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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: IV R 71/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 120 Abs. 2 Satz 1
FGO § 56
FGO § 56 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Erlass der Einkommensteuer 1974 und 1977 bis 1988 sowie verschiedener Nebenabgaben mit Urteil vom 27. November 2002 ab. Das Urteil wurde dem Kläger am 5. Dezember 2002 zugestellt. Am 16. Dezember 2002 ging die Revision und am 18. Februar 2003 die Revisionsbegründung beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. In der Revisionsbegründungsschrift teilte der Unterzeichner X einleitend mit, dass er als der allein zuständige Sachbearbeiter infolge eines am 2. Februar 2003 erlittenen Skiunfalls weder transport- noch arbeitsfähig gewesen sei.

Am 25. Februar 2003 reichte der Kläger einen Arztbrief des Klinikums ... vom 7. Februar 2003 sowie eine schriftliche Bestätigung einer Frau Y vom 24. Februar 2003 nach, wonach sich X nach seinem Klinikaufenthalt vom 7. Februar 2003 an bei ihr, Y, zur Pflege aufgehalten habe, bis sie ihn am Wochenende vom 15./16. Februar 2003 nach ... habe transportieren können. Mit Schriftsatz vom 8. April 2003 trägt der Kläger noch vor, die Bestellung eines Vertreters von X sei nicht möglich gewesen, weil dieser die Büroräume in der A-Straße 34 allein nutze, während das Hauptbüro in der B-Straße 19 residiere. Ein Schlüssel für X's Büroräume sei dort nicht hinterlegt. Doch wäre auch eine Einarbeitung in die Sache nicht möglich gewesen, weil X der einzige Jurist der Prozessbevollmächtigten sei. Die Richtigkeit dieses Vortrages hat X mit Erklärung vom 8. April 2003 eidesstattlich versichert.

In der Sache verfolgt der Kläger sein Erlassbegehren weiter. Er hat sich insoweit auf den beim FG gestellten Antrag bezogen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Die Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Werden diese Fristen versäumt, ist die Revision unzulässig. Dies gilt nicht, wenn dem Revisionsführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO zu gewähren ist.

Das vollständige Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 5. Dezember 2002 zugestellt worden. Da die Revisionsschrift am 16. Dezember 2002 beim BFH eingegangen ist, ist die Frist zur Einlegung der Revision gewahrt. Doch gilt das nicht für die Frist zur Begründung der Revision. Diese endete mit Ablauf des 5. Februar 2003 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Die Revisionsbegründung ist jedoch erst am 18. Februar 2003 und damit verspätet eingegangen.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine Heilung der Fristversäumnis nach § 56 FGO nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb der im Streitfall noch geltenden Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 1999 X R 102/98, BFH/NV 1999, 1221, und vom 26. Oktober 1998 I B 56/98, BFH/NV 1999, 509, jeweils m.w.N.). Es müssen die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen mitgeteilt werden. Erforderlich ist eine vollständige Darstellung der Ereignisse, die zur Fristversäumung geführt haben und die die unverschuldete Säumnis belegen sollen, soweit sie nicht gerichtsbekannt oder offenkundig sind (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546, 548, m.w.N.).

Daran fehlt es im Streitfall. Klägerseits wurde in der Revisionsbegründungsschrift nicht einmal ausgeführt, wann der angeblich allein zuständige Sachbearbeiter die Revisionsbegründung hätte fertigen sollen und welche Vertretungsregelung innerhalb der vom Kläger mit der Prozessführung beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für den Fall bestanden hat, dass dieser Sachbearbeiter unmittelbar vor Ablauf einer gesetzlichen Frist krankheits- oder unfallbedingt ausfallen sollte. Unverschuldet ist die Fristversäumnis nach dem klägerischen Vorbringen schon deshalb nicht, weil die Prozessbevollmächtigte mangels einer Zugangsmöglichkeit zu den Büroräumen in der A-Straße 34 keine wirksame Vorsorge dafür getroffen hatte, dass ein anderer Sachbearbeiter die von dem hier tätig gewordenen X bearbeiteten Akten einsehen und ggf. zumindest einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO) stellen konnte (BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2002 II R 60/01, BFH/NV 2003, 482; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Juni 2003 IV B 27/02, BFH/NV 2003, 1438). Gerade wenn der Sachbearbeiter X der einzige Jurist der Prozessbevollmächtigten ist, hätte er vor seinem Urlaub für die Zeit seiner Abwesenheit für einen zeichnungs- und postulationsfähigen Vertreter sorgen müssen (BFH-Beschluss vom 23. August 1996 IV B 123/95, BFH/NV 1997, 141, m.w.N.).

Unter diesen Umständen kommt es nicht einmal darauf an, ob X --wie das FA meint-- bereits am 4. Februar 2003 so weit wieder arbeitsfähig gewesen ist, dass er selbst einen Fristverlängerungsantrag hätte stellen können (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2002 IX R 47/02, BFH/NV 2003, 78).



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