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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: IV R 70/02
Rechtsgebiete: EStG, HGB
Vorschriften:
EStG § 15a Abs. 1 | |
HGB § 107 | |
HGB § 143 Abs. 2 | |
HGB § 162 Abs. 3 |
2. Wird der Beschluss vor Ende des Wirtschaftsjahrs zivilrechtlich wirksam gefasst, unterliegen die dem Gesellschafter zuzurechnenden Verlustanteile dieses Wirtschaftsjahrs nicht der Ausgleichsbeschränkung des § 15a EStG, auch wenn der Antrag auf Eintragung ins Handelsregister erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs gestellt wird.
Gründe:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Kommanditist der 1989 gegründeten A-GmbH & Co. KG (KG) mit einer Einlage von 1 000 DM sowie alleiniger Anteilseigner der Komplementär-GmbH (GmbH) und deren Geschäftsführer. Erstmals im mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr 1996 (Streitjahr) erzielte die KG Verluste. Im Oktober 1996 teilte der Kläger dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) für Zwecke der Vorauszahlungen mit, es sei mit einem Verlust von mindestens 500 000 DM zu rechnen. Tatsächlich belief sich der Verlust am Jahresende auf 846 049 DM. Das FA stellte durch einen mit dem Gewinnfeststellungsbescheid verbundenen Bescheid gemäß § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Kläger einen verrechenbaren Verlust von 796 875 DM fest.
In einem "Protokoll der Gesellschafterversammlung am 17.12.1996", vom Kläger als Kommanditist, Komplementär und Geschäftsführer der GmbH unterzeichnet, heißt es:
"Aufgrund der von unserem Steuerberater angefertigten vorläufigen Gewinn- u. Verlustrechnung zum 31.12.1996 (Basis war die Summen- und Saldenliste zum 30.11.1996) ergibt sich ein deutlicher Verlust, der zur bilanziellen Überschuldung der ... (KG) zum 31.12.1996 führt. Um diese zu beseitigen und damit den Konkurs zu vermeiden, scheidet Herr ... (Kläger) mit sofortiger Wirkung als Kommanditist aus und tritt als Komplementär in die ... (KG) ein. Gleichzeitig scheidet die bisherige Komplementärin ... als persönlich haftende Gesellschafterin aus der Gesellschaft aus und tritt als Kommanditistin mit einer Kommanditeinlage von DM 1.000,00 in die Gesellschaft ein."
Die Anmeldung dieser Änderung der Gesellschafterstellung ging am 30. Januar 1997 beim Registergericht ein, eingetragen wurde die Änderung im Februar 1997. Zuvor war das Protokoll bzw. dessen Inhalt nach außen hin nicht bekannt gegeben worden.
In einer Akten-/Gesprächsnotiz vom 15. Januar 1997 hielt der zuständige Bearbeiter des FA fest, der Kläger habe einen telefonischen Antrag auf Stundung der Einkommensteuer-Rückstände 1994 in Höhe von rund 429 000 DM bis Ende des Jahres 1997 damit begründet, dass eine erhoffte Steuerrückerstattung von ca. 300 000 DM ausbleibe. Dies habe der steuerliche Berater im Rahmen eines ergänzenden Rückrufs bestätigt und gesagt, dass "§ 15a EStG greife, so dass keine Abzugsmöglichkeit bestehe".
Mit Schreiben vom 23. Januar 1997 an die Stundungs- und Erlassstelle des FA bat der Kläger um "Stundung bis 31.11.97". Er legte dar, dass sich laut Mitteilung seines Steuerberaters durch die bereits erstellte Bilanz die zu zahlende Steuer auf 80 000 bis 100 000 DM reduzieren werde, dass die persönliche Haftung der KG von ihm voll übernommen worden sei, dass jedoch auch privat bei ihm keine Gelder mehr vorhanden seien.
Am 3. Februar 1997 ging beim FA die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für das Kalenderjahr 1996 ein, der der (vom Steuerberater mit Datum 15. Januar 1997, vom Kläger mit Datum 20. Januar 1997 unterschriebene) Bericht zum Jahresabschluss per 31. Dezember 1996 beigefügt war. Ausweislich der Erklärung sollte der gesamte Verlust dem Kläger zugerechnet werden.
Zwischenzeitlich ist die KG aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden.
Nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlustes machte der Kläger mit der Klage geltend, die auf ihn entfallenden Verlustanteile des Streitjahres 1996 seien ausgleichsfähig. Denn der Wechsel in die Stellung des Komplementärs sei mit dem Gesellschafterbeschluss vom 17. Dezember 1996 wirksam geworden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Gesellschafterbeschluss sei ungeachtet der zivilrechtlich nur deklaratorischen Wirkung der Eintragung ins Handelsregister bis zum 31. Dezember 1996 mangels einer Erkennbarkeit nach außen steuerrechtlich nicht wirksam geworden. Außerdem sei zweifelhaft, ob der Beschluss tatsächlich am 17. Dezember 1996 gefasst worden sei. Die Entscheidungsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 299 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger, das FG habe dem zivilrechtlich unmittelbar mit Gesellschafterbeschluss wirksam gewordenen Wechsel vom Kommanditisten zum Komplementär zu Unrecht keine steuerliche Wirkung beigemessen.
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht für eine abschließende Beurteilung der Frage aus, ob die dem Kläger zuzurechnenden Verluste der KG im Streitjahr 1996 einer Ausgleichsbeschränkung nach § 15a EStG unterliegen.
1. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.
a) Die Vorschrift enthält keine ausdrückliche Aussage dazu, auf welchen Zeitpunkt die Tatbestandsmerkmale des Entstehens oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontos des Kommanditisten durch die ihm zuzurechnenden Anteile am Verlust der KG zu prüfen sind. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) aber mit Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 81/02 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den weiteren Bestimmungen des § 15a EStG, dass die Vorschrift mit Rücksicht auf die Voraussetzung der Kommanditistenstellung an die Verhältnisse am Ende des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung anknüpft. Für einen Gesellschafter, der am Bilanzstichtag nicht die Stellung eines Kommanditisten oder eines mit einem Kommanditisten i.S. des § 15a Abs. 5 EStG vergleichbaren Gesellschafters hat, greift deshalb die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 EStG für das betreffende Jahr nicht ein. Der auf ihn entfallende Verlustanteil des gesamten Wirtschaftsjahrs ist nach den allgemeinen Regeln des EStG ausgleichsfähig.
b) Daraus hat der BFH für den Wechsel der Gesellschafterstellung im Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 81/02 gefolgert: Wer von der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter in die Stellung eines Kommanditisten wechselt, unterliegt ungeachtet seiner handelsrechtlichen Nachhaftung gemäß § 160 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) mit dem gesamten Verlustanteil für das Wirtschaftsjahr des Wechsels der Verlustausgleichsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 EStG. Umgekehrt sind für den Gesellschafter, der von der Stellung als Kommanditist in die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter wechselt, sämtliche Anteile am Verlust des Wirtschaftsjahrs, in dem der Beteiligungswechsel stattgefunden hat, ausgleichsfähig. Das ist auch die Auffassung der Finanzverwaltung (R 138d Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--). Eine "Umpolung" bereits früher entstandener verrechenbarer Verluste in ausgleichsfähige Verluste folgt aus einem solchen Beteiligungswechsel allerdings nicht (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 38/02, BFHE 203, 477).
c) Nach diesen Grundsätzen wären die Verlustanteile des Klägers nicht der Ausgleichsbeschränkung des § 15a EStG unterworfen, wenn er vor dem Bilanzstichtag des Streitjahres in die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter gewechselt wäre. Verrechenbare Verluste wären für den Kläger mithin nicht festzustellen, so dass der angefochtene Feststellungsbescheid ersatzlos aufgehoben werden müsste. Von dieser Rechtslage ist auch das FG zu Recht ausgegangen.
2. Dem FG ist aber nicht darin beizupflichten, dass ein Wechsel in die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter mit steuerrechtlicher Wirksamkeit nicht stattgefunden hat, weil der Wechsel nicht vor dem Bilanzstichtag nach außen erkennbar gemacht worden ist. Eine spezielle steuerrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beteiligungswechsel gibt es nicht.
a) Das FG geht zutreffend davon aus, dass handelsrechtlich der Beteiligungswechsel bereits mit dem Gesellschafterbeschluss wirksam wird. Die nach §§ 107, 143, 162 HGB erforderliche Eintragung in das Handelsregister ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beteiligungswechsel (Hüffer in Staub, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 1995, § 8 Rdnr. 79; Ulmer in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, § 105 Rdnr. 313; Schlegelberger/Martens, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 1986, § 162 Anm. 25; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl. 2003, § 143 Rn. 5).
Der Umstand, dass die KG eine sog. Ein-Mann-Gesellschaft ist, hat für die Frage der Wirksamkeit des Beteiligungswechsels nur insoweit Bedeutung, als geprüft werden muss, ob der alleinige Kommanditist und Gesellschafter-Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für Insichgeschäfte befreit ist. Sind die Beschränkungen durch den Gesellschaftsvertrag aufgehoben, wird der Beteiligungswechsel auch im Fall einer Ein-Mann-Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Gesellschafter handelsrechtlich wirksam. Dies ist auch für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend.
b) § 15a Abs. 1 EStG knüpft an die handelsrechtliche Stellung als Kommanditist an. Deshalb ist die nach den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts wirksame Begründung einer Stellung als persönlich haftender Gesellschafter ebenfalls für den Anwendungsbereich des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblich. Das gilt auch beim Wechsel von der Stellung eines Kommanditisten zum persönlich haftenden Gesellschafter.
Eine besondere Anforderung an die Publizität des Wechsels ergibt sich weder aus dem EStG noch aus anderen Gesetzen. Insbesondere kann nicht aus § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG entnommen werden, der Wechsel vom Kommanditisten zum persönlich haftenden Gesellschafter bedürfe einer besonderen öffentlichen Bemerkbarkeit (a.A. Braun, EFG 2003, 302). Zweck des § 15a EStG ist es, dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit zu gewähren, als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird. Die Belastung kann insoweit nicht über den Betrag hinausgehen, mit dem der Kommanditist im Innenverhältnis für Schulden der Gesellschaft haftet. § 15a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG erweitert das Potenzial für ausgleichsfähige Verluste eines Kommanditisten allerdings über den Betrag seiner im Innenverhältnis bestehenden Haftung für Gesellschaftsschulden hinaus, soweit der Kommanditist im Außenverhältnis persönlich haftet, weil er seine Hafteinlage noch nicht vollständig erbracht hat. Die Hafteinlage wird durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 HGB). Insoweit ist die Publizität mithin handelsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung, an die § 15a EStG anknüpft, nicht aber eine eigenständige steuerrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung.
Im Streitfall hat der Kläger danach rechtzeitig vor dem Bilanzstichtag die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters eingenommen und damit die Verlustausgleichsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG aufgehoben, wenn er den Beschluss über den Beteiligungswechsel tatsächlich am 17. Dezember 1996 gefasst hat.
3. Wann ein Gesellschafterbeschluss gefasst worden ist, ist Tatfrage. Die diesbezüglichen Feststellungen sind nach allgemeinen Grundsätzen zu treffen. Entgegen der Auffassung des FG kommt als Beweismittel für den Zeitpunkt des Beschlusses auch der Zeugenbeweis in Betracht. Kann das Tatgericht auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht die Überzeugung gewinnen, dass der behauptete Zeitpunkt der Beschlussfassung zutrifft, ist der Rechtsstreit zu Lasten des Klägers zu entscheiden, wenn dieser aus dem behaupteten Gesellschafterbeschluss steuerliche Vorteile hätte. So verhält es sich im Streitfall, weil nur bei einem Beteiligungswechsel vor dem Bilanzstichtag die bis dahin geltende Verlustausgleichsbeschränkung aufgehoben worden wäre.
4. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung, der Beteiligungswechsel bedürfe für seine steuerliche Wirksamkeit einer besonderen Publizität, von einer weiter gehenden Tatsachenfeststellung in Bezug auf den Zeitpunkt des Gesellschafterbeschlusses abgesehen. Durch Zurückverweisung des Verfahrens erhält das FG deshalb Gelegenheit, die auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen noch notwendigen Feststellungen nachzuholen.
Ende der Entscheidung
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