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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.09.1998
Aktenzeichen: IV R 80/96
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 (jetzt Abs. 5 Satz 1 Nr. 2)
EStG § 4 Abs. 1
HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz
BUNDESFINANZHOF

1. Der Gewinn aus Verträgen über mehrmonatigen Unterricht zur Vorbereitung auf ein Berufsexamen wird zeitanteilig und nicht erst mit Abschluß der Schulung realisiert.

2. Sind von den Teilnehmern Honorare für nach dem Bilanzstichtag zu erbringende Unterrichtseinheiten vorauszuleisten, ist für die anteilig auf folgende Wirtschaftsjahre entfallenden Honorare ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

EStG § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 (jetzt Abs. 5 Satz 1 Nr. 2), § 4 Abs. 1 HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz

Urteil vom 10. September 1998 - IV R 80/96 -

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 210)


Gründe

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Fachschule zur Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet des Steuerrechts. U.a. werden Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Prüfung für Steuerberater, Bilanzbuchhalter, Steuerfachassistenten und Steuerfachgehilfen angeboten, die in der Regel mehrere Monate dauern. Das Lehrgangshonorar kann in gleichen Monatsraten während des Lehrgangs oder unter Gewährung eines Barzahlungsrabatts zu Beginn des Lehrgangs gezahlt werden. Zum Bilanzstichtag 31. Dezember ist jeweils eine Vielzahl von Lehrgängen nicht beendet.

In seiner Bilanz auf den 31. Dezember 1989 erfaßte der Kläger die noch nicht abgeschlossenen Lehrgänge als teilerbrachte Leistungen, weil er davon ausging, insoweit sei eine Gewinnrealisierung noch nicht eingetreten. Die teilfertigen Leistungen bewertete er mit den Lehrerhonoraren und anteiligen Gemeinkosten als Herstellungskosten.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, hinsichtlich der am Bilanzstichtag teilerbrachten Lehrgangsleistungen sei Gewinnrealisierung eingetreten. Er erhöhte den Gewinn diesbezüglich und erließ einen entsprechend geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit für das Streitjahr 1989.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 210) im wesentlichen aus, die Honoraransprüche des Klägers seien, soweit die Unterrichtsleistung bis zum Bilanzstichtag erbracht gewesen sei, so gut wie sicher gewesen und hätten deshalb zur Gewinnrealisierung geführt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG ist zwar zu Recht von einer Realisierung der auf abgelaufene Lehrgangszeiten entfallenden Gewinne ausgegangen. Die getroffenen Feststellungen lassen aber nicht erkennen, ob auf noch nicht abgeschlossene Lehrgangsteile entfallende Honorare des Klägers zutreffend bilanziert worden sind.

1. Nach dem jetzt in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuches (HGB) ausdrücklich geregelten Realisationsprinzip sind Gewinne nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind. Dieses Prinzip gehört zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung, die nicht nur im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung von buchführungspflichtigen Kaufleuten nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern auch bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu beachten sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227). Es findet deshalb auch für die Gewinnermittlung des Klägers als bilanzierenden Freiberufler Anwendung.

Ein Gewinn ist in diesem Sinn realisiert, wenn bei gegenseitigen Verträgen der Leistungsverpflichtete die vereinbarte Leistung "wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung --von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen-- so gut wie sicher ist (BFH-Urteil vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786, m.w.N.). Bei Schuldverhältnissen, die zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen begründen, ist hinsichtlich der Gewinnrealisierung danach zu unterscheiden, ob die Dauerhaftigkeit der Leistung selbst anhaftet oder nur den zeitlichen Rahmen für einzelne Leistungen bildet. Im letztgenannten Fall (z.B. bei Sukzessivlieferungen und Wiederkehrschuldverhältnissen) tritt die Realisierung bei Erfüllung jeder einzelnen Leistung ein. Schuldverhältnisse, bei denen die geschuldete Leistung selbst zeitraumbezogen ist, führen demgegenüber zu einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung, wenn für den gesamten Zeitraum eine qualitativ gleichbleibende Dauerverpflichtung besteht (BFH-Urteil vom 20. Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist davon auszugehen, daß für die vom Kläger erbrachten Lehrgangsleistungen Gewinnrealisierung zeitanteilig mit jedem Unterrichtstag eintritt.

a) Der Kläger schuldet nicht einen bestimmten Erfolg, bei dessen Erreichen erst eine Gewinnrealisierung angenommen werden könnte. Es liegt auf der Hand, daß der Kläger keine Garantie für das Bestehen der Prüfung, auf die mit dem Lehrgang vorbereitet werden soll, übernommen hat. Dieser Erfolg wird zwar vom Lehrgangsteilnehmer erhofft, ist aber nicht Vertragsgegenstand. Der vorliegende Unterrichtsvertrag ist deshalb als Dienstvertrag (§ 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) und nicht als Werkvertrag anzusehen, wie überhaupt Unterrichtsverträge im Regelfall als Dienstverträge behandelt werden (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtshofes vom 8. März 1984 IX ZR 144/83, BGHZ 90, 280, und vom 4. November 1992 VIII ZR 235/91, BGHZ 120, 108; Heinbuch in Gilles/Heinbuch/Gounalakis, Handbuch des Unterrichtsrechts, München 1988, Rz. 246; Hanau in Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl. 1993, § 611 Rz. 45).

b) Die dienstvertraglichen Leistungen sind während der gesamten Lehrgangsdauer nach Auffassung des Senats im wesentlichen qualitativ gleichartig zu erbringen. Aus dem mit den Lehrgangsteilnehmern geschlossenen Vertrag ist der Kläger verpflichtet, während der vereinbarten Lehrgangszeit an den festgelegten Wochentagen Unterricht zu erteilen bzw. erteilen zu lassen, wobei zum Leistungsumfang auch die Nebenleistungen wie Aushändigung von Begleitmaterial, Ausgabe und Korrektur von Klausuren etc. gehören. Daß die Nebenleistungen entsprechend dem vom Kläger zu gestaltenden Unterrichtsplan nicht an jedem Unterrichtstag in gleicher Weise anfallen, berührt die qualitative Gleichartigkeit der Leistungen nicht. Es liegt in der Natur derartiger Unterrichtsleistungen, daß entsprechend dem Lernfortschritt weiterführende Unterrichtsmaterialien eingesetzt und Leistungskontrollen durchgeführt werden.

c) Der Anspruch des Klägers auf Honorarzahlung für die bereits erbrachten Unterrichtsleistungen ist so gut wie sicher.

Der Senat kann die von den Beteiligten eingehend erörterte Frage dahinstehen lassen, wer von den Vertragspartnern eines derartigen Unterrichtsvertrages die Gegenleistungsgefahr für bereits erbrachte Unterrichtsleistungen nach den Regeln des bürgerlichen Rechts zu tragen hatte. Selbst wenn der Kläger im Fall unverschuldeter Unmöglichkeit zur Leistung der verbleibenden Unterrichtsstunden den Anspruch auf Vergütung des bereits abgehaltenen Unterrichts verloren hätte, würde das im Streitfall einer zeitanteiligen Gewinnrealisierung nicht entgegenstehen. Bei der in Bilanzierungsfragen gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 1998, § 5 Rz. 67) kann die Realisierung des Gewinns aus einem Unterrichtsvertrag nicht allein davon abhängen, ob eine später eintretende Unmöglichkeit theoretisch zum Entfallen des Honoraranspruchs für bereits erbrachte Leistungen führen kann. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Kläger als ordentlicher "Kaufmann" nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren Verhältnissen ernsthaft mit dem Ausfall seiner Honoraransprüche infolge zufälliger Unmöglichkeit der Leistung der verbleibenden Unterrichtsstunden rechnen mußte. Dafür ist weder etwas vom FG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen. Auch hatte das hier angesprochene und bei Unterrichtsverhältnissen grundsätzlich bestehende Risiko der durch den Tod des Unterrichtsverpflichteten eintretenden Unmöglichkeit im Streitfall kaum Gewicht, weil der Unterricht von einer Dozentengruppe geleistet wurde. Bei dieser Sachlage waren die Honoraransprüche des Klägers aus dem bis zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1989 erteilten Unterricht so gut wie sicher.

3. Das FA hat deshalb zu Recht die vom Kläger bilanziell vorgenommene Neutralisierung der Gewinne aus Honoraren rückgängig gemacht, soweit sie die anteiligen Honorare für bis zum Bilanzstichtag erbrachte Unterrichtsleistungen betrifft. Aufgrund der Feststellungen des FG kann der erkennende Senat aber nicht beurteilen, ob nicht zugleich auch die auf nachfolgende Unterrichtseinheiten entfallenden Honorare durch die von der Betriebsprüfung vorgenommenen Korrekturen den Gewinn des Streitjahrs erhöht haben. Die auf das folgende Wirtschaftsjahr entfallenden Honorarteile müßten, soweit sie durch Aktivierung von Forderungen bzw. Vereinnahmung des Einmalbetrags zu Lehrgangsbeginn das Betriebsvermögen des Klägers vermehrt haben, durch Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens (jetzt § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG) neutralisiert werden, um eine Gewinnauswirkung erst im Folgejahr auszulösen. Der Prüferbilanz ist ein solcher Bilanzposten nicht zu entnehmen.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen. Das FG wird festzustellen haben, ob die auf das Jahr 1990 entfallenden Honoraranteile in der Prüferbilanz zutreffend erfaßt worden sind.

Ende der Entscheidung

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