberuflichen Tätigkeit des Streitjahrs in Höhe von 120 400 DM entfiel mit 31 000 DM auf die Tätigkeit in B. Im Zuge der Verlegung seiner Praxis von A nach B veräußerte der Kläger mit Vertrag vom 13. August 1990 unter Zurückbehaltung von 14 Mandanten einen Mandantenstamm von 62 Mandanten für 65 000 DM an eine Kollegin. Für den darauf entfallenden Veräußerungsgewinn von 58 198 DM beantragte er in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß §§ 16, 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die von der Veräußerung ausgenommenen Mandate, auf die ein Umsatz von 24 900 DM entfiel, nahm der Kläger zum Teil mit nach B.
Nach einer Betriebsprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die erklärungsgemäß vorläufig ergangene Steuerfestsetzung im Streitpunkt und weiteren mit der Revision nicht weiter verfolgten Begehren (Abzug von Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Berücksichtigung von Vorkosten nach § 10e EStG).
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Veräußerung des Mandantenstamms nicht als begünstigte Teilpraxisveräußerung an, weil weder verschiedene Berufstätigkeiten mit verschiedenen Mandantenkreisen, noch eine einheitliche Praxis mit organisatorisch selbständigen Büros vorgelegen hätten (Senatsurteile vom 27. April 1978 IV R 102/74, BFHE 125, 249, BStBl II 1978, 562, und vom 29. Oktober 1992 IV R 16/91, BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182).
Mit ihrer dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts und tragen vor, im Streitfall hätten eine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit, aber zwei organisatorisch selbständigen Büros mit dazugehörigem Mandantenstamm bestanden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182). In der Rechtsprechung des BFH sei stets betont worden, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden sei, ob ein Betriebsteil die Voraussetzungen eines Teilbetriebs erfülle (BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 120/88, BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55, 57). Dabei sei nicht zu fordern, dass der Teilbetrieb bereits beim Veräußerer eine völlig selbständige Organisation mit eigener Buchführung aufweise, zumal wenn es sich um einen überschaubaren Dienstleistungsbetrieb handele.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter teilweiser Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1990 den Veräußerungsgewinn von 58 198 DM tarifbegünstigt zu besteuern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Im Streitfall hat das FG im Ergebnis zu Recht eine begünstigte Teilpraxisveräußerung verneint.
1. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens (Praxis) oder eines selbständigen Teils des Vermögens (Teilpraxis) erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. In diesem Falle gilt u.a. § 16 Abs. 2 bis 4 EStG entsprechend (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG); der Veräußerungsgewinn wird, soweit er hiernach nicht steuerfrei bleibt, mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG besteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Senats kommt in Fällen, in denen eine sachlich einheitliche Praxis mit gleichartiger Tätigkeit ausgeübt wird, die Annahme einer Teilpraxisveräußerung in Betracht, wenn die Praxis im Rahmen selbständiger Büros mit besonderem Personal, die sich nicht unbedingt an verschiedenen Orten befinden müssen, in voneinander entfernten örtlichen Wirkungsbereichen mit getrennten Kundenkreisen ausgeübt wird (Urteil in BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55, m.w.N.). Eine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung setzt dann die Veräußerung des einen Büros samt den Kundenbeziehungen und die völlige Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit in dem dazugehörigen örtlich abgegrenzten Wirkungsbereich voraus. Die Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit ist deshalb erforderlich, weil es gerade der eigene, von der übrigen Praxis abgegrenzte örtliche Wirkungsbereich ist, der dem organisatorisch selbständigen Büro trotz der sachlich einheitlichen freiberuflichen Praxis das Gepräge einer selbständigen Teilpraxis verleiht (vgl. Senatsurteile in BFHE 125, 249, BStBl II 1978, 562; vom 7. November 1985 IV R 44/83, BFHE 145, 522, BStBl II 1986, 335; vom 5. Februar 1987 IV R 121/83, BFH/NV 1987, 571, und in BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55).
2. a) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob der Kläger seine Tätigkeit in A im Rahmen einer Teilpraxis ausgeübt hat oder ob es erforderlich ist, dass die Teilpraxis bereits bei ihm, dem Kläger als dem Veräußerer, als völlig selbständige Organisation mit gesonderter Buchführung hervorgetreten ist. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er seine Tätigkeit in zwei selbständigen Teilpraxen entfaltet hat, liegen die Voraussetzungen einer begünstigten Teilpraxisveräußerung nicht vor. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG veräußerte nämlich der Kläger in A nur einen Mandantenstamm von 62 Mandanten. Er behielt jedoch 14 Mandanten zurück, die er in die Praxis B überführte. Damit setzte er seine Tätigkeit im bisherigen Wirkungsbereich in nennenswertem Umfang fort, auch wenn diese Mandanten danach von seinem Büro in B betreut wurden. Bei einer Steuerberatungstätigkeit kommt der räumlichen Entfernung zwischen den einzelnen Niederlassungen nicht die gleiche Bedeutung zu wie etwa bei einer Arztpraxis oder einem Einzelhandelsgeschäft.
b) Allerdings steht die Fortführung der bisherigen Tätigkeit einer begünstigten Praxis- oder Teilpraxisveräußerung nach der Rechtsprechung des Senats dann nicht entgegen, wenn dies nur in einem geringen Umfang geschieht (Urteile vom 7. November 1991 IV R 14/90, BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457, und in BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182). In Anlehnung an die im Steuerrecht allgemein anerkannte Geringfügigkeitsgrenze hat der Senat eine Tätigkeit von geringem Umfang in einem Fall angenommen, in dem die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren weniger als 10 v.H. der gesamten Einnahmen ausmachten und in dem die zurückbehaltenen Kundenbeziehungen gegenüber den veräußerten nach sachlichen Gesichtspunkten abgrenzbar waren (Senatsurteil in BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457). Diese Ausnahme von dem Erfordernis der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen hat der Senat später auch auf den Fall übertragen, dass die zurückbehaltenen (geringfügigen) Kundenbeziehungen von den veräußerten nicht getrennt werden können (Senatsurteil in BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) entfiel auf die von der Veräußerung ausgenommenen Mandanten im Streitjahr ein Umsatz von 24 900 DM. Dies entsprach mehr als einem Fünftel des gesamten und mehr als einem Viertel des auf die Tätigkeit in A entfallenden Umsatzes. Auch die Anzahl der 14 zurückbehaltenen Mandanten im Verhältnis zu dem veräußerten Mandantenstamm von 62 Mandanten spricht gegen die Annahme, der Kläger habe nur eine Tätigkeit in geringem Umfang fortgeführt.
Zwar hat das FG im Streitfall keine Feststellungen zum Umfang der auf die zurückbehaltenen Mandate entfallenden Umsätze der letzten drei Jahre getroffen. Diese Durchschnittsbetrachtung hat der Senat in den beiden genannten Entscheidungen (in BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457, und in BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182) aufgestellt, um Zufallsergebnisse möglichst auszuschließen. Im Streitfall sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die darauf schließen ließen, dass die auf die zurückbehaltenen Mandanten entfallende Tätigkeit in den der Veräußerung vorangegangenen Kalenderjahren einen geringeren Umfang als im Veräußerungsjahr hatte.
Ende der Entscheidung
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