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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: IV R 73/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
1. Aufgrund seiner besonderen Zweckbestimmung ist der zur Urproduktion eingesetzte Grund und Boden stets Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Ein Land- und Forstwirt veräußert daher Grundvermögen grundsätzlich als reinvestitionsbegünstigtes Anlagevermögen, solange er nicht einen gewerblichen Grundstückshandel eröffnet.

2. Eine Zwangsumgliederung landwirtschaftlich genutzten Grund und Bodens vom Anlage- zum Umlaufvermögen kann auch nach Einstellung der aktiven Bewirtschaftung der betreffenden Flächen nicht durch bloßen Zeitablauf erfolgen.


Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist buchführender Landwirt mit einem Betrieb von 21,52 ha. Ein Teil der Flächen fiel in einen Bebauungsplan, den die Stadt X 1983 ohne Bauverpflichtung aufgestellt und gegen den sich der Kläger, wie andere Eigentümer, erfolglos gewehrt hatte. Im Rahmen eines 1989 eingeleiteten Umlegungsverfahrens wurden dem Kläger dann 8 Grundstücke zugeteilt, die teilweise den von ihm eingebrachten Flächen entsprachen und gleichfalls in den Bebauungsplan fielen. Nach der Getreideernte im August 1990 stellte der Kläger die landwirtschaftliche Nutzung dieser Flächen ein, die im Herbst gleichen Jahres parzelliert und ab Frühjahr 1991 durch die Stadt X erschlossen wurden. Von Dezember 1990 bis Oktober 1991 veräußerte der Kläger 7 der 8 Grundstücke und erzielte daraus einen Gewinn von 660 625,88 DM, den er in seinen Abschlüssen für die Wirtschaftsjahre 1990/91 und 1991/92 Reinvestitionsrücklagen nach § 6b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuführte. Diese Rücklagen wurden in den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 zum größten Teil auf die Herstellungskosten eines Zweifamilienhauses übertragen, das der Kläger auf dem achten, von ihm zurückbehaltenen Grundstück aus dem Umlegungsverfahren errichtet hatte. Ein weiterer Teil der Rücklagen wurde auf die Anschaffungskosten eines Schleppers übertragen.

Nach einer Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Anerkennung der Reinvestitionsrücklagen in dem vom Kläger begehrten Umfang und änderte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre (1990 bis 1992). Das FA sah nur die in den 6 Monaten nach Einstellung der Bewirtschaftung erzielten Veräußerungsgewinne für 3 Grundstücke in Höhe von 259 612,82 DM als begünstigt an und erfasste die übrigen Gewinne mit der Begründung als laufenden Gewinn, der Kläger habe Umlaufvermögen veräußert.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 208 veröffentlicht.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer antragsgemäß herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die angefochtenen Steuerbescheide sind zu ändern (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zu Unrecht sind FA und FG davon ausgegangen, dass die vom Kläger nach dem 1. März 1991 veräußerten Grundstücke als Umlaufvermögen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs von der Reinvestitionsvergünstigung ausgeschlossen seien.

a) Nach § 6b Abs. 1 und 3 EStG kann ein Steuerpflichtiger mit dem Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden, der bei der Veräußerung mindestens 6 Jahre zum Anlagevermögen gehört hat (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG), eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden. Danach ist die Veräußerung von Umlaufvermögen nicht begünstigt.

Anlagevermögen sind die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches --HGB--). Zum Umlaufvermögen gehören demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter (ständige Rechtsprechung; aus jüngerer Zeit Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Mai 1998 X R 80/94, BFH/NV 1999, 359, und zum Investitionszulagenrecht: BFH-Urteil vom 30. April 1998 III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372, jeweils m.w.N.; Schnicke/Reichmann in Beck'scher Bilanzkommentar, 3. Aufl. 1995, § 247 HGB Rz. 352, m.w.N.). Dabei kommt es auf die Zweckbestimmung an, mit der ein Wirtschaftsgut im Betrieb eingesetzt wird, die sich einmal aus der Sache selbst ergibt und zum anderen vom Willen des Kaufmanns abhängt (BFH-Urteil vom 26. November 1974 VIII R 61-62/73, BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352).

b) Nach diesen Grundsätzen verliert ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens seine Zugehörigkeit hierzu nicht allein dadurch, dass es verkauft werden soll (Senatsurteil vom 3. September 1959 IV 119/58 U, BFHE 69, 431, BStBl III 1959, 423); denn dadurch muss sich seine Zweckbestimmung nicht unbedingt ändern (BFH-Urteil in BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352). Daher hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Parzellierung und Veräußerung unbebauter Grundstücke --jedenfalls soweit es sich um ererbten oder schon lange Zeit im Eigentum des Veräußerers stehenden Grundbesitz handelt-- nicht als gewerbliche Betätigung beurteilt, wenn sich der Veräußerer im Wesentlichen auf eine bloße Verkaufstätigkeit beschränkt, ohne die Flächen selbst als Bauland aufzubereiten und zu erschließen oder zumindest bei der Aufbereitung und Erschließung aktiv mitzuwirken oder hierauf Einfluss zu nehmen (s. nur Senatsurteile vom 13. März 1969 IV R 132/68, BFHE 95, 488, BStBl II 1969, 483; vom 23. Juni 1977 IV R 81/73, BFHE 122, 505, BStBl II 1977, 721, und vom 5. Oktober 1989 IV R 35/88, BFH/NV 1991, 317, jeweils m.w.N.).

Diese Auffassung wird auch von der Finanzverwaltung geteilt. In seinem Schreiben vom 29. Oktober 1979 (BStBl I 1979, 639) hat der Bundesminister der Finanzen (BMF) klargestellt, dass "die Parzellierung von zum Anlagevermögen gehörendem Grund und Boden in Fällen, in denen der Grund und Boden bis zur Veräußerung wie bisher genutzt wird", nicht dazu führt, "daß die parzellierten Flächen ihren Charakter als Anlagevermögen verlieren und Umlaufvermögen werden, auch wenn die Parzellierung in Veräußerungsabsicht erfolgt". In diesen Fällen sei "deshalb davon auszugehen, daß die parzellierten Flächen auch im Zeitpunkt der Veräußerung zum Anlagevermögen gehören. Das gilt auch, wenn es sich um Grundstücke handelt, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören".

2. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG gehörten die veräußerten Flächen mehr als 6 Jahre zum Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers, so dass allein zu entscheiden ist, ob sie dazu auch noch im Zeitpunkt der Veräußerung gehörten. In seiner, den gewerblichen Grundstückshandel von Landwirten betreffenden Entscheidung vom 5. Oktober 1989 IV R 35/88 (BFH/NV 1991, 317) hat der erkennende Senat unter Bezugnahme auf das zitierte BMF-Schreiben (BStBl I 1979, 639) die Frage offen gelassen, ob die bislang landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Anlagevermögen geblieben wären, wenn sie zuletzt noch landwirtschaftlich genutzt worden wären und der Verkäufer sich auf die bloße Parzellierung beschränkt hätte. Diese Frage bejaht der Senat nunmehr im Streitfall aus folgenden Gründen:

Kommt es nach den genannten Grundsätzen für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Anlage- oder Umlaufvermögen wesentlich auf die Zweckbestimmung an, mit der dieses im Betrieb eingesetzt wird, so ist die Zugehörigkeit der Ackerflächen zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs von besonderer Bedeutung. Diese Flächen sind die eigentliche Grundlage der Urproduktion, die das Wesen landwirtschaftlicher Betätigung ausmacht (s. etwa Leingärtner, Finanz-Rundschau --FR-- 1970, 441, 445; Leimer, Bodengewinnbesteuerung-Verfassungsfragen der Bodengewinnbesteuerung in der Land- und Forstwirtschaft, Münster 1985, S. 116, 221). Reicht aber weder die Absicht, ein zum Anlagevermögen gehörendes Wirtschaftsgut zu veräußern, allein aus, um es dem Umlaufvermögen zuzurechnen (Senatsurteil in BFHE 69, 431, BStBl III 1959, 423), noch eine Parzellierung, um eine Änderung in der Zuordnung von Grund und Boden zum Betriebs- oder Privatvermögen zu bewirken, so veräußert der Landwirt, der keine weitergehenden Aktivitäten entfaltet, Anlagevermögen. Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, sind landwirtschaftlich genutzte Flächen von der Sache her nicht geeignet, Umlaufvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu sein. Eine zwangsweise Umgliederung von Ackerflächen zum Umlaufvermögen ist erst dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels vorliegen.

Da der Übergang zur Brachlage nach der Rechtsprechung des Senats keine Nutzungsänderung mit steuerlicher Wirkung zur Folge hat (Urteil vom 7. November 1996 IV R 69/95, BFHE 182, 56, BStBl II 1997, 245, zu 3. der Entscheidungsgründe), können weder aus dem Abernten dieser Flächen noch aus dem Verzicht auf eine Neueinsaat Folgerungen für die Zuordnung dieser Grundstücke zum Anlage- oder Umlaufvermögen gezogen werden. Die Vorentscheidung selbst ist von einer frühzeitigen Veräußerungsabsicht des Klägers ausgegangen, die für die Veräußerung der ersten 3 Grundstücke als unbeachtlich angesehen wurde, nach Ablauf von 6 Monaten aber die Zwangsumgliederung der Flächen in das Umlaufvermögen bewirken sollte. Darin sieht der Senat einen gewissen Widerspruch, der auch nicht dadurch aufgelöst wird, dass das FG zum Frühjahr 1991 einen (zu beachtenden) Veräußerungswillen des Klägers unterstellt, der zweifellos bereits bei Durchführung des Umlegungsverfahrens vorhanden war.

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einkommensteuer für die Streitjahre ist antragsgemäß niedriger festzusetzen. Die Steuerberechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

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