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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.05.1984
Aktenzeichen: IV R 75/80
Rechtsgebiete: GWB, OWiG, FGO, ZPO


Vorschriften:

GWB § 38
OWiG § 30
FGO § 11 Abs. 5 Satz 2
FGO § 11 Abs. 3
FGO § 155
ZPO § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, betreibt ein ...unternehmen. Wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen verhängte das Bundeskartellamt gegen sie als sogenannte Nebenbetroffene gemäß § 38 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) im Februar 1975 ein Bußgeld; das Verfahren war bereits im Jahre 1974 eingeleitet worden. Bei der Bemessung der Geldbuße wurde auch der durch die Zuwiderhandlung erzielte Mehrerlös berücksichtigt. In Verhandlungen mit dem Bundeskartellamt war Einigung erzielt worden, daß wegen der Übertretung des GWB ein Bußgeld von ... DM verwirkt sei und daß der Mehrerlös mit ... DM angenommen werden könne. Hieraus wurde alsdann eine Buße von ... DM festgesetzt. Die Klägerin bildete in ihrer Jahresabschlußbilanz zum 31.Dezember 1974 eine Rückstellung in Höhe von ... DM. Nach einer Außenprüfung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Geldbuße nicht zum Abzug zu. Mit ihrer Klage zum Finanzgericht (FG) begehrte die Klägerin noch den Abzug von ... DM als Betriebsausgabe, weil insoweit durch die Geldbuße ein Mehrerlös abgeschöpft worden sei, der früher den Gewinn erhöht, habe. Das FG gab der Klage statt. Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in der Vergangenheit den Abzug von Geldstrafen und Geldbußen als Betriebsausgaben abgelehnt; er hat in der Einziehung von Gegenständen und der Abführung des Mehrerlöses nach dem Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) jedoch Betriebsausgaben gesehen. Ob danach auch der vom FG bezeichnete Betrag abzugsfähig gewesen wäre, kann dahinstehen. Inzwischen hat nämlich der Große Senat des BFH durch Beschluß vom 21.November 1983 GrS 2/82 (BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160) entschieden, daß Geldbußen ganz allgemein als Betriebsausgaben abzugsfähig seien, wenn sie aufgrund von Zuwiderhandlungen verhängt werden, die im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidung des Großen Senats Bezug genommen.

Diese Entscheidung ist im Ergebnis auch für den erkennenden Senat verbindlich. Nach § 11 Abs.5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) besteht die Bindung an sich nur in der dem Großen Senat vorgelegten und von ihm entschiedenen Rechtssache, so daß die Rechtsfrage in einem anderen Verfahren gemäß § 11 Abs.3 FGO wiederum dem Großen Senat vorgelegt werden könnte. Der Große Senat hat jedoch auch entschieden, daß eine solche erneute Vorlage nur zulässig ist, wenn in der Zwischenzeit neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind, die bei der ursprünglichen Entscheidung des Großen Senats nicht berücksichtigt werden konnten, und/oder neue Rechtserkenntnisse eine andere Beurteilung der entschiedenen Rechtsfrage rechtfertigen können (Beschluß vom 18.Januar 1971 GrS 4/70, BFHE 101, 13, BStBl II 1971, 207). Der Große Senat hat in seiner Entscheidung die Argumente, die gegen einen Abzug der Geldbußen als Betriebsausgaben sprechen können, umfassend gewürdigt; neue rechtliche Gesichtspunkte oder Rechtserkenntnisse, die eine erneute Befassung des Großen Senats rechtfertigen könnten, ergeben sich aus den Darlegungen des FA und des BMF nicht.

Dem in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter des FA gestellten Antrag, das Verfahren vor dem BFH zu vertagen, konnte nicht entsprochen werden. Der Vertreter des FA hat zur Begründung seines Antrags auf den Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BRDrucks 117/84) verwiesen, der ein Abzugsverbot von Geldbußen in allen Fällen vorsieht, das sich auch auf vor Inkrafttreten des Gesetzes verhängte Sanktionen beziehen soll. Darin liegt jedoch kein erheblicher Grund, der nach § 155 FGO, § 227 der Zivilprozeßordnung die Vertagung der Verhandlung rechtfertigen könnte. Die Vertagung wäre angebracht gewesen, wenn sich in einem neuen Termin der Zweck der mündlichen Verhandlung, nämlich die Darlegung und Erörterung des Prozeßstoffes, besser erreichen ließe. Dies ist nicht der Fall. Auch als Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (§ 74 FGO) kann das Verlangen keinen Erfolg haben. Die Möglichkeit einer Rechtsänderung ist kein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 74 Anm.5, mit Literaturnachweisen).



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